Dendrochronologie

... für den Rest, der sonst nicht passt.
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digger_Martin
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Dendrochronologie

Beitrag von digger_Martin »

Aus aktuellem Anlaß: Welche Holzarten wurden vor 1800 in Bergwerken verbaut und eignen sich für dendrochronologische Analysen?

Glückauf,
Martin
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StefanD
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Beitrag von StefanD »

Diese Frage würde ich ohne Kenntniss des regionalen Umfelds eigentlich nicht beantworten wollen.
Generell bevorzugt der Bergmann langfaseriges Fichtenholz, da es bei Spannungsaufnahme mit gut vernehmbarem Geräusch nachgibt und nicht sofort bricht. Eiche dagegen würde bei Druckaufnahme schnell brechen, kann aber mehr Last aufnehmen als Fichte.
Nun hatte man hier im Harz schon vor 1800 den alten Mischwald abgeholzt, die Buchen zu Holzkohle verarbeitet und die Harzfichten verfeuert oder im Bergwerk verbaut. Am Rammelsberg mußte um 1720 herum sogar die Förderung reduziert werden, weil das Holz für das Feuersetzen nicht ausreichte. Der Harz wurde nun mit schnell und gerade wachsenden Tieflandfichten in Monokulturen wieder aufgeforstet. Trotzdem gibt es hier das Beispiel Grube Glasebach im Selketal, in der man Ausbau im Stollenniveau in Eiche gesetzt hat (Mitte 18. oder Anfang 19. Jahrh.). Eigentlich ein Unding, da Eiche nur in den niederen wärmeren Lagen des Harzes wächst, für die Wasserradwellen gebraucht wurde und dementsprechend teuer war.
Infos zur Holznutzung im Harz gibt der Nationalpark Harz, z.B. das Nationalparkhaus in Sankt Andreasberg.

Glückauf
Stefan
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Michael Kitzig (†)
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Beitrag von Michael Kitzig (†) »

holzarten..
fichte, wie oben beschrieben, schon.
zumindest in der neuzeit mit einführung verbindelicher ausbauregeln gibt es ein halbwegs einheitliches erscheinungsbild was grubenholz angeht.

ansonsten hab ich schon alles mögliche angetroffen:
fichte
fichte mit rinde (!)
buche esche
eiche mit rinde
eiche entrindet
eiche zum vierkant behauen
eiche zum vierkant gesägt
eine reihe weiterer unbestimmbarer laubhölzer
sogar: fichte, zum dreikantprofil gesägt (!)
gemischten ausbau: fichtenstempel, stahlkappen
dito, andersherum

jedenfalls kannst du dendrochronologisch nur bestimmen lassen, wenn das holz noch nicht zu torf geworden ist.
am besten also holz welches dauernd vom wasser benetzt war.
die holzsorte sollte dann weniger wichtig sein..
Falafel
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Beitrag von Falafel »

Wie schon geschrieben: In vielen Revieren wurde vor allem Fichte verbaut, so auch in Sachsen. Schnell nachwachsend, lange Faser, macht Geräusch bevor es bricht, relativ gut zu verarbeiten.
Dendrochronologie kann prinzipiell von allen Hölzern gemacht werden, wenn´s der Zustand erlaubt, aber da vollbringen einige Labore schon kleine Wunder. Es müßen aber genügend Jahresringe da sein (min. 35 - 50).
Weiter Voraussetzung ist, daß für die betreffende Region schon eine "Urkurve" für die jeweilige Holzart vorhanden ist. In Sachsen sieht es für Hölzer, die häufig im Bau verwendet wurden (Fichte, Eiche, Tanne) recht gut aus, während es bei seltenen Bauhölzern (Esche, Ahorn, Erle) schwierig ist. Die verschiedenen Labore sind oft auf eine Region speziallisiert und schließlich kostet das ganze auch etwas (wenn ich mich nicht irre, so um die 40 € pro Probe). Oder hat jemand eine bessere Idee, wenn mal eine größere Probenanzahl zusammen kommt (so bei 10 Proben pro Jahr würde ja wohl bei den meisten der Spaß aufhören, wenn man es selber finanzieren will)?

