Tonabbau unter Tage
Verfasst: So. 09. Nov 08 13:21
Da hier sehr wenig über den heutigen Tonbergbau zu finden ist, hier mal etwas über die Gewinnungstechnologie im Tontiefbau. Es handelt sich um ein Vortragsmanuskript. Der Vortrag wurde am 8. Februar 2007 im Glas- und Keramikmuseum in Großalmerode gehalten und war recht gut besucht. Es hatte sich also gezeigt, dass an diesem Thema doch noch Interesse besteht.
Es ist auch die Frage hier zu stellen, hat der Tontiefbau überhaupt Zukunftsperspektiven? Lohnt es sich überhaupt noch, einen neuen Tiefbau auf Ton mit modernster Technik - wie z. B. im Braunkohlentiefbau der Zeche Hirschberg angewandter Gleislostechnik mit Fahrlader und Teilschnittmaschine - aufzuschliessen?
Würde sehr gerne hier eine sachliche Diskussion eröffnen und dabei würde mich euere Meinung dazu interessieren.
Glückauf!
Stefan
Gewinnungstechnologie im Tontiefbau
(Ein Vortrag von Stefan Bauer gehalten am 8. Februar 2007 im Glas- und Keramikmuseum Großalmerode)
Die Gewinnung von Ton unter Tage im Tiefbau wird zurzeit in Deutschland nur noch in drei Regionen durchgeführt:
Großalmerode bei Kassel
- Grube Lengemannschacht (Glasschmelzhafenton)
- Grube Goebel-Werk (Hochfeuerfester Bindeton)
Eisenberg (Pfalz)
- Grube Abendtal (Engobeton)
Klingenberg am Main
- Tonwerk Klingenberg (Hochfeuerfester Bindeton)
Die dort zu Tage geförderten Rohtone sind Aufgrund ihrer chemischen und physikalischen Zusammensetzungen und Eigenschaften einmalig und werden nur in ganz speziellen Anwendungsgebieten verwendet:
● Glasschmelzhafenton für Glasschmelzhäfen, Hafenringe, Labortiegel, Rührer, Glasziehdüsen u.s.w.
● Hochfeuerfester Bindeton für Grafit- und Tonschmelztiegel, Schamottesteinen, SiC-Produkte, Hochspannungs-Isolatoren, Bleistiftminen u.s.w.
● Engobeton als natürliche Glasur zur Oberflächenvergütung von Dachziegeln
Die Tongewinnung unter Tage bis Ende 1950er Jahre
Die traditionelle Tongewinnung mit Tonaxt und Tonhaue wurde unter Tage bis etwa 1910 betrieben. Die Gewinnleistung war gering und lag nur bei etwa 1-2 t pro Mann und Schicht.
Der Tonabbau mit Sprengstoff erleichterte die Gewinnungsarbeit unter Tage für die Bergleute erheblich. In Großalmerode wurde z.B. erstmals im Jahr 1904 im Lengemannschacht die ersten erfolgreichen Sprengversuche durchgeführt und dabei eine wesentliche Steigerung der Förderleistung gegenüber dem Abbau von Hand erreicht. Jedoch im plastischen Tonen war die Sprengarbeit nicht so erfolgreich (schlechte Tonausbeute), so dass ein „Schießhauer“ unter Tage schon ein bisschen handwerkliches Geschick haben musste, um mit dem Handbohrer die „Schüsse richtig anzusetzen“. Für ein ca. 1,20 m langes Bohrloch brauchte der Bergmann ca. 10 bis 15 min. 6 bis 9 Bohrlöcher mussten pro Sprengung gebohrt werden. Anschließend wurde das Bohrloch mit Sprengpatrone „Donarit“, Sprengkapsel und Zündschnur beladen und wenig später, meistens zum Schichtwechsel oder Schichtende, erfolgte in sicherem Abstand zum Abbauort die Sprengung. Großer Nachteil beim Sprengen waren die gefährlichen Sprenggase, die durch Sonderbewetterung vom Abbauort entfernt werden mussten. Ein weiterer Nachteil war die Erschütterung des Hangenden durch die Detonation der Sprengung. Das Gebirge wurde rissig und somit konnten durch die Gesteinsklüfte oft Schwimmsand- oder Wassereinbrüche stattfinden, so dass an diesen Stellen oftmals der Abbau für immer eingestellt werden musste. Wertvolle Mengen besten Tones sind so der Förderung verloren gegangen.
