Kali fördern bis zum großen Knall
Verfasst: Di. 23. Mär 10 17:05
MDR FERNSEHEN | 23.03.2010 | 20:45 Uhr
DDR - Kali fördern bis zum großen Knall
Der Film rekonstruiert die Ereignisse der Erdbeben von 1989 im thüringischen Völkershausen und von 1996 in Halle-Neustadt und Teutschenthal in Sachsen-Anhalt, deren Ursache der Raubbau von Kalisalzen in der DDR war.
Zweimal bebte die Erde in Mitteldeutschland in den letzten 20 Jahren so stark, dass es auf der ganzen Welt registriert wurde. 1989 im thüringischen Völkershausen und 1996 in Halle-Neustadt und Teutschenthal in Sachsen-Anhalt. Von Menschenhand verursachte Erdbeben, ausgelöst durch den Raubbau an Kalisalz in der DDR. Damals gab es große Schäden. Völkershausen wurde fast vollständig zerstört. Können sich solche Ereignisse heutzutage wiederholen? In "DDR - Kali fördern bis zum großen Knall" geht Robert Burdy dieser Frage nach.
Robert Burdy beginnt seine Reise im thüringischen Tiefenort. Hier riss ein Erdrutsch ein großes Loch in den Boden. Die Bewohner der angrenzenden Wohnhäuser mussten evakuiert werden. Den Grund für die Erdbewegungen sehen die Experten nicht im früheren Bergbau, sondern in geologischen Veränderungen im Boden, wonach Salze und Karbonate ausgespült werden und die Erde schließlich nachgibt. Doch in Sichtweite des Dorfes liegt das ehemalige Kalibergwerk Merkers.
Die riesigen Kalivorkommen auf dem Gebiet der DDR waren der Devisengarant für das Land. Der gefragte Rohstoff konnte auf dem Weltmarkt gegen dringend benötigte Devisen verkauft werden. Doch die Lagerstätten in Sachsen-Anhalt und Thüringen lagen in 600 bis 1.000 Meter Tiefe. Sie mussten aufwendig gefördert und aufbereitet werden. Die Förderzahlen der Kaligruben wurden ständig erhöht. Und so entwickelte sich die Kaliindustrie zu einem wichtigen Wirtschaftsfaktor auf Kosten der Umwelt, der Bergbausicherheit und der Menschen, die im Abbaugebiet lebten.
Erdbeben in Völkershausen
Am 13. März 1989 um 14:03 Uhr durchfuhr den Ort Völkershausen in Südthüringen ein lauter Schlag. Innerhalb eines Sekundenbruchteils sackte die Erdoberfläche einen Meter nach unten. Der Ort wurde zu 80 Prozent zerstört. Wie durch ein Wunder waren nur leicht Verletzte zu beklagen. Bis nach Leipzig war die Schockwelle zu spüren. 5,6 auf der Richterskala registrierten die Seismografen.
Die Nachrichtensendungen in Ost und West berichteten sofort über das Unglück. Und im Ort begannen die Aufräumarbeiten. Material, Bau- und Hilfskräfte waren nun reichlich vorhanden. Häuser wurden neu gebaut. Für die Schadenssumme kam die Versicherung ohne große Prüfung auf. Eine Regierungskommission sollte die Ursache finden. Schon nach zwei Tagen stand der Schuldige fest: die angrenzende westdeutsche Kaliindustrie hätte Laugenabwässer in den Untergrund verpresst und damit den Gebirgsschlag ausgelöst. Schadensersatzforderungen wurden gestellt, Verhandlungen gefordert.
Doch was war geschehen?
Die Stasi als Mitarbeiter
Bei einer planmäßigen Sprengung unter Tage im Kalischacht Merkers war mit einem Schlag ein 6,8 Quadratkilometer großes Grubenfeld zusammengestürzt und hatte über Tage ein Erdbeben ausgelöst. 3.200 Pfeiler hatten schlagartig ihre Tragfähigkeit verloren. Das stärkste je von Menschenhand ausgelöste Beben war einer Kraft von zehn gleichzeitig gezündeten Hiroshima-Bomben vergleichbar. Ursache des Unglücks waren die zu knapp bemessenen Stützpfeiler im Salz, um die Ausbeute zu maximieren. Ein als Forschungsprojekt C/W getarntes Unterfangen in den Händen der Stasi.
Mitarbeiter des DDR-Ministeriums für Staatssicherheit saßen in den Seismologischen Instituten und in der Führungsspitze des Kalikombinates. Kritische Mitarbeiter waren nicht erwünscht und wurden aus Forschungsprojekten gedrängt. Nach dem Grubenschlag lieferten Wissenschaftler im Auftrag der Stasi ein Gutachten, das die Schuld dem Westen in die Schuhe schob. Doch die Menschen um Völkershausen glaubten nicht an die offizielle Version, denn den Bergleuten war die Gefahr zu dünner Stützpfeiler im Bergwerk bewusst.
Der Wecker zeigt die Uhrzeit als die Grube einstürzte. Es geschah 5:26 Uhr.
Am Morgen des 11. September 1996 wurden die Einwohner von Halle-Neustadt unsanft aus dem Schlaf gerüttelt. Ein Erdbeben der Stärke 4,8 auf der Richterskala erschütterte zwanzig Minuten lang die Region. An jenem Morgen stürzte in 700 Metern Tiefe das 2,5 Quadratkilometer große Ostfeld der ehemaligen Kaligrube Teutschenthal ein. Das Epizentrum des Gebirgsschlages lag genau in der Mitte des Ostfeldes. Über Tage befindet sich an dieser Stelle ein Badesee, dessen steile Ufer ins Wasser stürzten. Wassermassen verwüsteten Ufer und das Strandbad.