Glück Auf!
Stephan
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digger_Martin
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Beitrag von digger_Martin »

Danke für die Informationen und Ratschläge. Sie helfen sehr weiter. Mit Fichte gibt's hier wahrscheinlich ein Problem, zumindest bis zur zweiten Hälfte des 18. Jhs. Sie kommt lokal nur eng begrenzt auf natürlichen Standorten vor (z.B. Feldberg). Soweit es meine laienhaften Kenntnisse in der Holzbestimmung zulassen, konnte ich bisher hauptsächlich Tanne und Buche feststellen. Letztere ist dendrochronlogisch nicht so gut zu datieren. Es kommt also wohl doch auch auf die Holzsorte an. Ich werd' mir jetzt erstmal die Adresse eines Labor hier im Südwesten heraussuchen. Mal sehen, was dabei rumkommt.

Nochmals vielen Dank und Glückauf!
Martin
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Falafel
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Beitrag von Falafel »

Frag doch mal bei Heiko Steuer nach; der kann Dir sicher was für die Region Schwarzwald empfehlen.
Glück Auf!
Stephan
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digger_Martin
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Beitrag von digger_Martin »

Danke für den Hinweis. Jedoch habe ich in der Zwischenzeit das entsprechende Labor bereits ausfindig gemacht: Hemmenhofen am Bodensee.

Glückauf!
Martin
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Falafel
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Beitrag von Falafel »

@ Martin: Noch eine Frage meinerseits: Bist Du Dir sicher mit der Verwendung von Buche als Grubenholz? Das wäre ja das denkbar ungeeigendste Holz, da es zwar hart ist, aber bricht wie Glas.
Glück Auf!
Stephan
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digger_Martin
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Beitrag von digger_Martin »

Ja, ich bin mir absolut sicher. Irrtum ausgeschlossen. Ich habe heute eine Probe mit ins Forstinstitut genommen, um sicher zu gehen. Es wurde tatsächlich Buche verbaut. Hat mich auch gewundert. Ich führe es allerdings mitunter auf die Verfügbarkeit zurück.

Glückauf!
Martin
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Falafel
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Beitrag von Falafel »

Kannst Du feststellen zu welchem Zweck die Buche verwendet wurde?
Stephan
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HGS
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Beitrag von HGS »

Stephan hat geschrieben:
Kannst Du feststellen zu welchem Zweck die Buche verwendet wurde?
Stephan
Buche,Eiche oder Robinie wurden in nicht so stark druckbelasteten Bergwerken verwandt, da sie sehr widerstandsfähig gegen Fäulnis und Pilzbefall sind. Wir haben an der Syburg auch von Fichte -Tanne, wir kamen mit dem Austausch nicht mehr nach, auf die obengenannten Hölzer zurückgegriffen.
Glück auf!

Herbert

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Man muss einfahren, um hoch zu kommen!
Nightmare

Beitrag von Nightmare »

Buche,Eiche oder Robinie wurden in nicht so stark druckbelasteten Bergwerken verwandt, da sie sehr widerstandsfähig gegen Fäulnis und Pilzbefall sind.
Eiche und Robinie sind wirklich widerstandsfähig in nasser Umgebung. Aber Buche? Die fault doch schon bei hoher Luftfeuchtigkeit! Jeder der einen Schaufelstiel aus Buche mal eine Weile im Keller, geschweige denn draußen vergessen hat, kann den gleich wegschmeißen.
Lärche mit ihrem hohen Harzgehalt eignet sich ganz gut zum ausbauen uT, sie muß aber beim Einbau trocken sein.

Glück auf!

Maja
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digger_Martin
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Beitrag von digger_Martin »

Die Buchenhölzer wurden in den Abbauen verbaut. Türstöcke und Schachtrahmen sind aus Tannenholz. Da die Abbaue noch ganz gut stehen, nehme ich mal an, daß sie nicht allzu viel Druck ausgesetzt sind. Das würde mit Herberts Information gut zusammenpassen.