In der Regel erfolgte nach der Sprengung das beladen des abgesprengten Tones von Hand in Förderwagen, die dann über ein hundertmeterlanges Streckennetz bis zum Schachtfüllort von Hand durch den „Schlepper“ geschoben werden mussten. In Gefäll- bzw. Steilstrecken kamen Haspelantriebe, sowie Bremsberge zum Einsatz. In Eisenberg wurde erfolgreich u.a. ab 1951 bei der Firma Chamotte-Industrie Hagen-burger-Schwalb AG aus Hettenleidelheim das los gesprengte Haufwerk nicht von Hand in den Förderwagen geladen, sondern maschinell mit Hilfe eines Wurfschaufelladers. Die Gewinnleistung beim Sprengen lag bei etwa 6-10 t pro Mann und Schicht [1, 5, 8].
Im Westerwald wurde schon im Zweiten Weltkrieg bei einigen Firmen in den Jahren 1942/43 die ersten Druckluftspatenhämmer eingeführt, nachdem sich dieses Druckluftwerkzeug schon bei der Tongewinnung im Tagebau erfolgreich bewährt hatte. Die Firma Flottmann aus Herne entwickelte schon im Jahre 1927 den ersten Druckluftspatenhammer für den Tonbergbau vom Typ C 5 mit Ein- und Ausschaltung durch einen Schiebegriff. 1930 folgte der verbesserte Hammertyp C B mit Ein- und Ausschaltung durch vom Spateneinsteckende betätigtem Ventil und ab etwa 1948 der später im Tontiefbau weit verbreitete Hammertyp C F mit Ein- und Ausschaltung durch eine Ventilklappe am Haltegriff.
Auf der Grube Landwehr (Westerwald) wurde ab Herbst 1950 aus wirtschaftlichen Gründen vom Sprengen des Tones auf den Abbau mit Druckluftspatenhammer umgestiegen. Da die Flottmann-Spatenhämmer des Typs CF 17 ein sehr hohes Eigengewicht hatten (~17 kg ohne Spaten) und durch das waagerechte/schräge halten des Hammers die Arbeit für die Bergleute schwerste körperliche Arbeit war, wurde der Versuch unternommen Flottmann-Druckluftstützten (auch „Bohrknecht“ genannt) einzusetzen. Die Versuche waren erfolgreich und so wurde u.a. auch für hohe Abbauräume eine Flottmann-Druckluft-Teleskopstütze vom Typ ET 13/1a verwendet. Jedoch blieb der Einsatz des Bohrknechtes auf Grube Landwehr einzigartig, denn durchsetzen konnte sich diese Abbauhilfe im deutschen Tontiefbau nicht. Zu umständlich war das hantieren mit der Druckluftstütze, zumal sich später leichtere Druckluftspatenhämmer immer mehr durchsetzen. Die Gewinnleistung mit dem Druckluftspatenhammer, der heute noch in zwei Tiefbaugruben im Einsatz ist, liegt bei etwa 17-20 t pro Schicht (~5-10 t pro Mann und Schicht) [3, 5, 10].
Die ersten Versuche der maschinellen Tongewinnung
Der Tonstollenschneider System Walterfang wurde Anfang der 1950er Jahre vom damaligen Betriebsleiter Walterfang der Grube „Langewiese“ (Westerwald) entwickelt und von der Firma Otto in Bendorf gebaut. Jedoch wurden nur zwei Exemplare davon in Betrieb genommen. Zum Einsatz kamen die beiden Maschinen in der Grube „Langewiese“ (Westerwald) und im pfälzischen Hettenleidelheim-Eisenberg. Die Gewinnleistung war aber dennoch beachtlich und lag bei etwa 24 t pro Schicht (~12 t pro Mann und Schicht) [5].
Im Großalmeroder Tonbergbau erfolgte der Einsatz einer Tonschneidemaschine um 1960. Entwickelt bei den Vereinigten Großalmeroder Thonwerken AG und gebaut in deren Schlosserei am Werk Heiligenhof in Großalmerode wurde das Gewinnunggerät, das nach dem Prinzip der später im Tonbergbau weit verbreiteten Tonbohrmaschine arbeitete, im Versuchseinsatz im Glashafentonabbau in der Grube Faulbachschacht (?) im Jahre 1963 eingesetzt. Weitere Einzelheiten dazu sind nicht mehr bekannt.
Neben diesen Eigenentwicklungen wurden u.a. auch Schrämmaschinen (Eisenberg und Großalmerode) Versuchsweise zur Tongewinnung eingesetzt, wie sie aus dem Steinkohlen- und Erzbergbau bekannt sind [8].
