Handbohrlöcher

Dieses Forum ist ausschließlich fachlichen Diskussionen vorbehalten. Einzelne Forschungsprojekte können vorgestellt und diskutiert werden.
Antworten
Benutzeravatar
Nobi
Foren-Profi
Beiträge: 4309
Registriert: Di. 01. Okt 02 0:00
Name: Nobi
Wohnort: Leipzig
Kontaktdaten:

Handbohrlöcher

Beitrag von Nobi »

Ich habe mal eine Frage zu handgebohrten Löchern:

Wie lange hat man beim Handbohren für ein Bohrloch, also ~ 3 cm Durchmesser und 60 cm Tiefe im Gneis gebraucht?
GLÜCK AUF | NOBI

Der Berg ist frei.
Wo eyn man eynfahrn will
mag her es thun mit rechte.


w w w . b e r g b a u s h i r t . d e
Falafel
Foren-Profi
Beiträge: 1334
Registriert: Fr. 01. Aug 03 0:00
Name: Stephan Adlung
Wohnort: Freiberg

Re: Handbohrlöcher

Beitrag von Falafel »

Ich hab mal was von ein Loch pro Schicht gehört. Da müßte es auch eine Arbeit darüber geben (muß ich mal nachschauen).

Ansonsten ist erst mal zu unterscheiden zwischen einem zweimännischen Bohrloch (2") und einem einmännischen Bohrloch (1"). Schon da sollte es Unterschiede geben.

Glück Auf!
Stephan
Benutzeravatar
Nobi
Foren-Profi
Beiträge: 4309
Registriert: Di. 01. Okt 02 0:00
Name: Nobi
Wohnort: Leipzig
Kontaktdaten:

Re: Handbohrlöcher

Beitrag von Nobi »

Ich meine ein einmännisches Bohloch. Die Antwort ist auch nicht so dringend.
GLÜCK AUF | NOBI

Der Berg ist frei.
Wo eyn man eynfahrn will
mag her es thun mit rechte.


w w w . b e r g b a u s h i r t . d e
Benutzeravatar
Ludewig
Foren-Profi
Beiträge: 752
Registriert: Mo. 26. Jan 09 18:30
Name: Lutz Mitka
Wohnort: Halsbrücke
Kontaktdaten:

Re: Handbohrlöcher

Beitrag von Ludewig »

So pauschal kann man das gar nicht festlegen. Dabei spielt auch die Festigkeit des Gesteins eine Rolle und die Qualität der Bohrer, wie eine eingesetzte Schneide aus Stahl! Unverwitterter Freiberger Gneis ist sicher hartnäckiger als irgend ein schon halbzersetzter Schiefer oder ähnliches.
Technologisch betrachtet brauchte man für solch ein Bohrloch und um auf einen Durchmesser von reichlich 1" und deiner angegebenen Tiefe von etwa 60 cm drei verschiedene Bohrer. Geschossen wurde dann zum Ende der Schicht. In der Regel hat man im 18. Jahrhundert jeden Schuss einzeln angesteckt. Machbar sind mit Sicherheit 1 - 3 Bohrlöcher je verfahrener Schicht gewesen. Generell wurde diese Arbeit auch im Gedinge verfahren und durfte wohl nur von Doppelhäuer oder Steiger ausgeführt werden. Dadurch erübrigt sich auch die Festlegung für ein Bohrloch!
Dies ergab eine vorläufige Auswertung zum Gebrauch der Bohr- und Schießarbeit im Zschopautal zwischen Frankenberg und Mittweida für den Zeitraum 1716 - 1822.

Glück auf! Lutz Mitka,
Was war zuerst da, der Durst oder das Bier?

http://www.unbekannter-bergbau.de
Benutzeravatar
sehmataler
Foren-Profi
Beiträge: 461
Registriert: Do. 18. Mai 06 16:42
Wohnort: Sehma

Re: Handbohrlöcher

Beitrag von sehmataler »

