Viele Erzgebirger wollen keine Erzgebirgler sein05.05.09 | 11:51 Uhr | 6 mal gelesen
Fachleute plädieren für Sachlichkeit bei Debatte um korrekte Bezeichnung
Viele Erzgebirger wollen keine Erzgebirgler sein | Bild: © Zwickau/Chemnitz (ddp-lsc). Die Menschen im Erzgebirge gelten als humorvolles, verträgliches und gemütliches Völkchen. Wenn es um ihre Traditionen geht, verstehen viele Alteingesessene zwischen Altenberg und Zwickau aber weniger Spaß. Und dazu gehört die korrekte Bezeichnung. «Wir sind Erzgebirger», sagt der Sprecher des Erzgebirgsvereins, Wolfgang Stiehler. Deshalb kämpfen er und einige Vereinsmitglieder seit Jahren schon gegen den Begriff Erzgebirgler. Allerdings erlaubt der aktuelle Duden auch die Version mit «l».
Protestbriefe des Vereins an die Redaktion des Standardwerks der deutschen Rechtschreibung brachten bislang keinen Erfolg. Die Antwort sei lapidar ausgefallen, bedauert Stiehler. Dabei kenne die Mehrzahl historischer Aufzeichnungen nur den Arzgebirger, also auf hochdeutsch den Erzgebirger, sagt Stiehler. Das beeindruckte die Sprachexperten in Mannheim aber offenbar nicht.
«Das Stichwort Erzgebirgler ist seit den 50er Jahren im Duden verzeichnet», erläutert Evelyn Knörr von der Duden-Redaktion. Beide Formen, Erzgebirger und Erzgebirgler, existierten im allgemeinen Sprachgebrauch gleichbedeutend nebeneinander, wobei die Trefferzahl für Erzgebirgler im elektronischen Textkorpus sogar deutlich höher sei. «Die entsprechenden Belege zeigen, dass diese Form auch als ganz neutrale Einwohnerbezeichnung - ohne negative Bedeutung - verwendet wird«, betont Knörr und fügt hinzu: »Als Bezeichnung für Gebirgsbewohner allgemein ist übrigens nur die Form Gebirgler gebräuchlich und nicht Gebirger.«
Es gebe aber auch keine Vogtländler, Hamburgler oder Schwarzwäldler, kontert Stiehler. Erzgebirgler sei eine Verniedlichung, die der Verein für Brauchtumspflege für unangemessen und kitschig halte. Die Variante mit »l« trete seit der Wende wieder verstärkt auf, hat Stiehler beobachtet. Dabei werde sie von Zugereisten und Einheimischen gleichermaßen - seiner Meinung nach fälschlicherweise - benutzt.
Die anfängliche Hartnäckigkeit des Vereins ist inzwischen einer gewissen Toleranz gewichen. Bei 4000 Mitgliedern in 81 Zweigvereinen könne es schließlich auch einem echten Erzgebirger einmal passieren, »dass ihm das ´l´ im Eifer des Gefechts herausrutscht«, räumt Stiehler ein. Eine Strafkasse für derlei sprachliche Verfehlungen gebe es im Erzgebirgsverein nicht.
Die Traditionalisten verweisen auf hsitorische Mundart-Schriften. Auch der erzgebirgische Volksdichter und Sänger Anton Günther (1876-1937) verwendete immer nur den Erzgebirger, so etwa in der Liedzeile »su wolln mir Arzgebirger sei!« - »so wollen wir Erzgebirger sein«. Vom Erzgebirgler ist keine Rede.
In der Tradition von Anton Günther sieht sich Mundartsprecherin, Dichterin und MDR-Fernsehmoderatorin Marianne Martin aus Thalheim. »Ich verwende in eigenen Gedichten und bei Moderationen immer ganz bewusst Erzgebirger ohne ´l´«, sagt sie. »Wir sollten aber tolerant bei diesem Thema sein«, betont Martin. Es gebe keine offizielle erzgebirgische Schriftsprache, gibt sie zu bedenken. Zudem werde in nahezu jedem Ort des Erzgebirges abweichende Mundart gepflegt.
Für sprachwissenschaftliche Sachlichkeit in dieser Frage plädiert Elvira Werner, Referentin für Volkskultur bei der Sächsischen Landesstelle für Museumswesen in Chemnitz. »Erzgebirgler ist keine Abwertung«, sagt Werner. In der Vergangenheit sei das »l« vorübergehend mit einer regelrechten Glaubensfrage verbunden worden. Das sorge überregional für Kopfschütteln und könne die hiesige Bevölkerung zu unrecht als zänkisch erscheinen lassen, betont Werner.
Schon in den 1970er Jahren hatten sich in der DDR Sprachwissenschaftler mit dem Problem beschäftigt und schon damals beiden Versionen für zulässig und wertfrei erklärt. Vereinssprecher Stiehler kann bei seinem Streben nach dem korrekten Begriff aber auch auf Erfolge verweisen: Die »Freie Presse» als Heimatzeitung des Erzgebirges habe redaktionell inzwischen den Erzgebirger durchgesetzt, was den echten Erzgebirgern zumindest unnötige Verärgerung bei ihrer Zeitungslektüre am Frühstückstisch erspare.
"Na dann macht dor eiern Dreck alleene"
Spaß