Die maschinelle Tongewinnung ab Mitte der 1960er Jahre
Tongewinnung unter Tage kann u. U. recht kostspielig werden, besonders dann, wenn es sich um Tonlagerstättenteile handelt, die in recht großen Teufen vorliegen. Hier hat man es dann nicht unbedingt mehr mit plastischen Tonschichten zu tun, die Problemlos mit dem Druckluftspatenhammer gewonnen werden können, sondern mit festen und vor allem harten Ton. Diese Tone lassen sich nur unter erheblichen Kostenaufwand noch von Hand mit dem Spatenhammer abbauen.
Diese Erkenntnisse sammelte man sehr schnell, als der Tontiefbau in Deutschland in größere Teufen von 60 m und mehr vordrang. So wurde von den Fuchs’schen Tongruben aus Ransbach-Baumbach in Zusammenarbeit mit der Gewerkschaft Eisenhütte Westfalia aus Lünen der elektrisch angetriebene Fräs-Lader entwickelt und im Tiefbau Richard in Niederahr (Westerwald) erstmals mit sehr großem Erfolg erprobt. Später erhielt der Fräs-Lader dann den berühmten Namen „Westfaliafuchs“. Der Fräs-Lader Westfaliafuchs war ein Gewinnungs- und Ladegerät, das für den Streckenvortrieb und den Abbau in gleicher Weise geeignet war und hydraulisch gearbeitet hat, d.h. Gewinnen bzw. Laden und Abfördern erfolgten gleichzeitig und kontinuierlich durch nur einen Mann. Der schwenkbare Schneidarm war im wesentlichen ein Kratzerförderer mit Mittelkette, dessen vorn liegende Umkehrrolle als Schneidwalze ausgebildet war. Der Ausleger war als Kettenkratzerförder, später mit einem Gurtförderband, ausgebildet. Der Fräs-Lader war mit Gleis- und später auch als Raupenfahrwerk ausgestattet. Im Tontiefbau wurde der Fräs-Lader nur mit Gleisfahrwerk betrieben, ein unter heutigen Gesichtspunkten der modernen Gleislostechnologie sehr großer Nachteil. Aber da damals auch die gesamte Förderung im Tontiefbau durch Schienenfahrzeuge (z.B. Diesellokomotiven in den Hauptförderstrecken) erfolgte, war der Einsatz des Fräs-Laders als Schienfahrzeug gerechtfertigt. Eine weitere neue Tongewinnungsmaschine wurden ebenfalls im Tontiefbau eingesetzt: Die Tonbohrmaschine. Die Maschinenfabrik Erwin Vetter GmbH aus Eiserfeld/Sieg konstruierte Anfang der 1960er Jahre eine Abbaumaschine zur Torfgewinnung, die später auch weit verbreitet im Tontiefbau eingeführt wurden ist. Um 1970 kam dann noch eine weitere verbesserte Tonbohrmaschine auf dem Markt: Die Tonbohrmaschine „Weber“ vom Typ W/111. Bei der Tonbohrmaschine handelt es sich um ein Schienfahrzeug mit einem schwenkbaren Förderrohr an dessen Ende innen eine zweiflügelige Bohrschneide mit angeschlossener Förderschnecke eingebaut ist. Die Tonbohrmaschine bohrt Loch an Loch, so dass sich der Rohton in kleinen Klumpen aus dem Flöz löst. Später entwickelte man dann einen Bohrarm mit angeschlossener dreiflügeliger freier Bohrschneide, die sich für den Einsatz bei festen und härteren Tonsorten besser bewährt hat. Die Gewinnleistung beider Tongewinnungsmaschinen ist fast identisch und liegt beim Streckenvortrieb bei 20-25 t und im Abbau bei 35-40 t pro Schicht. Theoretisch gerechnet wären 60 t im Abbau pro Schicht möglich, sind aber bisher kaum erbracht worden. Bis auf die beiden Tongewinnungsmaschinen in Großalmerode existiert heute keine einzige Tonbohrmaschine mehr im deutschen Tontiefbau. Der letzte Fräs-Lader Westfaliafuchs wurde 1998 außer Betrieb genommen, als der Tonabbau im Tiefbau Richard gestundet worden war (2001 dann stillgelegt). Das Gerät ist heute Ausstellungsstück des Tonbergbaumuseums Westerwald in Siershahn [1, 4, 7, 9].
Auf der Tongrube Dr. C. Otto (Melsbach bei Neuwied) auf Schacht „Dr. C. Otto II“ wurde auf der 90 m Sohle maschinell mit Hilfe eines Doppelschaufelrad-Baggers „Sürken“ Tongewinnung betrieben. Leider sind auch hier zurzeit keine genauren Einzelheiten mehr bekannt [6].
