Hallo Windfreund55
windfreund55 hat geschrieben:
Vielleicht sind ja alle hier Kontrollfreaks.
...
Vergleichen Sie doch einfachmal die Bergsteiger zu Anfang des 20. Jahrhunderts mit den heutigen.
Die sind auch nicht reihenweise abgestürzt.
ich bin als Bergsteiger oft in der sächsischen Schweiz unterwegs und würde mich nicht
als Kontrollfreak sehen. Ich bin ein Übungsleiter in der Klettergruppe der TU Freiberg
und habe durchaus etwas Erfahrung mit Seiltechnik und dem sicheren Umgang damit.
Zu den Bergsteigern am Beginn des 20. Jhds. will ich aber Folgendes anmerken: Ja, die sind damals mit
aus heutiger Sicht hanebüchender Sicherungstechnik losgezogen und ja, die meisten haben trotzdem überlebt
und auch aus heutiger Sicht noch beachtliche Leistungen vollbracht. Das sollte aber nicht darüber hinwegtäuschen,
das auch viele Bergsteiger dabei draufgegangen sind, ein Sturz z.B. war damals häufig tödlich, und zwar für
die ganze Seilschaft. Es sei natürlich jedem selbst überlassen, wieviel Risiko man eingehen will...
windfreund55 hat geschrieben:
Zuviel Sicherungstechnik macht die Sache auch wieder kompliziert und damit potentiell fehleranfällig.
Natürlich kann man auch mit "minimalistischer" Technik auskommen, wenn man damit umgehen kann. Ich habe meine ersten
Schächte mit Kletterseil und Abseilachter befahren und bin mit Prusikschlingen wieder aufgestiegen. Als dann einmal
nach ca. 50 m Aufstieg die obere Schlinge vom Dreck im Schacht komplett durchgescheuert war, bin ich dann doch auf
Steigklemmen umgestiegen.
windfreund55 hat geschrieben:
Ich bin im wesentlichen Autodidakt, habe , oft mit grösseren Zeitabständen, ca 50 Schächte befahren im Laufe von über 30 Jahren.
Im Bereich Seiltechnik ist das tatsächlich ein schwieriger Punkt. Sicherlich kann man sich die grundlegenden Techniken
selbst aneignen, aber das sollte man möglichst unter kontrollierten Bedingungen tun und selbst dann sollte man trotzdem
jemanden haben, der davon Ahnung hat und einen auf eventuelle Fehler aufmerksam machen kann.
Ohne jetzt belehrend klingen zu wollen, aber folgende Punkte in dieser Geschichte will ich kommentieren.
Ich denke, das nicht so sehr die Ausrüstung problematisch war, sondern das konkrete Verhalten:
1.) keine Umsteigestellen:
Ok, das ist sicherlich zu einem gewissen Grad eine Ermessensfrage. Wenn es 100 m saiger runter geht und
das Seil keinen Felskontakt hat, ist es auch ohne Umsteigestellen nicht unsicherer. Aber mit zusätzlichen
Umsteigestellen wäre die Seildehnung nicht so extrem gewesen.
2.) alleine losgezogen:
Das ist absolut leichtsinnig

! Was wäre passiert, wenn die Klemmen nach oben verschwunden wären,
und kein Ersatz am Mann gewesen wäre?? Was, wenn ein Stein von oben gekommen wäre, oder wenn mitten
im Aufstieg doch die Entkräftung zugeschlagen hätte? War wenigstens jemand übertage über die Aktion
informiert?
Wir ziehen, wenn Abseilen und Aufsteigen auf dem Programm steht, mindestend zu dritt los.
Und selbst da würden mich einige noch als leichtsinnig beschimpfen.
3.) Schmerzmittelidee gegen eingeklemmte Weichteile:
Erstmal kann ich mir nicht so recht vorstellen, wie es dazu gekommen sein soll. Falschen Gurt
angehabt, oder Gurt nicht richtig eingestellt? Prinzipiell halte ich aber von der Idee,
bei so etwas prophylaktisch Schmerztabletten zu nehmen, nichts, denn die können, gerade bei
körperlicher Belastung, unschöne Nebenwirkungen haben. Letztlich wäre es aber egal, ob man
wegen falsch angewendeter Medikamente oder wegen Erschöpfung ohnmächtig wird. Irgendwann kommt
das Hängetrauma (das gibt es auch tragische Beispiele bei den Bergsteigern, siehe z.B. Toni Kurz)
und wenn dann keine Hilfe kommt, gute Nacht.
4.) Bruststeigklemme aus dem Zentralglied statt aus dem Seil ausgeklinkt:
Die Steigklemmen haben sich ja wohl nach oben verabschiedet, weil sie aus dem Zentralglied des
Gurtes ausgehängt worden sind, anstatt aus dem Seil. Mal ehrlich, wie kommt man auf so eine
Idee? Ich würde sagen, dieser Fehler kommt definitiv aus der fehlenden Erfahrung mit der SRT.
So, genug gelästert.
Glück auf!
Geophon