Ausstellung: Die Kohlenkrise an der Ruhr 1958 –1969 .

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kapl
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Ausstellung: Die Kohlenkrise an der Ruhr 1958 –1969 .

Beitrag von kapl »

20. Januar bis 6. April 2008

Schichtwechsel.
Die Kohlenkrise an der Ruhr 1958 –1969

50 Jahre nach dem Beginn der Kohlenkrise im Ruhrgebiet greift das LWL-Industriemuseum am Standort Zeche Zollern den Niedergang und Rückbau des Bergbaus als der einstigen Schlüsselindustrie des Reviers auf. Die Kohlenkrise bezeichnet zwei Wellen eines wirtschaftlichen Wandels, der 1969 mit der Gründung der Ruhrkohle AG zu einem ersten Abschluss kam, jedoch als Teil des bis heute anhaltenden langfristigen Strukturwandels im Ruhrgebiet zu verstehen ist. Die Schau analysiert die Ursachen der Krise, skizziert die Etappen des Schrumpfungsprozesses und fragt nach den Reaktionen der Betroffenen und den Rückwirkungen für Menschen und Städte an der Ruhr. Interviews zeigen, wie Menschen diese Krise gemeistert haben, auch wenn ihre ursprüngliche Lebensplanung durchkreuzt wurde.

Ort:
LWL-Industriemuseum Zeche Zollern
Grubenweg 5, 44388 Dortmund
Schlacke
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Re: Ausstellung: Die Kohlenkrise an der Ruhr 1958 –1969 .

Beitrag von Schlacke »

Wer nicht nach Dortmund kommen kann, der greife alternativ zu folgenden Veröffentlichungen (eine kleine Auswahl):

Nonn, C.: Die Ruhrbergbaukrise. Entindustrialisierung und Politik 1958-1969, aus der Reihe: Kritische Studien zur Geschichts-
wissenschaften, Bd. 149, Göttingen: 2001, 422 S.
Rezension: Industrie-Kultur, H. 3/2002, S. 48

Nonn, C.: Deindustrialisierung und Politik. Das Beispiel der Krise der Ruhrbergbaus 1958-1969,
in: Rasch, M. (Hrsg.): Technikgeschichte im Ruhrgebiet, Technikgeschichte für das Ruhegebiet,
Essen: 2004, S. 544-556

Schäfer, K.: Die Strukturkrise des Ruhrbergbaus 1958-1969. Unternehmerische Maßnahmen zu ihrer Überwindung und
staatliche Kohlenwirtschaftpolitik, Bochum: 1990

Voßkamp, S.: Sozialer Wandel und Kohlekrise im Stadtkreis Essen 1958-1969 zwischen gestern und morgen.
in: Essener Beiträge, Nr. 115, Essen: 2003, S. 253-330

Altena, B.: Klassengegensatz und "Branchenindividualismus": Gewerkschaften und Unternehmer im Ruhrbergbau vor und
nach der Kohlenkrise.
in: Mittelungsblatt des Instituts für soziale Bewegung, H. 23, Essen: 2000, S. 5-25


Glückauf!

Elmar Nieding
...die unterirdischen Grubengebäude in ihre Schreibstube bringen...
Héron de Villefosse (1774-1852), Bergingenieur im Dienste Napoleons.
(H. Dettmer, 2014)
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kapl
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Re: Ausstellung: Die Kohlenkrise an der Ruhr 1958 –1969 .

Beitrag von kapl »

Hier ein paar mehr Infos:

Schichtwechsel auf Zeche Zollern
Ausstellung im LWL-Industriemuseum beleuchtet Kohlenkrise an der Ruhr

Dortmund (lwl). Am 22. Februar 1958 fanden für 16.000 Bergleute im Revier die ersten Feierschichten statt. Im September desselben Jahres schloss mit der Zeche Lieselotte in Bochum das erste von insgesamt 62 Bergwerken. 50 Jahre später greift das LWL-Industriemuseum in der Ausstellung Schichtwechsel. Die Kohlenkrise an der Ruhr 1958 -1969 (20.1. bis 6.4.08) auf der Zeche Zollern den Niedergang und Rückbau des Bergbaus als der einstigen Schlüsselindustrie des Reviers auf. Wir erinnern an die Anfänge, an Ursachen, Verlauf und Lösungsstrategien bis zur Konsolidierung durch die Gründung der Ruhrkohle AG. Wir zeigen, wie unterschiedlich Menschen diese Krise gemeistert haben, erläuterte Museumsleiterin Dr. Ulrike Gilhaus am Freitag (18.1.) bei der Vorstellung der Ausstellung in Dortmund.