Die heutige Tongewinnung
Die unterirdische Tongewinnung erfolgt heute entweder noch mit dem Druckluftspatenhammer, wie in den beiden Tontiefbaugruben Abendtal/Eisenberg und Tonwerk Klingenberg, oder maschinell mit der Tongewinnungsmaschine, wie im Großalmeroder Tonbergbau. Hierbei handelt es sich um die Tonbohrmaschine „Vetter“ Typ VE 500/11, die noch in zwei Varianten existiert:
● Als freischneidende dreiflügelige Bohrschneide. Das abgebohrte Kleingut wird dann mittels Bunkerlader aufgenommen und zu einer Kippstelle gefahren.
● Mit Förderrohr und eingebauter zweiflügelige Bohrschneide mit angeschlossener Förderschnecke. Das hierbei abgebohrte Kleingut wird dann mit einem darunter angebauten Abzugsband direkt einer Förderbandanlage zugeführt.
Die beiden Tongewinnungsmaschinen sind zudem mit Raupenfahrwerken ausgestattet und können so gleislos im Abbaubereich bewegt werden[2].
Die Förderung des abgebauten Rohtones erfolgt mit Handbefüllung von Förderwagen (Eisenberg und Klingenberg), die dann auch von Hand mit Zuhilfenahme von Haspeln zum Schachtfüllort geschoben werden müssen. In einem rationalisierten Arbeitsgang in Kombination von Förderband und Förderwagen kann mit Hilfe einer untertägigen Seilbahn-Förderanlage die Förderung auch maschinell erfolgen, wie dies zurzeit im Tiefbau Lengemannschacht (Großalmerode) erfolgt. Das entleeren der Förderwagen erfolgt entweder von Hand durch eine Kippvorrichtung oder maschinell mit Wippern.
Insgesamt sind noch etwa 27 Bergleute im deutschen Tontiefbau angelegt. Die jährliche Fördermenge beträgt zusammen etwa 1.500 bis 8.000 t Ton. Die Vorräte dieser speziellen Tonsorten reichen noch für die nächsten Jahrzehnte.
Literatur
[1] BAUER, St. (2003): Zum Tonbergbau von Großalmerode: Die Tongruben der Aktiengesellschaft Vereinigte Großalmeroder Thonwerke, Teil 1 & 2. In: Keramische Zeitschrift 55, Heft 1, S. 18-22 und Heft 3, S.186-190. DVS-Verlag GmbH, Düsseldorf.
[2] BAUER, St. (2006): Untertägiger Tonabbau am Beispiel der Lagerstätte Großalmerode. In: Glückauf 142, Nr. 4, S. 154-158. Verlag Glückauf GmbH, Essen.
[3] FEUSTEL, K. (1952): Die Entwicklung der Flottmannschen Druckluftgeräte für die Tongewinnung. In: Der Bohrhammer 14, Nr. 1, S. 32-35. Hauszeitschrift der Heinrich Flottmann GmbH, Herne.
[4] MATTHÄY (1952): Maschineneinsatz in der Tonindustrie. In: Der Bohrhammer 14, Nr. 1, S. 4-16, Hauszeitschrift der Heinrich Flottmann GmbH, Herne.
[5] MAYEN, K.-D. (1985): Tongräber im Westerwald. Ein Beitrag zur Geschichte und Entwicklung des Tonbergbaus im Westerwald. 142 Seiten. 2. Auflage. Im Selbstverlag, Siershahn.
[6] MAYEN, K.-D. (1998): Menschen unter Tage im Westerwälder Tonbergbau. 192 Seiten. Im Selbstverlag, Siershahn.
[7] LADNORG, U. (2002): Schacht Richard – der letzte Westerwälder Tontiefbau wurde geschlossen. In: Keramische Zeitschrift 54, Heft 6, S. 496-498. Verlag Schmid GmbH, Freiburg.
[8] LUCKHARDT, K. (1951): Der Bergbau der Ton-, Klebsand- und Glassandvorkommen im Gebiet Hettenleidelheim-Eisenberg/Pfalz und Kriegsheim-Monsheim/Hessen. In: TIZ-Zbl. 75, Heft 5/6, S. 69-73, Wilhelmshaven.
[9] ROSENBERG (1966): Der Fräs-Lader Westfaliafuchs im Streckenvortrieb und Abbau auf der Schachtanlage Hoher Meißner der Braunkohlen- und Brikett-Industrie AG – BUBIAG – In: Westfalia-Berichte. Heft Oktober, 20 Seiten. Hrsg. Gewerkschaft Eisenhütte Westfalia, Lünen.
