Wismut KH Bommhardt liest
Verfasst: Sa. 04. Feb 12 11:56
Karl-Heinz Bommhardt schreibt über ein Leben für die Wismut
Thüringer im Porträt: Karl-Heinz Bommhardt hat ein Buch über seine Dienstjahre über und unter Tage herausgebracht.
Der Rücken mache ihm schon einige Probleme, erwähnt Karl-Heinz Bommhardt nebenbei. Ansonsten gehe es ihm gesundheitlich ganz gut, auch wenn sich angeblich hin und wieder Gedächtnislücken auftun würden, sagt der 76-Jährige.
Davon ist nichts zu merken, denn sobald Karl-Heinz Bommhardt aus seinem Leben und vor allem aus seinen 36 Dienstjahren bei der Wismut erzählt, ist alles wieder da. Als wäre es gestern gewesen. Vielleicht auch, weil er zu diesem Thema gerade das Buch "Uranbergbau Wismut 1946-1990" geschrieben hat, das Ende Dezember 2011 im Thüringer Verlag Rockstuhl erschienen und somit das Kramen in den Erinnerungen noch ganz frisch ist. Momentan ist er für dieses Buch, übrigens sein zweites, viel auf Lesereise an jenen Orten, wo er selbst Spuren hinterlassen hat. 1936 wird Karl-Heinz Bommhardt in Rudolstadt geboren. Die alleinerziehende Mutter - sein Vater kehrt aus dem Zweiten Weltkrieg nicht mehr zurück - wohnt mit den beiden Söhnen auf der Heidecksburg, hoch über der Stadt. Der Schlosshof wird zum Abenteuerspielplatz in seiner Kindheit. Nach dem Abitur findet sich für den jungen Mann, der sich bis dato aus dem gesellschaftlichen Leben herausgehalten hatte, kein Studienplatz, kein Arbeitsplatz - ein Unding zu DDR-Zeiten. Er sucht selbst und entscheidet sich 1954 im Kalikombinat Werra Bergmann zu werden. "Ein durchaus angesehener Beruf. Aber meine Vorstellungen unterschieden sich doch sehr von der Realität. Das Gehalt lag bei weniger als 500 Mark netto und ein Familienanschluss war nahezu unmöglich" erzählt Karl-Heinz Bommhardt. Als sich 1955 die Gelegenheit bietet, bei der SDAG (Sowjetisch-Deutsche Aktiengesellschaft) Wismut anzuheuern, die für den Uranabbau fieberhaft Leute sucht, zögert der damals 19-Jährige nicht.
Er kommt nach Schmirchau in den Schacht 356, ein Bergwerk, das gerade entsteht und technologisch auf niedrigem Niveau ist Übertage gibt es zu dieser Zeit noch den kleinen Ort nahe Ronneburg mit fast 300 Einwohnern und einer Kirche. Zehn Gehöfte und der Gasthof waren für die Schachtverwaltung allerdings schon geräumt. In der Tiefe werden währenddessen - um die Förderkapazität zu erhöhen - fieberhaft vier Rundschächte gemauert, in einer Größenordnung, die es bis dahin bei der Wismut noch nicht gibt.
Von Gelegenheitsarbeiten über das Reinigen der Strecke und das Schieben der Hunde macht Karl-Heinz Bommhardt zu diesem Zeitpunkt alles, auch eine Ausbildung zum Hauer, für die es zu dieser Zeit noch nicht einmal genügend Aufgaben gibt. Und als sich nach dem Weggang der Rotarmisten 1955, die bis dahin die geophysikalischen Arbeiten übernahmen, die Gelegenheit zur Fortbildung bietet, ergreift der junge Bergmann erneut die Gelegenheit und drückt die Schulbank. "Ich bin in den Qualifizierungsstrudel hineingeraten und nach Breitenbrunn im Erzgebirge, der Kaderschmiede für Ingenieure und Techniker, gekommen." Als Nicht-Genosse werden ihm Steine in den Weg gelegt. "Schwere drei Jahre", blickt der Autor auch in seinem Buch zurück.
Als er 1959 nach Schmirchau zurückkommt, ist der Ort verschwunden. Während seiner Abwesenheit war der letzte Bauer nach Linda umgesiedelt, die Toten umgebettet und die Kirche gesprengt worden. Aus seinem alten Schacht ist "eine tolle Anlage geworden, sehr modern mit Loks, die 30 große Hunde ziehen konnten", gerät er immer noch ins Schwärmen.
