Und weiter geht's

Informationen rund um das Thema Rettung, Unfälle, Rettungsausbildung etc. im Bergbau
Uran
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Re: Und weiter geht's

Beitrag von Uran »

So is mir das ooch lieber mei Gudsdor. :D
ich bi noch aaner ven altn Schlog, on bleib aa, wi ich bi.
Quertaucher
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Re: Und weiter geht's

Beitrag von Quertaucher »

Liebe Freunde,

erst heute habe ich diese sehr umfangreiche Diskussion hier zu Gesicht bekommen, die sich bei den meisten aus der Nachrichtenlage der Presse und dem gefährlichen Halbwissen von Leuten zusammensetzt, die weder vor Ort waren, noch ohne Häme und drohenden Zeigefinger agieren können, bzw. leichtsinnig krudes Zeug medienwirksam in die Welt setzen.

Fakt ist, dass die Frau einfach extrem Pech gehabt hat, weggerutscht ist, fehlgetreten und dadurch in einen ca. 10m tiefen Schacht gestürzt ist (die Rede war z.T. von 15m- niemand weiß das, denn es hat keiner nachgemessen). Dass die Forscherin überlebt hat, war schon das erste sehr große Glück. Mir sind leider die genauen Umstände sehr bekannt und ich weiß auch, dass bis auf 2 Feuerwehrleute und die Höhenretter, die erstmalig untertage waren! vor allem dem Notarzt zu danken ist, der sich zu der schwerverletzten Person hat bewegen lassen in den Berg zu gehen und sich abseilen ließ. Es ist auch müßig darüber zu diskutieren, ob ein Rettungshubschrauber 4h hat warten müssen oder nicht. Man versetze sich mal bitte in die Lage des Notarztes, der dies wohl initiiert hat. Es war übrigens Gurt- und Seilzeug vor Ort und so schnell es ging, hat sich einer der Höfos zur Verletzten abgeseilt und ist bis zum Ausfahren bei ihr geblieben. Die anderen haben logistische Unterstützung gegeben und nach kurzer Situationsanalyse den Notruf mit klarer Aussage, was passiert ist abgesetzt. Niemand von diesen Personen mußte später von irgendjemandem gerettet werden, wie fälschlich verbreitet wurde, sondern im Gegenteil. Eben diese Leute waren das Glück für unsere Kollegin und haben das, was in ihren Kräften möglich war getan, um sie zu retten und den einfahrenden weiteren Kräften den Weg zu zeigen und Unterstützung zu geben.
Immerhin hat es leider 4h gedauert, bis die uns sehr gut bekannte Hydrogeologin, mit der wir seit 1,5 Jahren ein engagiertes Forschungsprojekt in der Heimkehle durchgeführt haben und für die wir als Taucher für ihre derzeit laufende Promotion Wasserproben gezogen haben, geborgen werden konnte. Das halte ich für sehr lange, es war aber noch in der Karenzzeit von 6h, die bei solch schweren Verletzungen wohl das Limit sind für spätere ärztliche Eingriffe. Und eben deshalb hat der Hubschrauber möglicherweise das Leben gerettet, indem er gewartet hat.
Ich danke Nobi und MichaP, die scheinbar etwas mehr Infos haben, als die anderen für ihre einlenkenden Äußerungen. Wild ins Kraut schießende Spekulationen oder arrogantes Geschwätz, dass so was nur anderen (natürlich unerfahrenen Abenteurern und Hasadeuren) passiert, sind weder hilfreich, noch zeugen sie von Kenntnis der Szene mit ihren latenten Gefahren.

