Eisenerz direkt von Thyssen?

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Waldschrat
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Eisenerz direkt von Thyssen?

Beitrag von Waldschrat »

Hallo, ich benötige für Schulzwecke etwa einen halben Zentner Eisenerz zum Betrieb eines Rennofens. Hat hier jemand aus dem Forum Kontakt zu Thyssen, wo man sich die benötigte Menge direkt aus dem Bunker des Hochofens holen könnte? Bin auch für andere Quellenangaben dankbar.
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StefanD
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Re: Eisenerz direkt von Thyssen?

Beitrag von StefanD »

Auch hallo,

Du wohnst doch in Duingen? Da wäre doch die Salzgitter AG näher als Thyssen.

Du könntest die entsprechende Menge Eisenerz auch bei uns am Schroederstollen aufklauben. Ich weiß allerdings nicht, wie gut sich das Zeug im Rennofen verarbeiten lässt. Mit dem hohen Kieselsäuregehalt hatte um 1680 schon der Fürstbischof von Hildesheim Probleme. Aber Minas Gerais kann ja jeder. :D

Falls Du Interesse hast, schick mir eine PN. Bitte nicht ohne Genehmigung suchen, wir und die Anlieger reagieren nach jüngsten Müllentsorgungen etwas fragwürdig auf ungebetene Gäste.

Glückauf
Stefan
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Haverlahwiese
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Re: Eisenerz direkt von Thyssen?

Beitrag von Haverlahwiese »

Wir haben 1993 ein Rennfeuer mit Konrad-Erz gemacht, ohne Schummeln mit Soda war nichts mit dem "Rennen". Also ich würde möglichst keine Salzgitter-Erze bzw. Oolithe nehmen, zu sauer. Trotzdem möchte ich Stefans Hilfsbereitschaft nicht schmählern. :top:
Glück auf, Matthias

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StefanD
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Re: Eisenerz direkt von Thyssen?

Beitrag von StefanD »

Konrad-Erz ist allerdings Korallenoolith aus dem Jura. Unsere Erze sind Trümmererze aus der Unterkreide. 60 % Brauneisenerztrümmer, 17 % Tongrundmasse, 10 % Quarzkörner, 5 % Siderit und 5 % Calcit. Durch Ausklauben der Brauneisenerztrümmer sollte sich ein brauchbares Erzkonzentrat ergeben.

Die Probleme beim Verhütten unserer Erze bestanden angeblich darin, dass der Schwefelanteil aus dem Brennstoff ins Eisen zog und es brüchig machte. Lange Zeit hat z.B. das Hüttenamt Altenau aus Georg-Friedrich-Erz einen Eisengranulat zum Entschwefeln der Harzer Metallerze produziert.

Insofern würde es mich schon interessieren, ob unser Erz rennofentauglich ist. Es gab ja um 1311 Rennöfen bei Wöltingerode. Unser Erz wäre da näher gewesen als die Raseneisenerze, die bei Lobmachtersen verhüttet worden sind.

Glückauf
Stefan
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Haverlahwiese
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Re: Eisenerz direkt von Thyssen?

Beitrag von Haverlahwiese »

@ Stefan: Es wäre ja kein Problem, mal ein Rennfeuer mit den Georg-Friedricher Erzen zu machen. Wenn Ihr einen Platz stellen könntet, wo es keine feuerwehr- und anwohnertechnischen Probleme gibt, ich wäre bestimmt dabei. Allerdings braucht man gut 250 kg Holzkohle, da müsste man etwas Geld sammeln.
Die Nachstellung der Oberharzer Röst-Reaktions-Arbeit wäre übrigens auch eine nette Forschungsaufgabe. Allerdings ist das eine Umweltschweinerei...
Glück auf, Matthias

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StefanD
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Re: Eisenerz direkt von Thyssen?

Beitrag von StefanD »

@ Haverlahwiese: Platz hätten wir. Holzkohle ist zum Teil noch von unserem Rennofenversuch am Rammelsberg vor zwei Jahren übrig. Was uns im Moment fehlt, ist die Zeit, eine solche Aktion durchzuführen.

Diese Jahr hat die Sanierung des Stollenportals Vorrang und der Aufbau unserer Grubenbahn. Nächstes Jahr ist der Beginn der Rekonstruktion des alten Betriebsstofflagers über Tage und verstärkt Ausbausanierung unter Tage angedacht. Und natürlich Instandsetzung unserer Fahrzeuge.

Glückauf
Stefan
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Haverlahwiese
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Re: Eisenerz direkt von Thyssen?

