Kumpel, Kader und Genossen

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Nobi
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Kumpel, Kader und Genossen

Beitrag von Nobi »

Kumpel, Kader und Genossen: Arbeiten und Leben im Uranbergbau der DDR
Die Wismut AG

Juliane Schütterle

Juliane Schütterle schildert ebenso anschaulich wie detailliert den Arbeitsalltag und die Lebenswelt der Uran-Kumpel.
Über 40 Jahre lang förderte die Wismut AG Uranerz für die sowjetische Atomindustrie.

1947 von Geheimdienstoffizieren Stalins im Erzgebirge gegründet, entwickelte sich der streng abgeschirmte Bergbau zu einem der größten Industriebetriebe der DDR. Er besaß ein eigenes Netz von Transport-, Zulieferer- und Baubetrieben, eine Handelsorganisation, ein eigenes Gesundheitswesen sowie eigenständige Abteilungen von Partei, Gewerkschaft, Staatssicherheit und Polizei. Die Belegschaft genoss besondere Privilegien.

Das Buch ist die erste ausführliche Analyse dieser erstaunlichen »Parallelwelt« und der mit ihr verbundenen Sozialpolitik.

Verlag Ferdinand Schöningh, Paderborn
ISBN 978-3-506-76922-0
€ 34,90

Telefon 0 71 54/13 27-22
FAX 0 71 54/13 27-13
E-Mail:schoeningh@brocom.de
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geophys
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Re: Kumpel, Kader und Genossen

Beitrag von geophys »

... hast du schon mal reingeschnuppert?
Subjektive Eindrücke in Buchform gab es ja schon reichlich zu diesem Thema.
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Nobi
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Re: Kumpel, Kader und Genossen

Beitrag von Nobi »

geophys hat geschrieben:... hast du schon mal reingeschnuppert?
Nein, habe ich nicht.
Zu den frühen Jahren kann und will ich mir auch kein Urteil erlauben. Ich könnte auch nur das beurteilen, was ich selber erlebt habe.
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geophys
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Re: Kumpel, Kader und Genossen

Beitrag von geophys »

... ja, ist ein schwieriges Thema.
Zuletzt geändert von geophys am Fr. 13. Aug 10 19:16, insgesamt 1-mal geändert.
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Claudia
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Re: Kumpel, Kader und Genossen

Beitrag von Claudia »

Die Dame hatte auch einen Beitrag im Tagungsband zum
Montanhistorik-Workshop 2007 in Thüringen.
Wer den hat, kann sich ja schonmal "einlesen"...
Glück auf!
Claudia

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sehmataler
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Re: Kumpel, Kader und Genossen

Beitrag von sehmataler »

Nun man braucht nicht lange zu lesen, um den O-Ton der gedruckten Dissertation herauszufinden.

Vorwort S. 7: "... Bundesstiftung zur Aufarbeitung der SED-Diktatur ..."

Einleitung S. 13: "... Uranminen ..."

S. 23, 24: "Der Mitte der neunziger Jahre noch recht kritische und distanzierte Blick auf die Tätigkeit des wohl größten Arbeitgebers in der Region ist in der aktuelleren Erinnerungsliteratur fast vollkommen einer glattgebügelten und harmonischen Perspektive gewichen.
...
Die kürzlich erschienen Memoiren des ... Klaus Beyer ... tragen aber im Großen und Ganzen den Impetus des "Es war ja nicht alles schlecht", wenn nicht sogar des "Früher war alles besser". "

Also ich finde die von Klaus Beyer geschilderten Tatsachen aus 40 Jahre Betriebsalltag der Wismut weder glattgebügelt noch harmonisch - sondern unbedingt lesenswert.

Nach Meinung der Autorin besteht jedoch die ernste Gefahr, dass unbedarfte Leser späterer Generationen ein falsches Bild erhalten, wenn sie die Literatur der Zeitzeugen für bare Münze nehmen.
Was für ein Glück für Frau Schütterle, die sich solch gefährlichem Machwerk mit "... wissenschaftlich-quellenhermeneutischen Werkzeugen zu nähern vermag."

