Kreuze zum Andenken verunglückter Knappen

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Monni
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Kreuze zum Andenken verunglückter Knappen

Beitrag von Monni »

In „Der Alpenfreund“ (III Band, 3. Heft) schilderte G. Dahlke im Jahre 1871 eine Wanderung im Großraum Bozen, aus der folgender Auszug stammt:

… Die oberen Verzweigungen dieses einsamen, schwierig zu verfolgenden Thales durchschneiden charakteristische Felsgebilde; an den Seitenrändern öffnen sich die Mündungen verfallener Erzgruben, aus denen zwei Jahrhunderte lang Silber, Kupfer und Blei zu Tage gefördert wurde: einfache Kreuze bezeichnen die Grabstädte verunglückter Knappen. Seit hundertfünfzig Jahren ist das Bergwerk verschüttet, die „Gaul“ verödet, und die formenreiche, von Gebüsch und Gestrüpp überwucherte Landschaft hat nur Reize und Schauer der Wildnis bewahrt.


Nun meine Frage: War/ist es Brauch als Andenken für verunglückte Bergleute im Mundlochbereich Kreuze zu errichten?
Ich gehe davon aus, dass es sich bei den oben genannten Kreuzen nicht um Grabkreuze, sondern um so genannte „Marterlen“ handelte, wie man sie auch heute für Unfallopfer entlang unserer Straßen findet.

Glück Auf
Monni
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Nobi
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Re: Kreuze zum Andenken verunglückter Knappen

Beitrag von Nobi »

Es stellt sich die Frage, ob die Kreuze tatsächlich an verunglückte Bergleute erinnern sollen oder ob sie ursprünglich eine andere Bedeutung hatten und der "Rest" später hereininterpretiert wurde. Vereinzelt wurden Tafeln UT als Erinnerung geschlagen (siehe auch http://www.untertage.com/publikationen/ ... issen.html).
GLÜCK AUF | NOBI

Der Berg ist frei.
Wo eyn man eynfahrn will
mag her es thun mit rechte.


w w w . b e r g b a u s h i r t . d e
Schlacke
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Re: Kreuze zum Andenken verunglückter Knappen

Beitrag von Schlacke »

G. Schreiber: Der Bergbau in Geschichte , Ethos und Sakralkultur; Köln: 1962, S. 296 zeigt 4 Bildtafeln mit "Marteln". Eines mit der Inschrift: Hier im tiefen Schacht verunglückte und starb, am 7. Juli 1903 im Alter von 37 Jahren der Ehrsame Bergarbeiter und Familienvater in Absam Herr Hotter Michael.
Ruhe in Frieden. R.I.P. Glück Auf.

Das Martel findet sich am Salzberg bei Hall, Tirol

Die Gedenktafel soll an die Unglücksstelle erinnern.

Eine weitere Gedenktafel mit gleichem Standort bei Hall trägt folgende Inschrift:

Hier im Tanzenbergprobebau veruglückte und starb Possmoser Johann von Absam mit 25 Jahren 1923
Glück Auf, ihr Lieben, Alle! Gedenkt mein, im dunklen Schacht. Die Seel' dem Herrn gefalle, zu schau'n die Himmels-Pracht. Glück Auf R.I.P.

Glückauf!

Elmar Nieding
...die unterirdischen Grubengebäude in ihre Schreibstube bringen...
Héron de Villefosse (1774-1852), Bergingenieur im Dienste Napoleons.
(H. Dettmer, 2014)
Monni
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Re: Kreuze zum Andenken verunglückter Knappen

Beitrag von Monni »

@Nobi: Ich gehe davon aus, dass es sich hierbei entweder um Gedenkkreuze für verunglückte Knappen handelte oder eben um solche, die für verunglückte Fuhrleute, Hirten, Holzfäller, Wanderer usw. aufgestellt wurden. Das Wegstück, das der Autor beschritt, ist schon wegen seiner Steilheit nicht ganz ungefährlich, dazu kommt eventuell auch noch Steinschlag.
Natürlich könnte es sich auch um eine ganz andere Bedeutung des Kreuzes gehandelt haben: Auf alten Darstellungen von Stollenmundlöchern ist meist ein Kreuz über dem Stollenmundloch zu sehen, doch sollte auch dem Autor eine solche Position zu Denken gegeben haben...

@Schlacke: Ist bekannt, ob diese "Marterlen" ursprünglich Untertage oder Übertage angebracht waren?


Glück Auf
Monni
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MichaP
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Re: Kreuze zum Andenken verunglückter Knappen

Beitrag von MichaP »

@Monni: ist das von dir beschriebene Kreuz über den Mundloch ein gleichschenkliches? Oder so ein richtiges "Christenkreuz". Und ist es eingeschlagen oder aufgestellt?
Glück auf!

Michael
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Schlacke
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Re: Kreuze zum Andenken verunglückter Knappen

Beitrag von Schlacke »

Slotta (1983) TD BRD, Bd. 4/II berichtet auf S. 1200:
Am Eingang zum eigentlichen Witticher Tal befand sich beim sog. Burgfelsen das Denkmal des Bergmannes Bartholomäus Mantel, der im Jahre 1847 in der Grube Georg den Tod fand. Infolge einer Straßenverbreiterung wurde der hübsche Gedenkstein, der aus einer unteren Inschrifttafel, einem Steinpfeiler mit Entasis und einem kleinen Aufsatz mit Nische bestand, entfernt: wo er hingelangt ist, konnte nicht ermittelt werden. Auf der Inschrifttafel des Steinsockels standen die Worte:" Bartholomo Mantel geb. den/ 25.Aug. 1814 den 16. Juli/1847 in der nebenstehenden Grube verunglückt. Betet/auch für mich". Der Steinpfeiler mit der Entasis war mit einem Sinnspruch auf der Front- und mit Blüten bzw. Kreuzzeichen auf den Seitenflächen versehen gewesen.

Bei einem Besuch des Wittichener Revieres vor etlichen Jahren stand das Denkmal wieder an seinem ursprünglichen Platz.

Im 'Bergbuch des Lebertals" sind auf den Tafeln VIII, IX, X und XI in der Stollenkappe Lothringer Kreuze eingeschnitten, sie zeigen an, daß der Stollen zu einer ordnungsgemäß verliehenen und vermessenen Grube gehört, in deren Grenzen keine andere Grube eröffnet werden. Vielleich ist es daneben auch, wie in deutschen Bergbaugebieten das Kreuz, ein Bergfriedenszeichen, das den Grubenbezirk unter den gleichen Schutz stellte, wie etwa Klöster, Kirchen und Burgen. (Auf Tafel XI sind u. a. einige ungarische Hunde abgebildet )
Der Band wurde mit 25 kolorierten Federzeichnungen des Malers Heinrich Gross aus dem Lothringer Bergbau des 16. Jh. von der Gerwerkschaft Eisenhütte Westfalia Wethmar/Lünen 1962 herausgegeben, die wissenschaftliche Bearbeitung erfolgte durch Dr. H. Winkelmann.

Im Schwazer Bergbuch sind Stolleneingänge ebenfalls mit Kreuzen markiert (um 1566)

@monni: die Marteln sind über Tage angebracht, vermutlich an den sog. Knappensteigen zur Grube.
Sie zeigen im unteren Teil der hölzernen Tafel eine verunglückten Knappen und darüber div. Schutz- heilige.

Glückauf!

Elmar Nieding
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Monni
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Re: Kreuze zum Andenken verunglückter Knappen

Beitrag von Monni »

@Schlacke: Danke für die Infos! :top:

Glück Auf
Monni
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