Der Weg in die Tiefe
Eröffnung der neuen Dauerausstellung im LWL-Industriemuseum Zeche Nachtigall
"Der Verstand schwindet einem und der Geldbeutel schreit
weh!" So brachte der Wittener Unternehmer Carl Ludwig Berger 1832 das
Risiko auf den Punkt, senkrechte Schächte zu graben, um an die schwarzen
Diamanten zu kommen. "Der Weg in die Tiefe" war schwer - davon erzählt
die gleichnamige Dauerausstellung, die der Landschaftsverband
Westfalen-Lippe (LWL) am Sonntag auf der Zeche Nachtigall in Witten
eröffnet. "Damit füllen wir ein wichtiges Kapitel Bergbaugeschichte mit
neuem Leben. Denn der Schritt vom Stollen- zum Tiefbau markiert den
eigentlichen Übergang vom ländlichen Raum zum Industrierevier", erklärte
Museumsdirektor Dirk Zache bei der Vorstellung der Ausstellung in Witten.
Rund um den freigelegten Schacht Hercules - einem der ersten
Tiefbauschächte des Reviers - hat das LWL-Industriemuseum Hindernisse
und Probleme aus der Pionierzeit des Tiefbaus in Szene gesetzt.
Bergleute brauchten Licht und Luft, um Ihrer Arbeit in der Grube
nachgehen zu können. Und nicht nur Kohle wurde aus dem Schacht
gefördert, auch Wasser musste fortlaufend aus der Grube gepumpt
werden. Diese und andere Themen werden an einem ungewöhnlichen
Ausstellungsort behandelt: Unter dem Gewölbe des Ziegelringofens, mit
dem der Schacht nach Stilllegung der Zeche im Jahr 1892 überbaut wurde.
Mit der neuen Dauerausstellung kommt der Schacht als wesentliches
Relikt der Zechenzeit zu neuem Ruhm: 1839 als zweiter Tiefbauschacht der
Zeche Nachtigall abgeteuft, nach der Stilllegung verfüllt und seit den
1990er Jahren im oberen Bereich wieder freigelegt, fristete "Hercules"
bislang ein eher verborgenes Dasein. Früher stiegen die Bergleute hier
noch auf Leitern in die Grube herab, erst mit dem immer weiteren
Vordringen durften sie in die Förderkörbe einsteigen. "Insgesamt 37
Jahre dauerte es, bis der Schacht seine endgültige Tiefe von 450 Metern
erreicht hatte", erläutert Dr. Olaf Schmidt-Rutsch vom
LWL-Industriemuseum, der die Ausstellung konzipiert hat.
Da die historischen Zechenanlagen beim Bau des Ringofens abgerissen
wurden, setzt das LWL-Industriemuseum bei der Inszenierung auch auf
digitale Technik. Es falle vielen Besuchern schwer, den jetzigen
Baubestand der Ziegelei mit der historischen Zechenanlage in Verbindung
zu setzen, so der Ausstellungsmacher. Eine digitale Rekonstruktion des
Schachthauses veranschaulicht, wie Köhleförderung und Wasserhaltung
funktionierten. Letztere entpuppte sich als eins der größten Probleme
des frühen Tiefbaus überhaupt: Mehrfach mussten im Laufe der
Betriebszeit Sohlen aufgegeben werden, weil sie vollgelaufen waren.
Durch eine "Dunkelzone" gelangen Besucher in die unbekannte
Untertagewelt. Modelle machen hier zum Beispiel deutlich, wie das
verzweigte System der Frischluftzufuhr funktionierte und wie die "ideale
Anlage" einer Zeche unter Tage aussah. Dem vielbesungenen "Licht in
der Nacht" ist ein eigener Bereich gewidmet. Aber nicht nur Technik,
auch sozialgeschichtliche Aspekte setzt das Museum in Szene. Besucher
treffen zum Beispiel auf den Steiger Heinrich Peter Best, der sich
zunächst als Vermessungssteiger auszeichnete, später abgeschoben
wurde, weil er nicht genug Kohle förderte und mit 57 Jahren als zu alt
für seinen Beruf galt. "Am Beispiel einzelner Schicksale und
biografischer Skizzen machen wir damaligs typischen Arbeitsbedingungen
deutlich", erläutert der Historiker.
Eröffnet wird die Ausstellung am Sonntag im Rahmen des 3. Knappentages auf
Zeche Nachtigall. Den ganzen Tag über erwarten die Besucher Führungen
durch die neue Ausstellung und durch das Besucherbergwerk
Nachtigallstollen, Vorführungen der Dampffördermaschine, Schmieden am
Kohlefeuer und der Einsatz einer historischen Dampflokomobile und einer
Straßendampfwalze. Kinder können Schachthüte basteln und mit Clown Zimbo
eine *Knappenprüfung“
bestehen.
Ort:
LWL-Industriemuseum Zeche Nachtigall
Witten