Wir hoffen inständig, dass unserer Forschungskollegin bei weiteren OPs soweit geholfen wird, dass sie Ihre Arbeit beenden kann und wir wieder dort weitermachen können, wo an diesem Unglückstag Schluß war. Sicher haben die meisten der hier Versammelten schon einmal kritische Situationen untertage erlebt und wenn man ehrlich ist, ist schon klar, dass man bei Befahrungen grundsätzlich ein höheres Risiko eingeht, als wenn man zu Hause den Rasenmäher bedient. Was bei den nach dem Unglück folgenden, z.T. sich deutlich widersprechenden Presseberichten gemutmaßt und unterstellt wird, dient wohl vor allem dem warmhalten eines seltenen spektakulären Unfalls, der die Fantasie anheizt. Weiterhin ist Fakt, dass es keinerlei Informationen der Beteiligten gegenüber den Medien gab, außer von einer Person und die kenne ich sehr genau. Da ich selbst journalistisch tätig bin, schäme ich mich schon für einiges, was da aus Sensationshascherei in die Welt geblasen worden ist und eher den Voyeurismus mancher Landsleute bedient, als der Wahrheits- und Nachrichtenübermittlung dient.
Fakt ist auch, dass unter den Befahrern vier organisierte Höfos waren, die keineswegs unkundig und abenteuerlustig dort eingestiegen sind. Diese Info war den ermittelnden Stellen (u.a. Polizei) mehrfach mitgeteilt worden, ist aber nicht so medienwirksam umzusetzen. Da es meines Wissens in dieser Gegend keine professionellen Höhlenforscher gibt, halte ich allein schon die ständig wiederholte Formulierung "Hobbyhöhlenforscher" oder wie jüngst völlig falsch "Hobbygeologin" für abwertend und bewußt desavouierend.
Fakt ist außerdem, dass die Beschilderung des Objektes mit verblasstem Schild Bezirk Erfurt, keiner sichtbaren Einfriedung geschweige denn der Verkehrssicherheit genügenden Absicherung verbunden war.
Tragisch war außerdem, dass in der Rettungsleitstelle niemand auf die Idee gekommen ist, eine Grubenwehr zu alarmieren oder beispielsweise die Hüttenröder Höhlenretter. Daran ist m.E. viel mehr zu arbeiten als an der ständigen spitzfindigen Debatte, wer wohl das alles nun bezahlen soll.

Unsere Kollegin hat bisher einen hohen Preis gezahlt für ein tragisches Unglück, dass ich hier niemandem wünsche. Wir hoffen weiterhin und sprechen ihr den nötigen Mut zu diese schwere Phase durchzustehen und hoffen auf eine baldige Genesung, den Rest müssen gute Ärzte richten.

Entschuldigung, dass dies hier mal etwas länger geworden ist, dafür kann ich mich für alle Fakten verbürgen.

Glück auf!
MatthiasM
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Re: Und weiter geht's

Beitrag von MatthiasM »

Kurze Frage - wenn das eine Promotion ist, ist das dann nicht ein offizielles Forschungsvorhaben, wo die betreffende Forschungseinrichtung mit den betreffenden Behörden eine saubere Legalität solcher Befahrungen sicherstellen können sollte?.. Also dann eigentlich kein Anlaß, daß (Boulevard)presse und Behördensprecher wegen Verwahrung, "Hobby"-Blafasel etc. zu hyperventilieren beginnen.
Wenn das nicht so ist und Euch bergrechtlich die Fortsetzung der Forschungen verwehrt werden, wäre das schade, aber dann vielleicht die Folge einer zu Anfang versäumten Behördenkommunikation? Wenn selbst solche Forschungsvorhaben (Hydrogeologie ist IMHO von absolutem öffentlichen Interesse - darfst Du etwas mehr über das konkrete Thema sagen?) nur als Grau- oder Schwarzbefahrung gemacht werden könnten, wäre das ein Armutszeugnis für unsere Forschungslandschaft....

Der Kollegin wünsche ich auf jeden Fall gute Besserung und vollständige Genesung und daß sie sich dann dadurch nicht die Freude an ihrem Beruf und der Arbeit im Gelände nehmen läßt!

GA/GT Matthias
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Friedolin
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Re: Und weiter geht's

Beitrag von Friedolin »

Bitte lasst die Grubenwehren aus dem Spiel!
Die sind für sowas nicht zuständig und machen das auch nicht.
Wir bemühen uns gerade diese landläufige Irrmeinung bei den Behörden und Leitstellen richtig zu stellen.

Dass die Untertagerettung nicht alarmiert wurde, obwohl alle Unterlagen im LK MSH vorliegen, lag einfach daran, dass der diensthabende Disponent davon keine Kenntnis hatte.
Glück Auf !
Friedhelm
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Hoch der Harz und tief das Erz
Jedweder Anbruch erhebt das Herz
(alter Oberharzer Bergmannsspruch)
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AdM_Michael
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Re: Und weiter geht's

Beitrag von AdM_Michael »

Friedolin hat geschrieben:Bitte lasst die Grubenwehren aus dem Spiel!
Die sind für sowas nicht zuständig und machen das auch nicht.