Glückauf!
Martin
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Michael Kitzig (†)
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Beitrag von Michael Kitzig (†) »

wie ich schon ausführte scheint des öfteren, vor allem in notzeiten, die verfügbarkeit vor den materialeigenschaften gestanden zu haben.
selbst dann sind einige dinge nicht rationell nachvollziebar:
im besucherbergwerk (grube gustav bei eschwege) hatten wir original aus den 50ern ungeschältes (!) eichenholz vorgefunden und den ausbau auch wieder so gestellt.
hat sich über die zeit GAR NICHT bewährt und ist viel schneller zu torf geworden als ungeschältes oder sogar nadelholz.
wohlgemerkt bei beobachtungen immer an denselben stellen in der grube!
daraus lässt sich nur schliessen, dass eben dieses holz gerade verfügbar war und die vorgesehene standdauer im ungeschälten zustand als ausreichend beurteilt wurde.
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digger_Martin
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Beitrag von digger_Martin »

@MIchael: Das hast Du leider noch nicht ausgeführt, oder zumindest nicht in diesem Thread. Ausnahmen kommen aber immer wieder mal vor. Bei mir wurde Buchenholz jedoch nicht nur ausnahmsweise verwendet und eine Notzeit kann ich absolut nicht nachweisen. In den Höhenlagen, wo ich mich rumtreibe kommen eben fast ausschließlich Buche und Tanne vor, d.h. die verbauten Holzarten sind gewissermaßen auch ein Spiegel des Waldbildes. Zum überwiegenden Teil wurde mit Tanne ausgebaut. Buche, wie gesagt, in den Abbauen, so daß davon ausgegangen werden kann, daß eine bestimmte Überlegung dahintersteckt.
Habt ihr den von Dir beschriebenen Versuch auch noch in anderen Bergwerken bzw. unter verschiedenen Bedingungen wiederholt? Wie sieht es mit den Versuchsbedingungen aus? ... Ein Versuch führt noch nicht zu einer allgemeingültigen Aussage. Das Ergebnis kann sich vorerst maximal auf die Grube Gustav beziehen, im Extremfall sogar nur auf den bestimmten Bereich im Grubenbau.

Glückauf!
Martin
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Falafel
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Beitrag von Falafel »

Maja hat Recht! Buche ist sogar sehr anfällig gegen Braunfäule, die letztendlich zum Würfelbruch führt - optisch nicht sichtbar, auch nicht beim Anfassen fühlbar (im Gegensatz zur Weißfäule), macht aber die sowieso schon sehr spröde Buche noch bruchgefährdeter. Da gibt´s jede Menge Beispiele von "kerngesunden" Buchen, die ohne Anlaß umgefallen sind. Nur soviel aus der Baumpflegepraxis.
Der einzige sinnvolle Einsatz für Buche erscheint mir für die Herstellung der Spurlatten beim Spurnagelhunt.
Glück Auf!
Stephan
Zuletzt geändert von Falafel am Sa. 30. Apr 11 21:22, insgesamt 1-mal geändert.
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digger_Martin
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Beitrag von digger_Martin »

Die Anfälligkeit von Buche ist nicht anzuzweifeln. Ich kann nur nach dem gehen, was ich unter Tage vorgefunden habe. Bei den Spurlatten hätte ich auch auf Buche getippt. Leider Fehlanzeige: Tanne. Dafür aber wohl gut zu datieren (laut Labor).

Glückauf!
Martin
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Beitrag von Falafel »

Da das Thema gerade mal wieder aktuell wird, noch eine kleine Ergänzung:
Es ist keineswegs notwendig, daß alle Jahresringe vom Splint bis zur Borke vorhanden sind, es reicht ein x-beliebiger Holzabschnitt. Günstig ist es natürlich, wenn der letzte Jahresring (sogenannte Waldkante) vorhanden ist, damit das exakte Fälldatum bestimmt werden kann.
Gück Auf!
Stephan
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Beitrag von Falafel »

Nur mal am Rande: Wir haben heute zur Datierung eines Haspels aus dem 16. Jh. (?) versucht Dendro-Proben aus dem Umfeld zu entnehmen. Es ist gar nicht so einfach eine Probe mit den gewünschten 40 Jahresringen aus dem Ausbauholz oder Vertonnungsbrettern zu bergen. Das Ausbauholz ist oft jünger und die Bretter haben oft Splintschnitt, so daß selbst bei einem 28 cm - Brett nicht viele Jahresringe zusammenkommen.
Glück Auf!
Stephan
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Beitrag von digger_Martin »

Mit am besten sind Spaltbretter bzw. -bohlen zu datieren, wie sie im mittelalterlichen und frühneuzeitlichen Bergbau häufiger verwendet wurden (zumindest im Schwarzwald).

Glückauf,
Martin
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