Glaubwürdigkeitszweifel an den Erinnerungen der Zeitzeugen werden immer wieder geäußert. Die Autorin registriert mit Unverständnis, dass kein einziger von ihr befragter Zeitzeuge einen negativen Gesamteindruck zur Tätigkeit der Wismut hatte.
Nun konnte sie nicht allen Zeitzeugen pauschal mangelhaftes Erinnerungsvermögen unterstellen.
Also brachte sie die Hypothese der "apologetischen Umformung" ins Spiel. Allgemeinverständlich erklärt, soll es wohl "rechtfertigende Umformung der individuellen Erinnerungen" heißen. Apologetische Umformung klingt natürlich wissenschaftlicher, wie ein ganz charakteristisches Krankheitsbild eben.
So können die Aussagen der Zeitzeugen mittels der Hermeneutik (Auslegung) mühelos vom Historiker nach seiner Intention "ausgelegt" werden.
Zuletzt geändert von sehmataler am Mi. 08. Jun 11 8:06, insgesamt 1-mal geändert.
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Nobi
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Re: Kumpel, Kader und Genossen

Beitrag von Nobi »

Tja, da schreibt scheinbar eine Blinde über die Farbe, von der sie sich nur erzählen lasst. Dabei kann sie nicht verstehen, dass Schwarz und Grau auch nett sein kann.

OT:
Vorgestern stand bei uns in der Lokalpresse ein Bericht über einen Leser. Der ist 86 und es wurde erwähnt, dass er mal bei der Wismut in Johannsibirsk war (Hauer, Lokfahrer, Brigadier). Name und Wohnort (ein größeres Dorf vor den Toren von L.E.) sind bekannt. Straße könnte man bestimmt auch rausfinden. Falls also jemand einen Zeitzeugen interviewen möchte ...
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EnoM
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Re: Kumpel, Kader und Genossen

Beitrag von EnoM »

Nobi, würde dich bitten das mal rauszufinden. Planen im August in der Leipziger Gegend zu sein.
Nur wer die Sehnsucht kennt, weiß was ich leide.
(CvD)
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sehmataler
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Re: Kumpel, Kader und Genossen

Beitrag von sehmataler »

Nobi hat geschrieben:Tja, da schreibt scheinbar eine Blinde über die Farbe, von der sie sich nur erzählen lasst.
Zeitzeugenberichte waren (leider) kein Kernpunkt der Arbeit. Die Dissertation bezieht sich hauptsächlich auf Aktenmaterial von verschiedenen Wismut- und DDR-Institutionen (Bundesarchiv, Unternehmensarchiv Wismut GmbH, Hauptstaatsarchive, Stasi).

Einige Passagen der Dissertation über innerbetriebliche Probleme kann ich durchaus auch nachvollziehen.

Andererseits tauchen viele übertriebene, ja schlichtweg falsche Aussagen auf.

Um nur eine von vielen herauszugreifen, siehe Seite 159: " So wurde das Erz wegen fehlender Hunte lange Zeit in Metallkisten transportiert."

Erzkisten dienten dazu, die Transportverluste der wertvollen Stufenerze zu verringern und wurden in Hunte gestapelt vom Abbaublock nach Übertage gebracht.

Der unbedarfte Leser schließt hingegen aus dem Text der Dissertation, dass wegen der allgemeinen Mangelwirtschaft keine Hunte zum Erztransport zur Verfügung standen.
Ist so was korrekt?
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markscheider
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Re: Kumpel, Kader und Genossen

Beitrag von markscheider »

Aus meiner Sicht ist es ein grundsätzliches Problem, eine falsche Herangehensweise, Geschichte aus den archivierten Akten heraus darstellen zu wollen. Die Aktenlage ist nur _ein_ Aspekt von ichweißnichtwievielen. Sicher kann man das machen, muß aber geradezu zwingend dann diese Darstellung einer weiteren Darstellung gegenüberstellen. Wenn die Autorin eigene Schlüsse zieht, wie hier den mit den Erzkisten, aber gleichzeitig über kein eigenes Hintergrundwissen verfügt, dann ist sie eigentlich verpflichtet, sich dieses Wissen anzueignen, zumal das wie im vorliegenden Fall sehr einfach möglich ist.

Leider scheint sich diese Arbeitsweise immer mehr auszubreiten, ohne daß dies entsprechend kritisch seitens der Doktorväter etc. betrachtet wird. Ich erinnere hier nochmal an das Buch "Aus der Tiefe ans Licht", das ich hier bereits besprochen hatte.
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