[10] WIESENER (1952): Erfahrungen mit dem Pressluftspaten und der Druckluftstütze bei der Tongewinnung unter Tage auf der Tongrube Landwehr. In: Der Bohrhammer 14, Nr. 1, S. 17-27. Hauszeitschrift der Heinrich Flottmann GmbH, Herne.
Es ist auch die Frage hier zu stellen, hat der Tontiefbau überhaupt Zukunftsperspektiven? Lohnt es sich überhaupt noch, einen neuen Tiefbau auf Ton mit modernster Technik - wie z. B. im Braunkohlentiefbau der Zeche Hirschberg angewandter Gleislostechnik mit Fahrlader und Teilschnittmaschine - aufzuschliessen?
Würde sehr gerne hier eine sachliche Diskussion eröffnen und dabei würde mich euere Meinung dazu interessieren.
Glückauf!
Stefan
Gewinnungstechnologie im Tontiefbau
(Ein Vortrag von Stefan Bauer gehalten am 8. Februar 2007 im Glas- und Keramikmuseum Großalmerode)
Die Gewinnung von Ton unter Tage im Tiefbau wird zurzeit in Deutschland nur noch in drei Regionen durchgeführt:
Großalmerode bei Kassel
- Grube Lengemannschacht (Glasschmelzhafenton)
- Grube Goebel-Werk (Hochfeuerfester Bindeton)
Eisenberg (Pfalz)
- Grube Abendtal (Engobeton)
Klingenberg am Main
- Tonwerk Klingenberg (Hochfeuerfester Bindeton)
Die dort zu Tage geförderten Rohtone sind Aufgrund ihrer chemischen und physikalischen Zusammensetzungen und Eigenschaften einmalig und werden nur in ganz speziellen Anwendungsgebieten verwendet:
● Glasschmelzhafenton für Glasschmelzhäfen, Hafenringe, Labortiegel, Rührer, Glasziehdüsen u.s.w.
● Hochfeuerfester Bindeton für Grafit- und Tonschmelztiegel, Schamottesteinen, SiC-Produkte, Hochspannungs-Isolatoren, Bleistiftminen u.s.w.
● Engobeton als natürliche Glasur zur Oberflächenvergütung von Dachziegeln
Die Tongewinnung unter Tage bis Ende 1950er Jahre
Die traditionelle Tongewinnung mit Tonaxt und Tonhaue wurde unter Tage bis etwa 1910 betrieben. Die Gewinnleistung war gering und lag nur bei etwa 1-2 t pro Mann und Schicht.
Der Tonabbau mit Sprengstoff erleichterte die Gewinnungsarbeit unter Tage für die Bergleute erheblich. In Großalmerode wurde z.B. erstmals im Jahr 1904 im Lengemannschacht die ersten erfolgreichen Sprengversuche durchgeführt und dabei eine wesentliche Steigerung der Förderleistung gegenüber dem Abbau von Hand erreicht. Jedoch im plastischen Tonen war die Sprengarbeit nicht so erfolgreich (schlechte Tonausbeute), so dass ein „Schießhauer“ unter Tage schon ein bisschen handwerkliches Geschick haben musste, um mit dem Handbohrer die „Schüsse richtig anzusetzen“. Für ein ca. 1,20 m langes Bohrloch brauchte der Bergmann ca. 10 bis 15 min. 6 bis 9 Bohrlöcher mussten pro Sprengung gebohrt werden. Anschließend wurde das Bohrloch mit Sprengpatrone „Donarit“, Sprengkapsel und Zündschnur beladen und wenig später, meistens zum Schichtwechsel oder Schichtende, erfolgte in sicherem Abstand zum Abbauort die Sprengung. Großer Nachteil beim Sprengen waren die gefährlichen Sprenggase, die durch Sonderbewetterung vom Abbauort entfernt werden mussten. Ein weiterer Nachteil war die Erschütterung des Hangenden durch die Detonation der Sprengung. Das Gebirge wurde rissig und somit konnten durch die Gesteinsklüfte oft Schwimmsand- oder Wassereinbrüche stattfinden, so dass an diesen Stellen oftmals der Abbau für immer eingestellt werden musste. Wertvolle Mengen besten Tones sind so der Förderung verloren gegangen.
In der Regel erfolgte nach der Sprengung das beladen des abgesprengten Tones von Hand in Förderwagen, die dann über ein hundertmeterlanges Streckennetz bis zum Schachtfüllort von Hand durch den „Schlepper“ geschoben werden mussten. In Gefäll- bzw. Steilstrecken kamen Haspelantriebe, sowie Bremsberge zum Einsatz. In Eisenberg wurde erfolgreich u.a. ab 1951 bei der Firma Chamotte-Industrie Hagen-burger-Schwalb AG aus Hettenleidelheim das los gesprengte Haufwerk nicht von Hand in den Förderwagen geladen, sondern maschinell mit Hilfe eines Wurfschaufelladers. Die Gewinnleistung beim Sprengen lag bei etwa 6-10 t pro Mann und Schicht [1, 5, 8].
