Glück auf!
Der nachfolgende Bericht ist keine Geschichte und auch keine Sage. Das Ereignis hat tatsächlich am 21. Oktober 1818 in Clausthal stattgefunden. Überliefert ist die Katastrophe von dem ehemaligen königl. hannoversch. Berggeschworenen Friedrich Wilhelm S c h e l l, der im Jahre 1864 ein Buch mit den grossen Grubenunglücken von 1751 bis 1864 geschrieben hat.
"Die Explosion des Pulverhauses auf dem Rosenhöfer Grubenzuge bei Clausthal am 21. Oktober 1818
Der 21. Oktober 1818 war ein freundlicher Herbsttag, ein Tag, wie sie am Oberharze in dieser Jahreszeit nur selten sind. Die Sonne sandte ihr milden Strahlen auf abgeerntete Felder und geschorene Wiesen; aus dem schon entfärbten Laube der Eberesche schimmerte die rote Vogelbeere; lange Fäden von Spinngeweben zogen durch die Luft.
Etwa zweihundert Schritte westlich von den letzten Häusern der Bergstadt Clausthal stand damals, wie noch jetzt (gemeint: 1864), gegenwärtig aber mit einem schützenden Walle umgeben, ein Pulverhaus,in welchem die Vorräte an Pulver für die Gruben des Rosenhöfer Revieres aufbewahrt wurden.
Allwöchentlich an bestimmten Tagen kamen hier die Bergleute von den verschiedenen Gruben zusammen, um ihren Wochenbedarf an Pulver von den Grubensteigern zu empfangen. Es war nicht Vorschrift, dass die betreffenden Arbeiter in Person erschienen; wer demnach Abhaltung hatte, schickte zur Empfangnahme des Pulvers eines seiner Kinder, oder auch wohl seine Frau.
Am 21. Oktober sollte eine solche Ausgabe stattfinden. Vor dem Pulverhause standen Bergleute, Kinder und die Frau eines Bergmannes. Im Hause selbst befand sich ein Ofen mit einer dicken Lehmschicht überzogen, und in dem Kamine sass der Grubenbursche M ü l l e r, welcher das Feuer im Ofen unterhielt, damit das Pulver trocken zur Ausgabe gelange. Etwa gegen halb drei Uhr nachmittags verliessen die Grubensteiger K u t s c h e r und H a m m e r das nahe Zechenhaus, um das Pulver auszugeben.; sie und die Empfänger ahnten ihr nahes Verderben nicht.
Jede Pulverexplosion hat nur einen kurzen Verlauf; Anfang und Ende des Ereignisses fallen fast zusammen. Wir beschränken uns deshalb nur darauf, nur mitzuteilen, was uns ein Augenzeuge über das Unglück berichtete. Er erzählte wie folgt:
`Ich war in meinem Garten beschäftigt, die letzten Gemüse auszugraben und in den Keller zu bringen; von meinem Standpunkte ab konnte ich die Gegend des Pulverhauses genau überblicken. Meine Aufmerksamkeit war zwischen meiner Arbeit und den wilden Jungen geteilt, welche sich draussen auf der Wiese balgten.
Eben hatte ich mich niedergebückt, als ein furchtbarer Schlag die Erde und die Luft erzittern machte. Ich war einen Augenblick lang so betäubt, dass ich nicht weiss, ob ich wankte oder nicht. Als ich mich aber aufrichtete, gewahrte ich noch, dass von der Stelle des Pulverhauses ein dichter weisser Qualmring austieg, welcher sich höher und höher hob und zugleich dünner und dünner wurde. Hoch über dem Dampfe sah ich im Momente des Aufblickens schwarze Gegenstände steigen und fallen; sie waren in verschiedenen Richtungen aufgetrieben worden und fielen ebenso wieder zur Erde nieder.
Der Beobachter konnte über die Ursache der Erscheinung nicht zweifelhaft sein; die Anzeichen waren zu deutlich. Ich selbst sagte mir auf der Stelle, dass sich das Pulver entzündet und das Haus in die Luft getragen habe; die fliegenden Gegenstände waren Trümmer vom Hause selbst. Leider erwies sich später, dass auch die Menschen mit dem Hause in die Luft getragen waren.