Also speziell für Annaberger Verhältnisse Ende des 18. Jh. gibt es einen Hinweis auf die durchschnittliche Schlaganzahl bis zum Bohrerwechsel. Bis zum Hinterschneiden des Sohlenkegels mit dem Kronenbohrer wurden etwa 60 Schläge gebraucht. Das Sprengen des Sohlenkegels mit dem "Kolben" erforderte etwa 6-8 Schläge.
Diese Beschreibung bezieht sich nicht auf eine spezielle Grube, sondern stellt einen Durchschnittswert dar. [Neue Beiträge zur Mineralgeschichte verschiedener Länder. Autor: Johann Jakob Ferber; Verlag: J. F. Hinz, Mietau, 1778]

Um auf die Bohrfortschritt zu kommen, müsste man halt aus den Werkzeugparametern die Bohrtiefe für einen Zyklus berechnen.
Das teilt man durch einen realistischen Zeitansatz der reinen Bohrzeit für etwa 70 Schläge, zuzüglich der Zeiten für Werkzeugwechsel, Räumen des Bohrlochs etc.
Nec scire fas est omnia
Benutzeravatar
Nobi
Foren-Profi
Beiträge: 4309
Registriert: Di. 01. Okt 02 0:00
Name: Nobi
Wohnort: Leipzig
Kontaktdaten:

Re: Handbohrlöcher

Beitrag von Nobi »

Mal zum Hintergrund meiner Frage:

Ich war am Wochenende mal in einem Besucherbergwerk und da wurde erzählt, dass man durchschnittlich für 1 Bohrloch bei 60 cm Tiefe 2 (bis 3!) Tage gebraucht hat. Gleichzeitig wurde gesagt, dass pro Tag bei dem anstehenden Profil mit S&E 1 cm Vortrieb geschafft wurde. Also habe ich mal die sichtbaren Bohrlochpfeiffen gezählt und die nicht mehr sichtbaren Anhand des Abstandes etwas hochgerechnet und dann festgestellt, dass das so nicht stimmen kann, weil man da mit S&E deutlich schneller gewesen wäre. Naja, und nun wollte ich es eben mal wissen, ob man eine Art Durchschnittswert für das Handbohren im Gneis hat. Das es immer abhängig von Material, Gestein und natürlich auch vom ausführenden Bergmann ist, ist auch klar.
GLÜCK AUF | NOBI

Der Berg ist frei.
Wo eyn man eynfahrn will
mag her es thun mit rechte.


w w w . b e r g b a u s h i r t . d e
Benutzeravatar
Ludewig
Foren-Profi
Beiträge: 752
Registriert: Mo. 26. Jan 09 18:30
Name: Lutz Mitka
Wohnort: Halsbrücke
Kontaktdaten:

Re: Handbohrlöcher

Beitrag von Ludewig »

Nun kommt es aber noch auf den verwendeten Bohrertyp an. @Sehmataler spricht von den Kronenbohrern, diese waren früher recht teuer und auch selten. Nicht jeder Schmied war in der Lage diesen Typ auch einwandfrei herzustellen und das erforderte zusätzlich noch den Einsatz von hochwertigen Eisen zum Stählen. Geläufiger waren da Bohrer mit den einfachen Meiselkronen die auch jeder Hufschmied wieder in Ordnung bringen konnte. Ob die Bohrleistung und Standfestigkeit dieser Meiselkronen nun bedeutend geringer war lässt sich aus der Ferne nicht beurteilen, auch habe ich darüber noch keinen Nachweis gefunden. Der Einsatz der einzelnen Bohrertypen ist sicher vom jeweiligen Gebirge abhängig. Darüber hinaus wurden Meiselkronen sogar vom Brunnenbauer bis in das 20. Jahrhundert verwendet!

Die Angaben vom Besucherbergwerk stimmen da garantiert nicht. Ein 60 cm langes Bohrloch ist bestimmt innerhalb einer Schicht fertiggestellt und auch zum Schuss gekommen.

Glück auf! Lutz Mitka
Was war zuerst da, der Durst oder das Bier?

http://www.unbekannter-bergbau.de
Falafel
Foren-Profi
Beiträge: 1334
Registriert: Fr. 01. Aug 03 0:00
Name: Stephan Adlung
Wohnort: Freiberg

Re: Handbohrlöcher

Beitrag von Falafel »

Eine Vortriebsleistung mit S&E von 1 cm am Tag ist sauwenig! Habe auch mal einen Querschlag in Zug dokumentiert, wo anhand der Gedingezeichen diese Leistung belegt werden kann. Aber Durchschnitt ist etwa 10 cm pro Tag. Das kann anhand vieler Auffahrungen mit Gedingezeichen oder aber auch mit unzähligen Gedingeabrechnungen in den Zechenregistern belegt werden. In gut gängigem Gestein kann die Leistung sogar auf 50 cm hoch gehen.
Aber wie gesagt: Für den Freiberger Gneis ist 10 cm am Tag eine gute Rechengröße.

