Seite 1 von 1

Henneckes letzter Mann

Verfasst: Di. 24. Feb 15 17:26
von Nobi
In der "Freien Presse" stand ein Artikel über den warscheinlich letzten Augenzeugen der Aktivistenschicht von Hennecke. Es gibt ja viele Berichte über dieses Politikum und je nach Zeit und Person variieren diese doch beträchtlich voneinander.

Auch diesen Bericht sollte man vor dem Hintergrund der damaligen Zeit, der verfolgten staatlichen/politischen Ziele und unbedingt auch vor dem Hintergrund der Biografie des Augenzeugen lesen und bewerten. Schließlich ist es auch ein Teil des Lebens von Günter Löffler, über das kontrovers diskutiert wurde und wird. Was Legende ist und was Wahrheit, werden wir wohl nie 100%ig erfahren. Das Hennecke massiv mit Mensch, Material und Logistik bei dieser Aktion unterstützt wurde, ist aber bekannt.

Damit aber sowas auch nicht verloren geht, kommt jetzt der Artikel und hier noch die Quelle: http://www.freiepresse.de/LOKALES/ZWICK ... 121030.php
Henneckes letzter Mann
Kumpel Günter Löffler aus Gersdorf war 1948 bei der legendären Aktivistenschicht von Adolf Hennecke dabei. Heute ist er 83, und vermutlich gibt es außer ihm keinen weiteren Augenzeugen der Schicht mehr.

Gersdorf. Es gab den Schlitzer und den Warmbierkellner. Den Lackschuh und den Paukenfrosch. Auch Günter Löffler aus Gersdorf hatte seinen Spitznamen weg. Er war der Pionier. Weil er mit seinen 1,62 Meter ziemlich klein war und dazu noch zu jeder Schandtat bereit. Kennen Sie noch den Gruß der DDR-Pionierorganisation? "Seid bereit, immer bereit!"


Arbeiten mit dem Lord

Fast jeder im Bergbau hatte seinen Spitznamen, wegen irgendeiner Eigenart, irgendeinem Erlebnis, irgendeinem Missgeschick. Löffler hieß eben Pionier, was zugegebenermaßen etwas freundlicher klingt als Schlitzer oder Warmbierkellner. Er war von 1946 bis 1968 Bergmann im Karl-Liebknecht-Schacht in Oelsnitz, dem Zentrum des Lugau-Oelsnitzer Steinkohlenreviers, zu dem auch der Nachbarort Gersdorf gehörte. Mit der elektrischen Überlandbahn fuhr der Kumpel nach Oelsnitz, stieg an der Unteren Hauptstraße aus und lief einen schmalen Weg hinauf zu seinem Arbeitsort. So war es wohl auch an jenem 13. Oktober des Jahres 1948. Es war der Tag, an dem Adolf Hennecke in diesem Schacht seine berühmte Aktivisten-Schicht fuhr, die Norm mit 387 Prozent erfüllte. Dieser Tag ging als etwas ganz Heroisches in die Geschichte der DDR ein, die ein Jahr später gegründet wurde.

Löffler ist heute 83 und mit ziemlicher Sicherheit der letzte noch lebende Kumpel, der an der Schicht beteiligt war. Henneckes letzter Mann. "Es war ein ganz normaler Tag", erinnert er sich. Löffler war damals 17, Lehrling, und ob er zu dieser Zeit schon Pionier gerufen wurde, weiß er nicht mehr. Aber Hennecke aus Lugau war der Lord, weil er sich immer so vornehm bewegte. Der Lord stand nach vorn gebeugt mit ein paar anderen Bergleuten am Stoß und jagte den schweren, lauten Bighammer in die Wand aus Gestein und Kohle. Die Kumpel befanden sich 616 Meter unter Tage. Die Steinkohle purzelte in eine Schüttelrutsche und von da aus auf ein Förderband. Jetzt kam Günter Löffler ins Spiel. "Ich musste die Brocken, die von dem lädierten Gummiband auf die Erde fielen, wieder hochschaufeln. Damit so viel wie möglich Kohle in dem Hunt landete."


Normbrecher Hennecke

An jenem Tag förderte Hennecke statt der üblichen 6,3 Kubikmeter fast 25. Erst viele Tage später bekam Berglehrling Löffler mit, was es mit dieser Schicht auf sich hatte. Wie Hennecke als Normbrecher attackiert und bedroht, wie die Schicht von Befürwortern glorifiziert und von Gegnern als Betrug bezeichnet wurde. 1951 trafen sich Löffler und Hennecke wieder, auf der Bergschule in Zwickau, auf der die Steiger ausgebildet wurden. Hennecke hielt einen Vortrag. "Er war ein intelligenter Kerl", erinnert sich Löffler. "Ein guter Bergmann muss besonnen und mit viel Verstand arbeiten. Hennecke war so ein Kumpel." Das Herz von Günter Löffler, der von 1990 bis 1998 Bürgermeister von Gersdorf war, hängt noch immer am Bergbau. Er ist Mitglied im Förderverein Bergbaumuseum. Von den 110 Mitgliedern sind 44 alte Steinkohlenkumpel. Vor ein paar Jahren waren es noch fast doppelt so viel.


Die Hennecke-Bewegung

Adolf Hennecke (1905-1975) war Westfale, kam 1926 in den sächsischen Bergbau. Für seine legendäre Schicht erhielt er den Nationalpreis der DDR, der mit 100.000 Mark dotiert war.

Hintergrund der Aktivisten-Schicht war die Überlegung, wie durch eine bessere Arbeitsvorbereitung die Norm zu überbieten ist. Ziel: eine staatlich propagierte Masseninitiative zur Steigerung der Produktion. Ab 1969 wurde der Titel Aktivist der sozialistischen Arbeit verliehen.

erschienen am 21.02.2015 (Von Erik Kiwitter )

Re: Henneckes letzter Mann

Verfasst: Mi. 25. Feb 15 10:56
von Mannl
Witzig sind die Kommentare zum FP-Artikel ....

Höchstleistungen benötigen nun mal eine gute Vorbereitung. Das sie von der "Allgemeinheit" nicht erreicht werden ist unstrittig ...
Ich hab im JBK auch mal mit der K1R und einem BWL-Bohrwagen um die Wette gebohrt. Hat Spaß gemacht, aber nur einmal :-) ... (Ich glaub ich war sogar schneller :-))

Re: Henneckes letzter Mann

Verfasst: Do. 26. Feb 15 14:41
von partikel
Witzig sind die Kommentare zum FP-Artikel ....
Ja, die gehören mit dazu,

um sich ein Bild von den Umständen damals zu machen-
weil dies die Erinnerungen von Kumpel Günter Löffler und die journalistische Bearbeitung in jetziger Zeit(!) von Erik Kiwitter ergänzen
und sind eigentlich gar nicht so witzig.

Glück Auf!
Rainer