Das Pulverhaus war von dem entzündeten Pulver mit allen Zubehör, von den Schwellen bis zur Dachspitze, aufgehoben, in der Luft zertrümmert und weithin verstreut. Der Platz erschien wie rasiert, nur ein kleines Stück von der Brandmauer stand noch, hinter welchem man den Grubenburschen M ü l l e r zwar beschädigt, aber doch noch lebend aufnahm.
Die Trümmer des Hauses lagen mehrere hundert Schritte weit entfernt zerstreut umher, zwischen ihnen fand man die Leichen der Verunglückten. Die lezteren waren sämmtlich schwarz gebrannt und erschienen wie gebraten; sie waren nackt und bis auf wenige völlig unkenntlich.
ohne Zweifel hatten die Abgeschiedenen einen schnellen Tod gefunden. Nur ein Bergmann, namens B r e i t k o p f, jung und kräftig, lebte noch. Auch er war von der Gewalt des Pulvers weit fortgeschleudert. Dass er nicht bei dem jähen Sturze seinen Tod fand, wenn ihn auch die Explosion selbst nicht tötete, ist unerklärlich. Am ganzen Körper verbrannt durchlebte er noch 24 Stunden der namenlosesten Qual.
Allen Schuck, den das Leben oft so verschwenderisch dem Menschen aufprägt, hatte der gewaltsame Tod von den Verunglückten hinweggenommen; sie waren entstellt und zum Teil fürchterlich abschreckend.
Für den Transport der Erwachsenen wurden in aller Eile Särge notdürftig zusammen gezimmert; die Kinder trug man in den Armen nach Hause. Endlich glaubte jeder den Seinen gefunden zu haben: die Unglücksstätte wurde leer. Man konnte nun den Umfang des Ereignisses in Bezug auf den Verlusst von Menschenleben übersehen. Verunglückt waren demnach:
2 Grubensteiger:
K u t s c h e r und H a m m e r
10 Bergleute:
R e i n h a r d t; B e h r e n s; G e r i c k e; L e u c h t; L e u n i g; E y;
T o s t; K ö n i g; K u t s c h e r; B l e c h s c h m i d t; B a u e r;
S c h o r l e r; S a c h s; R e b e n t i s c h; H e l l e r und
B r e i t k o p f
9 Kinder:
P l a s c h; Z e u n e r; H a r t u n g; B r u n s; M ü l l e r; K r e u z i g;
M e i n h a r d t; M ü n n i g und H e l l e r
1 Frau:
F u c h s´
So weit unser Erzähler.
Wie gewöhnlich bei derartigen Unglücksfällen, so ist die ursache der Pulverentzündung auch hier nicht zu ermitteln. Zwar wollte man wissen, dass der Steiger H a m m e r mit brennender Tabackspfeife das Zechenhaus verlassen habe und nach dem Pulverhause gegangen sei. Allein eine solche annahme ist einesteils nicht erwiesen, andernteils ist sie zu widersinnig, als dass irgend welches Gewicht darauf zu legen sein möchte. Mehr noch möchte man glauben können, dass die Entzündung des Pulvers durch die schweren mit Nägeln versehenen Grubenschuhe der Bergleute veranlasst sei. Denn auf dem Fussboden des Pulverhauses lag feiner Pulverstaub umher, welcher durch erhebliche Reibung allenfalls auch in Brand kommen konnte.
Die Akten ergeben, dass die Quantität das im Rosenhöfer Pulverhause zur Zeit der Explosion aufbewahrten Pulvers 8 Centner 89 Pfund 21 Lot betrug.
Viele Jahre sind über dieses Ereigniss dahin gegangen. Die Verunglückten sind längst in Staub gesunken; nur einzelne Grabsteine auf dem kirchhofe zu Clausthal tragen neben dem Namen des Dahingeschiedenen noch die Bezeichnung: Verunglückt bei der Explosion des Pulverhauses auf dem Rosenhöfer Zuge."
Fahrt glücklich und seit immer vorsichtig!
Matthias