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Verfasst: Do. 17. Jul 03 12:43
von kapl
Klotz am Rhein
Nur drei Prozent aller Subventionen werden in Deutschland für den Bergbau ausgegeben. Tendenz sinkend. Doch am Niederrhein bleiben die Zechen die größten Zuschussempfänger ? zum Ärger von immer mehr Bürgern.

Rheinische Post
JÜRGEN STOCK

KAMP-LINTFORT. Naturschutzgebiet steht auf dem grün-weißen Schild am Stadtrand von Kamp-Lintfort. Kurz dahinter fließt ein Bächlein munter dahin, gespeist von mächtigen Pumpen. Ohne sie würde das Rinnsal nimmermehr den Rhein erreichen, denn der Bergbau hat die Landschaft in unregelmäßigen Schichten tiefergelegt. So haben die Kumpel in jahrzehntelanger Arbeit künstliche Biotope geschaffen, deren größtes die Stadt Kamp-Lintfort selbst ist. Wer hier lebt und arbeitet, hat Kohle im Blut. Bis auf eine verschwindend kleine Minderheit stehen die Leute zum Bergbau ? oder stellen sich zumindest nicht öffentlich gegen ihn. Damit gehören die Kamp-Lintforter inzwischen zu einer bedrohten Spezies.

Ringsherum gewinnen die Gegner des Bergbaus mit jedem Tag mehr Terrain. Michael Terwiesche (39) etwa, FDP Kreistagsmitglied aus Moers nd Enkel eines Steigers der Zeche Rheinpreussen, fordert: Schluss mit den Kohlesubventionen ab 2006! Das würde die Schließung aller noch bestehenden Zechen in Deutschland bedeuten. In Kamp-Lintfort beträfe das Aus dann 3300 Kumpel, die dort im Jahre 2005 noch einfahren sollen. Gegenwärtig beträgt die Belegschaftsstärkedes örtlichen Bergwerks West rund 4000 Mann, davon wohnt gut ein Drittel am Ort. Betriebsratsvorsitzender

Friedhelm Vogt (44), der mit 15 Jahren zum ersten Mal in den Pütt einfuhr, ist stolz auf die Leistung seiner Kollegen: Pro Mann und Schicht liegen wir bei einer Förderquote von 7,4 Tonnen. Das ist besser als der Schnitt von sieben Tonnen bei den Zechen der Deutschen Steinkohle (DSK). Solche Zahlen sind wichtig für den Fortbestand des Bergwerks. Denn nach dem Koalitionskompromiss der Landesregierung soll die DSK-Förderleistung bis 2012 von 26 Millionen Tonnen auf 18 Millionen Tonnen sinken.

Pro Jahr will das Land, das derzeit rund 500 Millionen Euro an Subventionen aufbringt, 40 Millionen Euro weniger zahlen. Das bedeutet die Schließung von vier weiteren Zechen, zumal auch der Bund überlegt, die bis 2005 vereinbarten jährlichen Subventionskürzungen weiter zu beschleunigen. Die produktivsten und profitabelsten Schachtanlagen könnte es da vielleicht nicht so leicht treffen, hoffen viele in Kamp-Lintfort.

Pro Jahr zahlen Bund, Land und Ruhrkohle AG 3,3 Milliarden Euro Steinkohle-Subventionen. Bei einer Jahresförderleistung von 26 Millionen Tonnen ergibt sich so ein Zuschuss von 127 Euro pro Tonne. Der fleißige Kamp-Lintforter Kumpel verfrühstückt so mehrere hundert Euro Steuergelder. Pro Beschäftigtem im Bergbau schießt der Staat 78 500 Euro pro Jahr zu.

Irgendwann muss mal Schluss sein mit so viel Unsinn, fordert Peter Bußmann. Der 60-jährige pensionierte Polizist wohnt im Rheinberger Ortsteil Annaberg. Nach dem Rahmenbetriebsplan des Bergwerks soll dort die Oberfläche um 5,5 Meter abgesenkt werden. Dadurch ginge im alle eines Deichbruchs bei Hochwasser die letzte Zufluchtsmöglichkeit in der Gegend verloren, stellt Bußmann fest, und das alles bezahlt mit Steuergeldern.

Wie er engagiert sich auch auf der anderen Rheinseite der Voerder Rechtsanwalt Klaus Friedrichs (56) in einer Bürgerinitiative gegen den Bergbau. Pikant: Friedrichs ist Lokalpolitiker der SPD, die auf Bundesebene nach wie vor auf einem nationalen Energiesockel, sprich Kohleförderung bis in alle Ewigkeit besteht. Deshalb scheut er sich auch, ein baldiges Ende für den Gesamtbergbau zu fordern. Aber da, wo der Bergbau Siedlungsräume gefährde, müsse Schluss sein: Unter Nachhaltigkeitsgesichtspunkten ist eine Förderung der Steinkohle mit Steuersubventionen nicht vereinbar. Im Bereich Walsum nämlich plant die DSK den Abbau unter den Rheindeichen. Friedrichs fürchtet nicht nur um die Sicherheit der Anwohner, sondern auch um die Folgekosten. Weite Teile der Stadt Voerde würden im Grundwasser versinken. Deshalb müsste dort auf alle Ewigkeit das Wasser weggepumpt werden.

Und wer zahlt die Altlasten?, fragt Friedrichs. Rund drei Milliarden Euro weist die Ruhrkohle als Rücklagen für diesen Zweck aus, doch darin sei, auch Betriebsgelände enthalten, dessen Wert bei einem Auslaufen des Bergbaus drastisch sinke. Das bedeute, so der Anwalt, dass künftige Generationen auch dann noch Bergbausubventionen leisten müssen, wenn längst keine Kohle mehr gefördert werde. Seine Schlussfolgerung: Schließung der Bergwerke West und Walsum. Ein Schritt dazu, so seine Hoffnung, wird ein Prozess gegen die Genehmigung des Rahmenbetriebsplans sein, die Einzelpersonen, mehrere Kommunen und die Umweltorganisation BUND angestrengt haben. Der Prozessbeginn ist im September.

Selbst der Einzelhandel in der Region geht auf vorsichtige Distanz. Noch vor wenigen Jahren haben wir in der Christuskirche Kerzen für den Erhalt des Bergbaus angezündet, erinnert sich Wilhelm Bommann, Geschäftsführer des Einzelhandelsverbands Niederrhein. Aber ich fürchte, dass wir jetzt beim Strukturwandel eine Lücke haben. Er will keinen Bruch ? schließlich sind Kumpel auch Kunden ? sondern eine Anpassung.

Aber ist die noch möglich? FDP-Mann Terwiesche glaubt: Nein. Das Geld, das man für die Kohle rausschmeißt, sollte besser für rojekte in der Region ausgegeben werden. Für eine Untertunnelung der A40 etwa. So könnte man eine Güterfernverbindung zwischen Antwerpen und Duisburg schaffen ? und gleichzeitig Arbeitsplätze für Bergleute.

Deren Funktionäre haben allerdings eine andere Sicht der Dinge. Friedhelm Vogt: Wenn wir für die Kohle kämpfen, kämpfen wir für die Zukunft. Doch an Subventionen in alle Ewigkeiten glauben nicht einmal mehr viele Kumpel. Die sollten aufhören, die Leute zu verarschen, meint etwa der Kamp-Lintforter Ex-Bergmann Andreas Krzystala (33). Er hat vor kurzem umgeschult auf Hufschmied: Dieser Beruf hat Zukunft. Und das ganz ohne Subventionen.