Zu den Exponaten zählen neben Dokumenten und Fotos original Protestschilder aus den 1960er Jahren, die Kluft mit dem Kohlenstaub von der letzten Schicht eines Bergmanns sowie - als Zeichen für den Strukturwandel - ein seltener Caravan der Kadett A-Reihe, die ab 1962 im neu errichteten Bochumer Opel-Werk gebaut wurde.

Die Ausstellung

An der Ruhr rechnete damals niemand mit der Krise: In den zehn goldenen Jahren nach der Währungsreform war das Revier das Kraftzentrum der Republik. 800.000 Neu-Bergleute wurden angeworben, Kleinzechen reaktiviert, Überschichten waren an der Tagesordnung. Trotzdem blieb das schwarze Gold ein knappes Gut. Als Weihnachten 1950 wegen des Energieengpasses die Lichter in Deutschland ausgingen, handelten Wirtschaft und Politik. Enorme Investitionen flossen in die Gruben, um die Kapazitäten auszuweiten. 50 neue Tagesschächte wurden in den folgenden Jahren abgeteuft, alle Zeichen standen auf Expansion. Tausende offene Stellen für Untertagearbeiter ließen 1957 noch niemanden die bevorstehende Talfahrt erahnen.

Kohleimporte aus Übersee, vor allem aber Erdöl, dessen Preis schlagartig um weit über die Hälfte fiel, machten der heimischen Kohle nun so starke Konkurrenz, dass schon 1958 riesige Halden in den Himmel ragten. Bis Ende des ersten Krisenjahres fuhren die Kumpel an der Ruhr über drei Millionen unbezahlte Feierschichten. Optimisten sahen darin nur Symptome einer vorübergehenden Absatzkrise. Doch schon bald entwickelte sich daraus die Kohlenkrise und später die Strukturkrise, die das ganze Ruhrgebiet erschütterte und bis heute nachwirkt, so die Museumsleiterin.

Zwischen 1958 und 1969 verschwanden 62 Schachtanlagen im Ruhrgebiet, mehr als 280.000 Arbeitsplätze gingen in zehn Jahren verloren. Für die Begrenzung der Krise konnten sich die Akteure in Wirtschaft und Politik nicht auf ein Konzept verständigen: zu unterschiedlich waren die Interessen und Bewertungen. In Europa und auf Bundesebene scheiterten Maßnahmen zur Abschottung der Märkte gegen Energieimporte am Widerstand der Länder ohne Kohlevorkommen, erläutert Dr. Anne Kugler-Mühlhofer, die mit der Recherche des Projektes beauftragt war. 1962 legte die Bundesregierung ein Sieben-Punkte-Programm vor. Zentrales Element: ein Rationalisierungsverband, der den Rückbau der Branche steuern und Subventionen in Milliardenhöhe für stillgelegte Förderkapazitäten verteilen soll. Dieses Konzept ging nicht auf, weil Konzerninteressen sich gegen Brancheninteressen durchsetzten. Florierende Großzechen mit hoher Produktivität wurden dichtgemacht, weil die Prämien noch lukrativer waren, erläutert Gilhaus und sieht hier durchaus Parallelen zur aktuellen Nokia-Krise in Bochum.

Schon 1958 forderte die IG Bergbau die Überführung der Zechen in eine Einheitsgesellschaft und die Verstaatlichung des Bergbaus. Diese Vorstellungen brachte sie in die Konzertierte Aktion unter Bundeswirtschaftminister Karl Schiller ein. 1968 gelang die Gründung der Ruhrkohle AG auf privatwirtschaftlicher Grundlage. 52 Schachtanlagen und 29 Kokereien gehen in ihr auf.