Im Westerwald wurde schon im Zweiten Weltkrieg bei einigen Firmen in den Jahren 1942/43 die ersten Druckluftspatenhämmer eingeführt, nachdem sich dieses Druckluftwerkzeug schon bei der Tongewinnung im Tagebau erfolgreich bewährt hatte. Die Firma Flottmann aus Herne entwickelte schon im Jahre 1927 den ersten Druckluftspatenhammer für den Tonbergbau vom Typ C 5 mit Ein- und Ausschaltung durch einen Schiebegriff. 1930 folgte der verbesserte Hammertyp C B mit Ein- und Ausschaltung durch vom Spateneinsteckende betätigtem Ventil und ab etwa 1948 der später im Tontiefbau weit verbreitete Hammertyp C F mit Ein- und Ausschaltung durch eine Ventilklappe am Haltegriff.
Auf der Grube Landwehr (Westerwald) wurde ab Herbst 1950 aus wirtschaftlichen Gründen vom Sprengen des Tones auf den Abbau mit Druckluftspatenhammer umgestiegen. Da die Flottmann-Spatenhämmer des Typs CF 17 ein sehr hohes Eigengewicht hatten (~17 kg ohne Spaten) und durch das waagerechte/schräge halten des Hammers die Arbeit für die Bergleute schwerste körperliche Arbeit war, wurde der Versuch unternommen Flottmann-Druckluftstützten (auch „Bohrknecht“ genannt) einzusetzen. Die Versuche waren erfolgreich und so wurde u.a. auch für hohe Abbauräume eine Flottmann-Druckluft-Teleskopstütze vom Typ ET 13/1a verwendet. Jedoch blieb der Einsatz des Bohrknechtes auf Grube Landwehr einzigartig, denn durchsetzen konnte sich diese Abbauhilfe im deutschen Tontiefbau nicht. Zu umständlich war das hantieren mit der Druckluftstütze, zumal sich später leichtere Druckluftspatenhämmer immer mehr durchsetzen. Die Gewinnleistung mit dem Druckluftspatenhammer, der heute noch in zwei Tiefbaugruben im Einsatz ist, liegt bei etwa 17-20 t pro Schicht (~5-10 t pro Mann und Schicht) [3, 5, 10].
Die ersten Versuche der maschinellen Tongewinnung
Der Tonstollenschneider System Walterfang wurde Anfang der 1950er Jahre vom damaligen Betriebsleiter Walterfang der Grube „Langewiese“ (Westerwald) entwickelt und von der Firma Otto in Bendorf gebaut. Jedoch wurden nur zwei Exemplare davon in Betrieb genommen. Zum Einsatz kamen die beiden Maschinen in der Grube „Langewiese“ (Westerwald) und im pfälzischen Hettenleidelheim-Eisenberg. Die Gewinnleistung war aber dennoch beachtlich und lag bei etwa 24 t pro Schicht (~12 t pro Mann und Schicht) [5].
Im Großalmeroder Tonbergbau erfolgte der Einsatz einer Tonschneidemaschine um 1960. Entwickelt bei den Vereinigten Großalmeroder Thonwerken AG und gebaut in deren Schlosserei am Werk Heiligenhof in Großalmerode wurde das Gewinnunggerät, das nach dem Prinzip der später im Tonbergbau weit verbreiteten Tonbohrmaschine arbeitete, im Versuchseinsatz im Glashafentonabbau in der Grube Faulbachschacht (?) im Jahre 1963 eingesetzt. Weitere Einzelheiten dazu sind nicht mehr bekannt.
Neben diesen Eigenentwicklungen wurden u.a. auch Schrämmaschinen (Eisenberg und Großalmerode) Versuchsweise zur Tongewinnung eingesetzt, wie sie aus dem Steinkohlen- und Erzbergbau bekannt sind [8].
Die maschinelle Tongewinnung ab Mitte der 1960er Jahre
Tongewinnung unter Tage kann u. U. recht kostspielig werden, besonders dann, wenn es sich um Tonlagerstättenteile handelt, die in recht großen Teufen vorliegen. Hier hat man es dann nicht unbedingt mehr mit plastischen Tonschichten zu tun, die Problemlos mit dem Druckluftspatenhammer gewonnen werden können, sondern mit festen und vor allem harten Ton. Diese Tone lassen sich nur unter erheblichen Kostenaufwand noch von Hand mit dem Spatenhammer abbauen.