Doch die Technikbegeisterung des Bergmanns soll nicht über die harten Arbeitsbedingungen hinwegtäuschen. Er hat tödliche Unfälle erlebt. Er hat Kumpel mit Staublunge oder an Krebs sterben sehen. Dazu kommt, dass Bommhardt nach seiner einjährigen Assistenzzeit 1960 in die Brandschutzzeche versetzt und mit den schlechtesten und schwierigsten Arbeitsbedingungen konfrontiert wird. "Es gab durch Selbstentzündung der Lockermassen unzählige Brände im alten Schmirchauer Schacht. Gefährliche Feuer, die der Luft den Sauerstoff entzogen und extrem gefährliche Gase freisetzten." Zur Bekämpfung wird damals sogenannte Pulpe eingesetzt, eine "ekelhaft stinkende Lehmbrühe, die obendrein die Strecken verunreinigten und deren Einsatz nicht gern gesehen war", erzählt Karl-Heinz Bommhardt weiter.
Als er zum Jahresende den Betrieb verlassen will, bietet man ihn als Steiger Bergarbeiten im ehemaligen Sicherheitspfeiler des Schachtes 356 an. Dort sind die Vorräte der oberen Sohlen bereits abgebaut, aber auf der 120-Meter-Sohle stehen noch begehrte Restvorräte an. Wieder sind die Arbeitsbedingungen extrem, und die Erinnerung von Karl-Heinz Bommhardt glasklar. Obwohl der 76-jährige Familienvater, Großvater, Rentner und Buchautor mit seiner Frau seit vielen Jahren im sächsischen Pirna wohnt, und obwohl mit der Renaturierung der Tagebaulandschaft um Ronneburg die Neue Landschaft entstanden ist, kennt Bommhardt die Gegend wie seine Westentasche, weiß die Standorte der alten Schächte exakt zu benennen. "Manches tut einem Bergmann schon sehr weh", sagt er. "Alles, was wir im Revier 6 ausgebaut haben, wurde anschließend nochmals im Tagebau überbaggert. Um wie viel billiger und einfacher wäre es gewesen, hätte man gleich im Tagebau das Erz gefördert", fragt er sich rückblickend.
Langsam wird Karl-Heinz Bommhardt weichgekocht - er tritt 1961 doch in die SED ein. Und tatsächlich verbessern sich umgehend seine Arbeitsbedingungen und Fortbildungmöglichkeiten. Er wird Projektant im Wissenschaftlich-Technischen Zentrum der Wismut. Währenddessen wird im Elbtalgraben weiteres Uran gefunden und im sächsischen Königstein ein neues Bergwerk aufgebaut. Er kehrt der alten Heimat nun den Rücken und wendet sich den neuen Herausforderungen in Königstein zu, baut eine Projektierungsgruppe auf, wird Haupttechnologe, zeitweise sogar Leiter der Abteilung Projektionslenkung. "Mit meiner Karriere ging es rasend schnell steil nach oben."
1990 erarbeitet er noch das Sanierungskonzept für die Wismut mit, bevor er mit 55,5 Jahren endgültig in den Ruhestand geht. Zwei Jahrzehnte ist das her. Doch auch nach dieser Zeit spricht aus dem großgewachsenen und schlanken Mann nach wie vor der Kumpel, der für seine Arbeit brennt, der um die Gefahren bei der Urangewinnung weiß und sie beiseite schiebt. Allerdings lässt ihn der Bergbau auch im Ruhestand nicht los. Mit seinem Einblick über die vielen Bereiche über und unter Tage in Thüringen und Sachsen soll er 1995 eine Wismut-Chronik zusammentragen. Er sammelt, durchforstet Akten, baut Kontakte auf, schreibt nieder. Die Arbeit bringt ihn auf die Idee, auch seine eigenen Erlebnisse festzuhalten - ja sogar sein ganzes Leben. Fünf Bände sollen es sein. Zwei sind bereits auf dem Markt, die folgenden "in Gedanken schon fertig". Etwas für die Ewigkeit will er schaffen, für die Kumpels, für die Nachwelt.
Auf der Schmirchauer Höhe, höchste Erhebung nahe Ronneburg und heute Aussichtspunkt, hat Karl-Heinz Bommhardt schon andere bleibende Spuren hinterlassen. Die Nummer 1168 trägt sein Erinnerungsstein, der, gemeinsam mit denen vieler anderer Bergleute, wie die Abbaukonturen des alten Ronneburger Erzfeld angeordnet ist.
Lesungen von Karl-Heinz Bommhardt
Sonntag, 19. 2., 14.00 Uhr, Ronneburg "Lokschuppen"
Donnerstag, 1. 3., 19.30 Uhr, Rudolstadt Stadtbibliothek
Freitag, 2. 3. 19.00 Uhr, Dittrichshütte Kulturhaus
Glück Auf
Horst
Thüringer im Porträt: Karl-Heinz Bommhardt hat ein Buch über seine Dienstjahre über und unter Tage herausgebracht.