Schon früh trugen die Bergleute ihre Wut auf die Straße. 1959 fordern 60.000 Kumpel beim Marsch auf Bonn ein Maßnahmenpaket zu ihrer sozialen Absicherung: Mitbestimmung bei Stilllegungen, Ersatzarbeitsplätze, Entschädigung für Verdienstausfall, Herabsetzung der Altersgrenze. Mitte der 1960er Jahre radikalisierte sich die Stimmung, denn der Arbeitsmarkt war inzwischen leergefegt. Politiker sahen eine ernste Gefahr für den inneren Frieden. Ministerpräsident Heinz Kühn formulierte das am 8.11.1967 vor dem Deutschen Bundestag so: Kein Wunder, dass an vielen Orten des Reviers gegenwärtig die Stimmung einer belagerten Stadt herrscht. Wenn die schwarzen Fahnen der Stilllegung an den Fördertürmen hochgehen, dann ist das so als ob die weiße Fahne der Kapitulation über einer Stadt hochgeht. Das rührt an das Lebensgefühl aller Menschen dieser Städte.

Die Entscheidung, wie es angesichts der Krise mit dem eigenen Leben weitergehen soll, musste jeder für sich allein treffen. Anfangs versuchten die Bergbaugesellschaften, ihre Mitarbeiter zu binden und machten Verlegungsangebote. Für manchen wurde die Verlegung von Zeche zu Zeche ein Dauerzustand. Vor allem die Jüngeren entschieden sich für Umschulungen und einen neuen Beruf. Für die Älteren blieb oft nur die Anpassung. Betriebliche und staatliche Unterstützungen erleichterten ihnen die Zeit bis zur Rente.

Für die Ausstellung hat das LWL-Industriemuseum acht Zeitzeugen interviewt und gefilmt. Darunter Georg Zimoch, Jahrgang 1936, damals Abteilungssteiger auf den Zechen Lothringen, Erin und Prosper, dort zuletzt Nachtschichtdirektor. Er ist im Bergbau geblieben und berichtet über mehrere Verlegungen: Erin wurde 1983 stillgelegt. Und dann gings los auf das nächste Bergwerk. Aber das Problem war wieder: Mann gegen Mann. Da standen auch wiederum Leute in den Startlöchern und wollten was werden. Man musste sich wieder hinten anstellen bis man dann endlich soweit war. Anders ging Karl Bäcker, Jahrgang 1931, mit der Krise um. Der ehemalige Grubenschlosser von Zollern I/III berichtet im Interview über seine Motive, 1962 bei Opel in Bochum neu anzufangen. Für den ausgebildeten Maschinenschlosser war die Entscheidung leicht: Nun, es stand ja schon fest, dass es mit dem Bergbau bergab ging. Und für mich persönlich kam der Sprung nach Opel eigentlich zur rechten Zeit. Ich konnte mich da erst mal richtig wieder fachmännisch auf meine Arbeit konzentrieren.

Seit 1975 geriet das Ruhrgebiet in eine doppelte Krise, denn auch in der Stahlindustrie begann der Rückbau. Sehr langsam und mit hohem finanziellen Einsatz entstand das neue Revier, das sich von der Schwerindustrie löste. Der Dienstleistungssektor übernahm die Führung, neue Schlüsselindustrie wurde der Maschinenbau. Eine dichte Hochschullandschaft entstand, Technologiezentren sind heute das Scharnier zur Wirtschaft. Am Beispiel der Stadt Dortmund zeigt die Schau, wie sich die Stadt verändert hat, was aus den alten Zechenstandorten geworden ist und welche Rolle Kulturschaffende beim Entstehen eines neuen Lebensgefühls im Revier gespielt haben.

Die Ausstellung endet mit der jüngsten und kühnen These von Oberbürgermeister Dr. Gerhard Langemeyer, Dortmund habe den Strukturwandel beendet. Besucherinnen und Besucher können dazu Stellung leben und ihre persönliche Antwort auf die Frage geben Wo stehen wir?, Was sind wir?, Wohin wollen wir?.

Schichtwechsel. Die Kohlenkrise an der Ruhr 1958 -1969
20. Januar (Eröffnung 11 Uhr) bis 6. April 2008
LWL-Industriemuseum Zeche Zollern
Grubenweg 5, 44388 Dortmund
Geöffnet Di - So 10-10 Uhr

Diese Meldung mit Fotos zum Download finden Sie im Internet unter http://www.lwl.org.
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