Glück Auf!
Stephan
Benutzeravatar
Haverlahwiese
Foren-Profi
Beiträge: 755
Registriert: So. 15. Mai 05 21:21
Name: Matthias Becker
Wohnort: Neuss
Kontaktdaten:

Re: Handbohrlöcher

Beitrag von Haverlahwiese »

Vergleichswerte aus dem Harz:
Schichtleistung pro Hauer: 3 Löcher bohren und schießen, dabei Schichtzeit 4-8 Stunden je nach Gedinge. Dies gilt etwa für die Mitte des 19. Jahrhunderts.

Die von Stephan genannten Vortriebsleistungen bei S&E-Arbeit würde ich so bestätigen. 1cm/S ist ein gern in Besucher-BW genannter Extremwert, der für "klemmiges" Gestein und für Wasserlösungsstoll(e)nprofile von 3-4m x 1m gilt oder von langen Vortriebszeiten mittelalterlicher Stoll(e)n abgeleitet wurde, die aber häufig lange Zeit nicht belegt waren.
Glück auf, Matthias

Die Hüttenleut' sein auch kreuzbrave Leut',
|:denn sie tragen das Leder vor dem Bauch bei der Nacht:|
|:und saufen auch!:|
Benutzeravatar
René_M
Foren-User
Beiträge: 237
Registriert: Mi. 03. Jan 07 10:06
Wohnort: Leipzig

Re: Handbohrlöcher

Beitrag von René_M »

Meine persönlichen Erfahrungen die ich hier bei uns in der Grube(Sommerkahl) gemacht habe ist folgende:
Nachweislich, anhand von Funden, ist der Einsatz von Handmeiselbohrern bis ins Jahr 1918 erfolgt. Durchmesser ca. 1 Zoll Länge bis zu 50 cm. Mit solch einem originalem Meiselbohrer demonstrier ich auch das bei Führungen. Nun habe ich zwar noch kein ganzes Loch geschlagen aber öfter mal geübt damit das Handling stimmt. geschlagen habe ich mit einem Feustel 1kg. Aus den Errinnerungen heraus würde ich sagen 1cm = 5-10min.
Das Gestein ist ebenfalls Gneis, wechselt in kurzen Abständen zwischen zerruschelt und größeren Bänken, ebenso zwischen Glimmerreich und fast gar nicht vorhanden. Insgesamt ist der Gneis sehr stark tektonisch beanspucht, es sind Klüfte bis in den cm Bereich vorhanden. So ist zb. ein Bohren mit Pressluft(BHS 25SV, Kreuzschneide, d=45mm ) in solchen Störungen fast unmöglich.
Ich habe am WE die Möglichkeit das mal genau zu testen.
Ich suche eine Stelle mit mittlerer Qualität, und melde mich mit den Ergebnissen.

Bis dahin
Glück auf René
Benutzeravatar
René_M
Foren-User
Beiträge: 237
Registriert: Mi. 03. Jan 07 10:06
Wohnort: Leipzig

Re: Handbohrlöcher

Beitrag von René_M »

So, zurück vom Selbstversuch kann ich euch folgende Ergebnisse mitteilen:

Bohrer: 30mm Durchmesser, Meiselschneide, mittlere Schärfe der Schneide

Ansatzpunkt: ca. Brusthöhe, waagerecht

Schlägel: 1xBohrfäustel 2kg, 1x normales Fäustel 1,25kg,

Durchführung: normale Schlagfrequenz die man auch längere Zeit durch hält, mehrere Versuche an dem selben Stoß

1. Ansatzpunkt: Gneis, stark gestört, Glimmerarm, sehr hart
Die ersten 5cm gehen recht schwer weil ständig der Bohrlochrand abplatzt uns sich so der Bohrer schlecht umsetzen lässt, Danach recht gut, häufiger Funkenflug. Vortrieb mit gelegentlichen Ausräumen 3-4min/cm, ergo 60cm = 240min.