Der Rücken mache ihm schon einige Probleme, erwähnt Karl-Heinz Bommhardt nebenbei. Ansonsten gehe es ihm gesundheitlich ganz gut, auch wenn sich angeblich hin und wieder Gedächtnislücken auftun würden, sagt der 76-Jährige.
Davon ist nichts zu merken, denn sobald Karl-Heinz Bommhardt aus seinem Leben und vor allem aus seinen 36 Dienstjahren bei der Wismut erzählt, ist alles wieder da. Als wäre es gestern gewesen. Vielleicht auch, weil er zu diesem Thema gerade das Buch "Uranbergbau Wismut 1946-1990" geschrieben hat, das Ende Dezember 2011 im Thüringer Verlag Rockstuhl erschienen und somit das Kramen in den Erinnerungen noch ganz frisch ist. Momentan ist er für dieses Buch, übrigens sein zweites, viel auf Lesereise an jenen Orten, wo er selbst Spuren hinterlassen hat. 1936 wird Karl-Heinz Bommhardt in Rudolstadt geboren. Die alleinerziehende Mutter - sein Vater kehrt aus dem Zweiten Weltkrieg nicht mehr zurück - wohnt mit den beiden Söhnen auf der Heidecksburg, hoch über der Stadt. Der Schlosshof wird zum Abenteuerspielplatz in seiner Kindheit. Nach dem Abitur findet sich für den jungen Mann, der sich bis dato aus dem gesellschaftlichen Leben herausgehalten hatte, kein Studienplatz, kein Arbeitsplatz - ein Unding zu DDR-Zeiten. Er sucht selbst und entscheidet sich 1954 im Kalikombinat Werra Bergmann zu werden. "Ein durchaus angesehener Beruf. Aber meine Vorstellungen unterschieden sich doch sehr von der Realität. Das Gehalt lag bei weniger als 500 Mark netto und ein Familienanschluss war nahezu unmöglich" erzählt Karl-Heinz Bommhardt. Als sich 1955 die Gelegenheit bietet, bei der SDAG (Sowjetisch-Deutsche Aktiengesellschaft) Wismut anzuheuern, die für den Uranabbau fieberhaft Leute sucht, zögert der damals 19-Jährige nicht.
Er kommt nach Schmirchau in den Schacht 356, ein Bergwerk, das gerade entsteht und technologisch auf niedrigem Niveau ist Übertage gibt es zu dieser Zeit noch den kleinen Ort nahe Ronneburg mit fast 300 Einwohnern und einer Kirche. Zehn Gehöfte und der Gasthof waren für die Schachtverwaltung allerdings schon geräumt. In der Tiefe werden währenddessen - um die Förderkapazität zu erhöhen - fieberhaft vier Rundschächte gemauert, in einer Größenordnung, die es bis dahin bei der Wismut noch nicht gibt.
Von Gelegenheitsarbeiten über das Reinigen der Strecke und das Schieben der Hunde macht Karl-Heinz Bommhardt zu diesem Zeitpunkt alles, auch eine Ausbildung zum Hauer, für die es zu dieser Zeit noch nicht einmal genügend Aufgaben gibt. Und als sich nach dem Weggang der Rotarmisten 1955, die bis dahin die geophysikalischen Arbeiten übernahmen, die Gelegenheit zur Fortbildung bietet, ergreift der junge Bergmann erneut die Gelegenheit und drückt die Schulbank. "Ich bin in den Qualifizierungsstrudel hineingeraten und nach Breitenbrunn im Erzgebirge, der Kaderschmiede für Ingenieure und Techniker, gekommen." Als Nicht-Genosse werden ihm Steine in den Weg gelegt. "Schwere drei Jahre", blickt der Autor auch in seinem Buch zurück.
Als er 1959 nach Schmirchau zurückkommt, ist der Ort verschwunden. Während seiner Abwesenheit war der letzte Bauer nach Linda umgesiedelt, die Toten umgebettet und die Kirche gesprengt worden. Aus seinem alten Schacht ist "eine tolle Anlage geworden, sehr modern mit Loks, die 30 große Hunde ziehen konnten", gerät er immer noch ins Schwärmen.