Beitrag von Haverlahwiese »

@StefanD: Ich verstehe Eure Prioritäten. Ich habe vor, das Hobby Montanhistorik noch einige Jahre weiter zu betreiben. Wenn Ihr irgendwann mal Zeit und Lust für so ein Projekt habt, beteilige ich mich gerne.
Glück auf, Matthias

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pleuro

Re: Eisenerz direkt von Thyssen?

Beitrag von pleuro »

Liebe "Hobbyschmelzer",

ganz so easy ist die Sache leider nicht. Ich habe Hüttentechnik studiert und war kurzzeitig "Hochöfner" bei Thyssen (Duisburg).

Wir wollten für einen Tag der offenen Tür an der Duisburger Uni ein Schauschmelzen veranstalten. Unser Rennofen war schon recht ordentlich mit 2 m Höhe, bestes "Futter" (Pellets, Sinter, teilweise auch Koks statt Holzkohle) und trotzdem ist nicht viel passiert. Erst nachdem wir in einer Pause "geschummelt" und unauffällig Roheisenmasseln in den Möller gemischt haben, gab´s bei einem "Schauabstich" ein bisserle flüssiges Metall zu sehen.

Ist eigentlich auch logisch - der Rennofen ist nicht groß und hoch genug, um richtig auf Temperatur zu kommen, 1000 ° C reicht nämlich bei weitem nicht.
Die Erze werden teilweise reduziert, das Eisen bleibt aber fest bis teigig, "rinnen" (daher Rennofen) tut nur etwas Schlacke. In früheren Zeiten wurde der Rennofen 2-3 Tage in Gang gehalten und zwischendurch immer wieder die Schlacke abgelassen. Dann erkalten lassen und die Ofenbrust aufbrechen. Endprodukt war eine "Luppe", eine plattige Scheibe, die sich aus dem unten im Ofen angesammeltem Eisen und Schlackenanteilen gebildet hatte. Durch wiederholtes Erhitzen und Schmieden wurden die Schlackenteile ausgepreßt, bis ein Barren oder Stange aus Schmiedeeisen übrigblieb.

Die Effektivität des Verfahrens war natürlich grottenschlecht, aber man erhielt direkt schmiedbares Eisen (=Stahl).
Als die Öfen später höher wurden und (wasserradbetriebene) Gebläse für hohen Luftdurchsatz im Ofen sorgte, reichten die Temperaturen, um direkt flüssiges Eisen (Roheisen) zu erzeugen. Dieses war aber wegen des Kohlenstoffgehaltes nicht schmiedbar, sondern mußte durch Teiloxidation des Kohlenstoffs (der Hüttenmann nennt das "frischen") erst zu Stahl umgewandelt werden.

Jetzt noch etwas Chemie:

"Armerz": Bohnerz, Doggeroolith, Raseneisenerz: 20-30 % Fe
"Modernes" Hochofenfutter: Stückerz, Pellets, Sinter 58-62 % Fe

Bei einem Ausbringen von höchstens 50 % in einem Rennofen würde bei einem Zentner Armerz also gerade mal 50 kg x 25/2 % = 6,25 kg Eisen, weniger als 1 Liter Schmelze rauskommen. Um irgendwas zu sehen, muß man also eher mit 300-500 kg antreten! Die notwendige Kohlemenge ist höher als die Erzmenge. Je nach Erzart noch Schlackebildner (Kalk oder feinen Kies) und Fließverbesserer (Flußspat) zugeben.

Zeitaufwand: Ofen formen mehrere Stunden (am besten etwas "Schummeln" und im Herd ein paar Schamottesteine verbauen, das Lehmzeug ist nicht so der Hit)
Ofen trocknen mit gaaaanz vorsichtigem Holzfeuer etwa 1 Tag, dann starkes Feuer einige Stunden, evtl wieder Risse flicken
"Verhüttungsphase" mindestens 7-10 Stunden, am besten schon ein Tag vor dem Schauschmelzen anfangen. Regelmäßig nachbegichten, alle 30-60min. Also einfach vollmachen und dann ein paar Stunden alleine brennen lassen is nich!!

Ihr seht, ganz heftiger Aufwand...
Kupferschmelzen ist einfacher, aber wegen der Röstgase eine gigantische Sauerei - ich glaube in Fischbach am Besucherbergwerk (bei Idar-Oberstein) wird das 1 x im Jahr mit kleinen Mengen vorgeführt.

Glückauf!

Pleuro
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Haverlahwiese
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Re: Eisenerz direkt von Thyssen?