Diese Erkenntnisse sammelte man sehr schnell, als der Tontiefbau in Deutschland in größere Teufen von 60 m und mehr vordrang. So wurde von den Fuchs’schen Tongruben aus Ransbach-Baumbach in Zusammenarbeit mit der Gewerkschaft Eisenhütte Westfalia aus Lünen der elektrisch angetriebene Fräs-Lader entwickelt und im Tiefbau Richard in Niederahr (Westerwald) erstmals mit sehr großem Erfolg erprobt. Später erhielt der Fräs-Lader dann den berühmten Namen „Westfaliafuchs“. Der Fräs-Lader Westfaliafuchs war ein Gewinnungs- und Ladegerät, das für den Streckenvortrieb und den Abbau in gleicher Weise geeignet war und hydraulisch gearbeitet hat, d.h. Gewinnen bzw. Laden und Abfördern erfolgten gleichzeitig und kontinuierlich durch nur einen Mann. Der schwenkbare Schneidarm war im wesentlichen ein Kratzerförderer mit Mittelkette, dessen vorn liegende Umkehrrolle als Schneidwalze ausgebildet war. Der Ausleger war als Kettenkratzerförder, später mit einem Gurtförderband, ausgebildet. Der Fräs-Lader war mit Gleis- und später auch als Raupenfahrwerk ausgestattet. Im Tontiefbau wurde der Fräs-Lader nur mit Gleisfahrwerk betrieben, ein unter heutigen Gesichtspunkten der modernen Gleislostechnologie sehr großer Nachteil. Aber da damals auch die gesamte Förderung im Tontiefbau durch Schienenfahrzeuge (z.B. Diesellokomotiven in den Hauptförderstrecken) erfolgte, war der Einsatz des Fräs-Laders als Schienfahrzeug gerechtfertigt. Eine weitere neue Tongewinnungsmaschine wurden ebenfalls im Tontiefbau eingesetzt: Die Tonbohrmaschine. Die Maschinenfabrik Erwin Vetter GmbH aus Eiserfeld/Sieg konstruierte Anfang der 1960er Jahre eine Abbaumaschine zur Torfgewinnung, die später auch weit verbreitet im Tontiefbau eingeführt wurden ist. Um 1970 kam dann noch eine weitere verbesserte Tonbohrmaschine auf dem Markt: Die Tonbohrmaschine „Weber“ vom Typ W/111. Bei der Tonbohrmaschine handelt es sich um ein Schienfahrzeug mit einem schwenkbaren Förderrohr an dessen Ende innen eine zweiflügelige Bohrschneide mit angeschlossener Förderschnecke eingebaut ist. Die Tonbohrmaschine bohrt Loch an Loch, so dass sich der Rohton in kleinen Klumpen aus dem Flöz löst. Später entwickelte man dann einen Bohrarm mit angeschlossener dreiflügeliger freier Bohrschneide, die sich für den Einsatz bei festen und härteren Tonsorten besser bewährt hat. Die Gewinnleistung beider Tongewinnungsmaschinen ist fast identisch und liegt beim Streckenvortrieb bei 20-25 t und im Abbau bei 35-40 t pro Schicht. Theoretisch gerechnet wären 60 t im Abbau pro Schicht möglich, sind aber bisher kaum erbracht worden. Bis auf die beiden Tongewinnungsmaschinen in Großalmerode existiert heute keine einzige Tonbohrmaschine mehr im deutschen Tontiefbau. Der letzte Fräs-Lader Westfaliafuchs wurde 1998 außer Betrieb genommen, als der Tonabbau im Tiefbau Richard gestundet worden war (2001 dann stillgelegt). Das Gerät ist heute Ausstellungsstück des Tonbergbaumuseums Westerwald in Siershahn [1, 4, 7, 9].
Auf der Tongrube Dr. C. Otto (Melsbach bei Neuwied) auf Schacht „Dr. C. Otto II“ wurde auf der 90 m Sohle maschinell mit Hilfe eines Doppelschaufelrad-Baggers „Sürken“ Tongewinnung betrieben. Leider sind auch hier zurzeit keine genauren Einzelheiten mehr bekannt [6].