Doch die Technikbegeisterung des Bergmanns soll nicht über die harten Arbeitsbedingungen hinwegtäuschen. Er hat tödliche Unfälle erlebt. Er hat Kumpel mit Staublunge oder an Krebs sterben sehen. Dazu kommt, dass Bommhardt nach seiner einjährigen Assistenzzeit 1960 in die Brandschutzzeche versetzt und mit den schlechtesten und schwierigsten Arbeitsbedingungen konfrontiert wird. "Es gab durch Selbstentzündung der Lockermassen unzählige Brände im alten Schmirchauer Schacht. Gefährliche Feuer, die der Luft den Sauerstoff entzogen und extrem gefährliche Gase freisetzten." Zur Bekämpfung wird damals sogenannte Pulpe eingesetzt, eine "ekelhaft stinkende Lehmbrühe, die obendrein die Strecken verunreinigten und deren Einsatz nicht gern gesehen war", erzählt Karl-Heinz Bommhardt weiter.
Als er zum Jahresende den Betrieb verlassen will, bietet man ihn als Steiger Bergarbeiten im ehemaligen Sicherheitspfeiler des Schachtes 356 an. Dort sind die Vorräte der oberen Sohlen bereits abgebaut, aber auf der 120-Meter-Sohle stehen noch begehrte Restvorräte an. Wieder sind die Arbeitsbedingungen extrem, und die Erinnerung von Karl-Heinz Bommhardt glasklar. Obwohl der 76-jährige Familienvater, Großvater, Rentner und Buchautor mit seiner Frau seit vielen Jahren im sächsischen Pirna wohnt, und obwohl mit der Renaturierung der Tagebaulandschaft um Ronneburg die Neue Landschaft entstanden ist, kennt Bommhardt die Gegend wie seine Westentasche, weiß die Standorte der alten Schächte exakt zu benennen. "Manches tut einem Bergmann schon sehr weh", sagt er. "Alles, was wir im Revier 6 ausgebaut haben, wurde anschließend nochmals im Tagebau überbaggert. Um wie viel billiger und einfacher wäre es gewesen, hätte man gleich im Tagebau das Erz gefördert", fragt er sich rückblickend.
Langsam wird Karl-Heinz Bommhardt weichgekocht - er tritt 1961 doch in die SED ein. Und tatsächlich verbessern sich umgehend seine Arbeitsbedingungen und Fortbildungmöglichkeiten. Er wird Projektant im Wissenschaftlich-Technischen Zentrum der Wismut. Währenddessen wird im Elbtalgraben weiteres Uran gefunden und im sächsischen Königstein ein neues Bergwerk aufgebaut. Er kehrt der alten Heimat nun den Rücken und wendet sich den neuen Herausforderungen in Königstein zu, baut eine Projektierungsgruppe auf, wird Haupttechnologe, zeitweise sogar Leiter der Abteilung Projektionslenkung. "Mit meiner Karriere ging es rasend schnell steil nach oben."
1990 erarbeitet er noch das Sanierungskonzept für die Wismut mit, bevor er mit 55,5 Jahren endgültig in den Ruhestand geht. Zwei Jahrzehnte ist das her. Doch auch nach dieser Zeit spricht aus dem großgewachsenen und schlanken Mann nach wie vor der Kumpel, der für seine Arbeit brennt, der um die Gefahren bei der Urangewinnung weiß und sie beiseite schiebt. Allerdings lässt ihn der Bergbau auch im Ruhestand nicht los. Mit seinem Einblick über die vielen Bereiche über und unter Tage in Thüringen und Sachsen soll er 1995 eine Wismut-Chronik zusammentragen. Er sammelt, durchforstet Akten, baut Kontakte auf, schreibt nieder. Die Arbeit bringt ihn auf die Idee, auch seine eigenen Erlebnisse festzuhalten - ja sogar sein ganzes Leben. Fünf Bände sollen es sein. Zwei sind bereits auf dem Markt, die folgenden "in Gedanken schon fertig". Etwas für die Ewigkeit will er schaffen, für die Kumpels, für die Nachwelt.
Auf der Schmirchauer Höhe, höchste Erhebung nahe Ronneburg und heute Aussichtspunkt, hat Karl-Heinz Bommhardt schon andere bleibende Spuren hinterlassen. Die Nummer 1168 trägt sein Erinnerungsstein, der, gemeinsam mit denen vieler anderer Bergleute, wie die Abbaukonturen des alten Ronneburger Erzfeld angeordnet ist.
Lesungen von Karl-Heinz Bommhardt
Sonntag, 19. 2., 14.00 Uhr, Ronneburg "Lokschuppen"
Donnerstag, 1. 3., 19.30 Uhr, Rudolstadt Stadtbibliothek
Freitag, 2. 3. 19.00 Uhr, Dittrichshütte Kulturhaus
Glück Auf
Horst