2. Ansatzpunkt: ca. 3m vom ersten, Gneis, kompakt, Glimmerreich weich bis mittelhart
keine Abplatzungen am Bohrlochrand, bei derben Schlägen klemmt der Bohrer schnell ein, keine Funken. Vortrieb mit öfteren Ausräumen 1-2min/cm, ergo 60cm = 120min

Tendenziell komme ich mit dem leichteren Fäustel besser zurecht, egal welche Härte, der Bohrlochgrund bleibt eben, der Bohrer neigt weniger zum verklemmen. Harte Schläge können auch mal eben die Meiselschneide kosten.
Glück auf René
Bergzwerg
Foren-User
Beiträge: 97
Registriert: Do. 14. Jan 10 16:17
Name: Karsten Uhlig
Wohnort: Gottmadingen

Re: Handbohrlöcher

Beitrag von Bergzwerg »

GA. Im Briccius existieren Bohrlöcher mit einem D. von ca.6cm. Ich frage mich daher,wie lang die Alten dafür gebraucht haben. Zwar waren 2 Bergleut damit beschäftigt,einer hält den Bohrer und versetzt nach jedem Schlag um ne 1/4 Umdrehung der andere schlägt,trotzdem muß dies ein Knochenjob gewesen sein. Denke das man da net mit einem 3 Pfund Schlägel anfangen brauch!
Benutzeravatar
Ludewig
Foren-Profi
Beiträge: 752
Registriert: Mo. 26. Jan 09 18:30
Name: Lutz Mitka
Wohnort: Halsbrücke
Kontaktdaten:

Re: Handbohrlöcher

Beitrag von Ludewig »

Über die Anwendung der Bohr- und Schießarbeit in Sachsenburg gibt es eine Belegarbeit von Karl Wilhelm von Oppel aus dem Jahr 1779. Daraus geht hervor, dass die Bergleute im einfachen Lohn je Schicht etwa 3 - 4 Bohrlöcher anlegen mussten. Es handelt sich um ein Ort mit Gang, wo Strosse und Ortsscheibe mittels Bohr- und Schießarbeit aufgefahren wurde. Als Gebirge, Frankenberg - Hainichener Zwischengebirge, stand Tonschiefer ( vermutlich Amphibolschiefer) und Gneis (vermutlich Augengneis) an. Je Schuss wurden vom Steiger zur Ausführung der Arbeit als Bohren, Besetzen und Anzünden zwei Stunden veranschlagt. Tiefe der Bohrlöcher 18" - 20" bei gut 1" Weite dieser. Leider lässt sich zum jetzigen Zeitpunkt nicht die genaue Lokalität im Grubenfeld von "Reicher Segen Gottes Fundgrube" ermitteln, Die Anlage ist seit 1826 nicht mehr fahrbar!

Im Freiberger Gneis würden die Eckdaten auf Grund des festeren Gesteins wohl erheblich geringer ausfallen!

Glück auf! Lutz Mitka
Was war zuerst da, der Durst oder das Bier?

http://www.unbekannter-bergbau.de
Benutzeravatar
georgagricola
Foren-User
Beiträge: 92
Registriert: Mo. 11. Apr 05 16:25
Name: Dr. Konrad Wiedemann
Wohnort: Kassel

Re: Handbohrlöcher

Beitrag von georgagricola »

Außer in der zeitgenössischen Bergbaufachliteratur des 18. Jahrhunderts ist dieses Thema in einem immer noch gültigen Beitrag von Franz Kirnbauer abgehandelt worden:

Kirnbauer, Franz: Der Faktor Zeit im Stollen- und Streckenvortrieb. In: Montan-Rundschau. Jg. 8. H. 10. Wien 1960. S. 287-298 mit weiterführenden Literaturangaben.

Hier nur aus der Tabelle von S. 290:
Schlägel- & Eisenarbeit Profil: 1-2 m² durchschnittl. Tagesfortschritt bei festem Gestein: 0,05 m
Schießen mit Schwarzpulver: Profil 2-3 m² durchschnittlicher Tagesfortschritt bei festem Gestein: 0,30 m

Glück auf
Konrad Wiedemann
Antworten