Danke Friedolin, da warst Du etwas schneller als ich.
Yesterday was a disaster,
today is even worse,
tomorrow has been cancelled.
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Björn
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Re: Und weiter geht's

Beitrag von Björn »

Friedolin hat geschrieben: Dass die Untertagerettung nicht alarmiert wurde, obwohl alle Unterlagen im LK MSH vorliegen, lag einfach daran, dass der diensthabende Disponent davon keine Kenntnis hatte.
Unabhängig davon ist ein 10m Schacht eine Standard Situation für eine Höhenrettung, solange der Zugang für die Einsatzkräfte gegeben ist.
Wenn die Lageerkundung ergibt das es Probleme gibt wird schon nach alarmiert, auch wenn das im ersten Abmarsch noch nicht erfolgt ist.


Aber hier passte doch alles!
Fachkräfte vor Ort, die in der Lage sind den Einsatz zu stemmen und eine für Höhenrettung genau wie Höhlenrettung übliche transportzeit.

Klar man findet hinterher am Schreibtisch immer noch was was besser geht, gegangen währe..
Was zählt sind aber die Entscheidungen vor Ort.

Man sollte nie vergessen das man untertage nunmal nicht mit dem dem RTW ranfährt da dauert sowas nunmal ein paar Stunden. Selbst übertrage dauert so ein Höhenrettungs Einsatz vom Alarm bis zur Übergabe an den RTW schnell mal einige Stunden (selber so erlebt auch wenn wir uns beeilt haben ).
Björn
Quertaucher
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Re: Und weiter geht's

Beitrag von Quertaucher »

@matthiasM. Ja die Kollegin hatte kurz zuvor im Rahmen ihrer Promotion in der Barbarossahöhle einen großen (offiziellen) Tracerversuch gemacht und nun im Umfeld nach Austrittsstellen gesucht und wohl dort auch etwas gefunden. In wieweit dies gedeckelt war durch die Uni und das Projekt ist mir nicht definitiv bekannt.
Sie hat mit uns einige gemeinsame Schnittpunkte gehabt und war immerhin nicht so leichtsinnig, in ihrem Forscherdrang allein da rein zu gehen, was sich am Ende als richtig erwies. Wie sie mehrfach betonte, war es auch nicht leicht immer kompetente Mitgänger zu finden oder Hilfskräfte zu rekrutieren, die an Austrittsstellen Messungen und Registrierungen des Traceraustritts vornahmen. Nähere Ausführungen verbieten sich wegen der aktuellen Lage, auch weil sonst gleich wieder wild spekuliert werden könnte.
Vielleicht nur soviel aus einem anderen Nebenschauplatz zur Abrundung: ich habe im Südharz in einer seit über 400 Jahren als erforscht geltenden Höhle eine Unterwasserfortsetzung entdeckt und diese zur Sicherheit Mandelahöhle genannt. Es wird sicher auch Leute geben, die würden, wenn sie die Gegebenheiten kennen täten, behaupten, dass man dort nicht suchen dürfe etc. pp. Dank der dort an verschiedenen Stellen gezogenen Wasserproben ist es mit der Auswertung durch die später Verunfallte gelungen, einige neue Erkenntnisse zur Genese der Höhle zu entwickeln. Die Ergebnisse sollten Teil der Promotion werden, weil es hier noch nie solche Forschungen gab. Ein Ende ist dort mit der bisherigen Wassertiefe von mindestens 25 Metern nicht absehbar. Es ist eher ein Problem, dass man dort als Taucher momentan nicht weiterkommt.
Zum Vergleich: die von uns im vergangenen Jahr in der Heimkehle erstmals betauchte Wertherschluft ist mit der dort ermittelten Tiefe von 14,2m die tiefste Stelle in der HK, was bis dahin auch nicht bekannt war. Auch dort gab es Tauchkollegen, die bisher der Meinung waren, dieses schmale Loch ist nicht betauchbar. Jeder muss und sollte immer ganz genau überlegen, welche Risiken er eingeht, ob sich das alles lohnt und wie man alles daransetzen kann, eine solche Mission erfolgreich zu absolvieren. Dazu sind wir eine interne Gruppe geworden, die nicht in der Öffentlichkeit hausieren geht und doch schon einiges erreicht und entdeckt hat. Solche Neugier hat andererseits eben auch manchmal einen Preis, den sich niemand wünscht, dass er ihn zahlen muss. Aber das Leben ist nirgends ohne Risiko.

Wir waren sehr froh, von einer jungen und engagierten Wissenschaftlerin begleitet zu werden und hoffen, dass wir diese Zusammenarbeit auch werden fortsetzen können. Sowas findet man heute nicht mehr häufig.

Glück auf!
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