Die heutige Tongewinnung
Die unterirdische Tongewinnung erfolgt heute entweder noch mit dem Druckluftspatenhammer, wie in den beiden Tontiefbaugruben Abendtal/Eisenberg und Tonwerk Klingenberg, oder maschinell mit der Tongewinnungsmaschine, wie im Großalmeroder Tonbergbau. Hierbei handelt es sich um die Tonbohrmaschine „Vetter“ Typ VE 500/11, die noch in zwei Varianten existiert:
● Als freischneidende dreiflügelige Bohrschneide. Das abgebohrte Kleingut wird dann mittels Bunkerlader aufgenommen und zu einer Kippstelle gefahren.
● Mit Förderrohr und eingebauter zweiflügelige Bohrschneide mit angeschlossener Förderschnecke. Das hierbei abgebohrte Kleingut wird dann mit einem darunter angebauten Abzugsband direkt einer Förderbandanlage zugeführt.
Die beiden Tongewinnungsmaschinen sind zudem mit Raupenfahrwerken ausgestattet und können so gleislos im Abbaubereich bewegt werden[2].
Die Förderung des abgebauten Rohtones erfolgt mit Handbefüllung von Förderwagen (Eisenberg und Klingenberg), die dann auch von Hand mit Zuhilfenahme von Haspeln zum Schachtfüllort geschoben werden müssen. In einem rationalisierten Arbeitsgang in Kombination von Förderband und Förderwagen kann mit Hilfe einer untertägigen Seilbahn-Förderanlage die Förderung auch maschinell erfolgen, wie dies zurzeit im Tiefbau Lengemannschacht (Großalmerode) erfolgt. Das entleeren der Förderwagen erfolgt entweder von Hand durch eine Kippvorrichtung oder maschinell mit Wippern.
Insgesamt sind noch etwa 27 Bergleute im deutschen Tontiefbau angelegt. Die jährliche Fördermenge beträgt zusammen etwa 1.500 bis 8.000 t Ton. Die Vorräte dieser speziellen Tonsorten reichen noch für die nächsten Jahrzehnte.
Literatur
[1] BAUER, St. (2003): Zum Tonbergbau von Großalmerode: Die Tongruben der Aktiengesellschaft Vereinigte Großalmeroder Thonwerke, Teil 1 & 2. In: Keramische Zeitschrift 55, Heft 1, S. 18-22 und Heft 3, S.186-190. DVS-Verlag GmbH, Düsseldorf.
[2] BAUER, St. (2006): Untertägiger Tonabbau am Beispiel der Lagerstätte Großalmerode. In: Glückauf 142, Nr. 4, S. 154-158. Verlag Glückauf GmbH, Essen.
[3] FEUSTEL, K. (1952): Die Entwicklung der Flottmannschen Druckluftgeräte für die Tongewinnung. In: Der Bohrhammer 14, Nr. 1, S. 32-35. Hauszeitschrift der Heinrich Flottmann GmbH, Herne.
[4] MATTHÄY (1952): Maschineneinsatz in der Tonindustrie. In: Der Bohrhammer 14, Nr. 1, S. 4-16, Hauszeitschrift der Heinrich Flottmann GmbH, Herne.
[5] MAYEN, K.-D. (1985): Tongräber im Westerwald. Ein Beitrag zur Geschichte und Entwicklung des Tonbergbaus im Westerwald. 142 Seiten. 2. Auflage. Im Selbstverlag, Siershahn.
[6] MAYEN, K.-D. (1998): Menschen unter Tage im Westerwälder Tonbergbau. 192 Seiten. Im Selbstverlag, Siershahn.
[7] LADNORG, U. (2002): Schacht Richard – der letzte Westerwälder Tontiefbau wurde geschlossen. In: Keramische Zeitschrift 54, Heft 6, S. 496-498. Verlag Schmid GmbH, Freiburg.
[8] LUCKHARDT, K. (1951): Der Bergbau der Ton-, Klebsand- und Glassandvorkommen im Gebiet Hettenleidelheim-Eisenberg/Pfalz und Kriegsheim-Monsheim/Hessen. In: TIZ-Zbl. 75, Heft 5/6, S. 69-73, Wilhelmshaven.
[9] ROSENBERG (1966): Der Fräs-Lader Westfaliafuchs im Streckenvortrieb und Abbau auf der Schachtanlage Hoher Meißner der Braunkohlen- und Brikett-Industrie AG – BUBIAG – In: Westfalia-Berichte. Heft Oktober, 20 Seiten. Hrsg. Gewerkschaft Eisenhütte Westfalia, Lünen.
[10] WIESENER (1952): Erfahrungen mit dem Pressluftspaten und der Druckluftstütze bei der Tongewinnung unter Tage auf der Tongrube Landwehr. In: Der Bohrhammer 14, Nr. 1, S. 17-27. Hauszeitschrift der Heinrich Flottmann GmbH, Herne.