Beitrag von Haverlahwiese »

pleuro hat geschrieben:Liebe "Hobbyschmelzer" (...)
Pleuro
Lieber Hochöfner bei Thyssen a.D., wenn Du mir eine Planstelle für Archäometallurgie mit einem familiennährenden Gehalt besorgen könntest, ich wäre dabei. :D

Aber gestatte mir noch eine ernstgemeinte Ausführung zu Deinem Beitrag: Das mit dem Ausbringen muss man beim Rennverfahren relativ betrachten, da eine größere Menge des Eisens in Abhängigkeit vom Kieselsäuregehalt zur Bildung der Rennschlacke benötigt wird. Dabei verbindet sich Eisenoxid mit Kieselsäure zu Fayalith (FeO * SiO2).
Die oben genannten Verhüttungsprobleme entstehen durch zu hohe Kieselsäuregehalte. Erstens gehen große Absolutmengen des Eisens in die Schlacke und zweitens führen ungebundene Kieselsäureanteile zu einer glasigen, hochviskosen Schlacke, die nicht mehr Ablaufen kann und zum Ersaufen des Ofens führt. Beim "Hobbyschmelzen" kann man dem natürlich durch Mogeln mit Flussmitteln wie Soda oder Borax begegnen.

Nachdem man in Hochöfen in der Lage war, Temperaturen oberhalb des Schmelzpunktes des Roheisens zu erzeugen, hat man dann ja auch kalkbasische Schlackenbildner eingeführt. Dieses führte neben den geringen Fe-Gehalten ja auch zum Ende inländischer Erze, die meistens sauer waren.
Glück auf, Matthias

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Waldschrat
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Re: Eisenerz direkt von Thyssen?

Beitrag von Waldschrat »

Nicht reden, sondern machen! :cool:
Der Bericht vom Verhütten des Iberg-Erzes ist jetzt online unter http://loensschule.de/2009/06/experimen ... hemie-wpk/
Ich bitte um Kommentare.
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Re: Eisenerz direkt von Thyssen?

Beitrag von MichaP »

respekt! nicht schlecht.
Glück auf!

Michael
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Friedolin
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Re: Eisenerz direkt von Thyssen?

Beitrag von Friedolin »

nicht schlecht?
Das ist hervorragend, da haben sich schon moderne Fachmänner die Zähne dran ausgebissen.
Brauneisenstein mit ca. 50% Fe ist natürlich mehr als ein Glücksfall.

Herzliche Glückwünsche zur Ofensau!
Glück Auf !
Friedhelm
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Hoch der Harz und tief das Erz
Jedweder Anbruch erhebt das Herz
(alter Oberharzer Bergmannsspruch)
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Waldschrat
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Re: Eisenerz direkt von Thyssen?

Beitrag von Waldschrat »

Für einen neuen Versuch suche ich jetzt kupferhaltiges Erz. Der Hintergund ist, dass der Weg von der Ofensau zu einem vorzeigbaren Produkt bei Eisen noch recht steinig ist. Der Erfolg wäre augenfälliger, wenn man die kupferfarbenen Nuggets raussuchen könnte. Gibt es Vorschläge, wo man entsprechendes Material organisieren könnte?
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Schlacke
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Re: Eisenerz direkt von Thyssen?

Beitrag von Schlacke »

Zur Einstimmung auf die Kupfergewinnung aus oxidischen bzw. sulfidischen Cu-Erzen ein kleiner Beitrag aus dem Sonderheft der Zeitschrift Archäologie in Deutschland "Alter Bergbau in Deutschland" Art. von H. G. Bachmann: Vom Erz zum Metall (Kupfer, Silber, Eisen) - Die chemischen Prozesse im Schaubild, S. 35-40, Stuttgart: 1993, ISBN 3-8062-1066-7, Hrsg.: Heiko Steuer.
Antiquarisch öfters angeboten!

Glückauf!

Elmar Nieding
...die unterirdischen Grubengebäude in ihre Schreibstube bringen...
Héron de Villefosse (1774-1852), Bergingenieur im Dienste Napoleons.
(H. Dettmer, 2014)
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Rudolf
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Re: Eisenerz direkt von Thyssen?

Beitrag von Rudolf »

Zu Kupfererz u. Verhüttung kann ich gar nichts sagen. Ich könnte mir aber vorstellen, das man einfacher an eine "größere Menge" Bleiglanz kommt als an Kupferez.
Spart Rohstoffe, Bergbau ist - leider immer noch - Blut und Schweiß !
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