Menschen wurden nicht verletzt. Auch nicht die 25 Bergleute der Frühschicht, die schon auf dem Weg zur Einfahrt in die Grube waren. Minuten später hätten sie diese Schicht nicht überlebt. Die Sachschäden in Halle Neustadt und den umliegenden Dörfern beliefen sich bei etwa zwei Millionen DM. Und die Technik des Kalibergbaus wurde verschüttet. Doch die Katastrophe kam nicht aus heiterem Himmel. Spezielle Druck- und Belastungsversuche Mitte der 90er-Jahre förderten die Brucheigenschaften des Carnalittit-Salzes zutage. Ein Gutachten von August 1996 warnte vor den Folgen eines großen Gebirgsschlages in der Nähe von Halle.
Wie löchriger Käse
Seit 1907 wurde in Teutschenthal Carnallit, ein besonders poröses Salz, gefördert. Ein großer Teil des Salzes wurde als Stützpfeiler stehen gelassen und die Zwischenkammern abgebaut. Doch schon 1916 stürzte ein Teil eines Grubenfeldes ein. Und im Mai 1940 hielten die zu gering bemessenen Stützpfeiler nicht mehr. In 600 Meter Tiefe brach ein großer Teil der Grube zusammen. 42 Bergleute ließen damals ihr Leben. Jahre später fand man die Toten, als eine Strecke zu dem eingestürzten Grubenfeld gebohrt wurde.
In der DDR ging das Kaligeschäft weiter. Schwere Technik durchsiebte das Gebiet bis an Halle-Neustadt wie einen löchrigen Käse. Bis 1982 förderten die Bergleute der Grube Teutschenthal 36 Millionen Tonnen Salz, größtenteils für den Export in den Westen. Zurück blieben zwölf Millionen Kubikmeter Hohlräume, die hätten verfüllt werden müssen, und zu knapp bemessene Stützpfeiler, um so viel Salz wie möglich zu gewinnen. Doch das Geld für den Versatz fehlte.
Moderator Robert Burdy vor den Kalibergwerk Teutschenthal im Winter.
Nach der Wende übernahm die Treuhand die Kaligrube Teutschenthal und privatisierte diese. 1992 wurde mit dem Bau eines Versatzbergwerkes begonnen. Heute werden die verbliebenen und längst stillgelegten Schächte verfüllt. Ein teures, aufwendiges Verfahren, das erst 2025 beendet sein soll. Bis dahin sinkt die Wahrscheinlichkeit eines neuen Gebirgsschlages immer weiter. Gleichzeitig geht der Abbau von Kali in der Region aber weiter - mit erheblichen Umweltbelastungen und unter Einhaltung hoher Sicherheitsstandards.
Unterdessen arbeiten auch die Thüringischen Gruben nach den neuen Standards, die eine sichere Standfestigkeit der Grube gewährleisten sollen. Förderbänder bringen nicht verwendbares Steinsalz aus den aktuellen Abbaufeldern in die alten Kalischächte, die damit verfüllt werden. Bis mindestens 2015 sollen die Arbeiten anhalten. Doch die Sicherheit ist keine hundertprozentige. Noch heute fließen bis zu sieben Millionen Kubikmeter Kalilauge in die Werra.
Glück Auf
Horst
DDR - Kali fördern bis zum großen Knall
Der Film rekonstruiert die Ereignisse der Erdbeben von 1989 im thüringischen Völkershausen und von 1996 in Halle-Neustadt und Teutschenthal in Sachsen-Anhalt, deren Ursache der Raubbau von Kalisalzen in der DDR war.
Zweimal bebte die Erde in Mitteldeutschland in den letzten 20 Jahren so stark, dass es auf der ganzen Welt registriert wurde. 1989 im thüringischen Völkershausen und 1996 in Halle-Neustadt und Teutschenthal in Sachsen-Anhalt. Von Menschenhand verursachte Erdbeben, ausgelöst durch den Raubbau an Kalisalz in der DDR. Damals gab es große Schäden. Völkershausen wurde fast vollständig zerstört. Können sich solche Ereignisse heutzutage wiederholen? In "DDR - Kali fördern bis zum großen Knall" geht Robert Burdy dieser Frage nach.
Robert Burdy beginnt seine Reise im thüringischen Tiefenort. Hier riss ein Erdrutsch ein großes Loch in den Boden. Die Bewohner der angrenzenden Wohnhäuser mussten evakuiert werden. Den Grund für die Erdbewegungen sehen die Experten nicht im früheren Bergbau, sondern in geologischen Veränderungen im Boden, wonach Salze und Karbonate ausgespült werden und die Erde schließlich nachgibt. Doch in Sichtweite des Dorfes liegt das ehemalige Kalibergwerk Merkers.
Die riesigen Kalivorkommen auf dem Gebiet der DDR waren der Devisengarant für das Land. Der gefragte Rohstoff konnte auf dem Weltmarkt gegen dringend benötigte Devisen verkauft werden. Doch die Lagerstätten in Sachsen-Anhalt und Thüringen lagen in 600 bis 1.000 Meter Tiefe. Sie mussten aufwendig gefördert und aufbereitet werden. Die Förderzahlen der Kaligruben wurden ständig erhöht. Und so entwickelte sich die Kaliindustrie zu einem wichtigen Wirtschaftsfaktor auf Kosten der Umwelt, der Bergbausicherheit und der Menschen, die im Abbaugebiet lebten.
Erdbeben in Völkershausen
Am 13. März 1989 um 14:03 Uhr durchfuhr den Ort Völkershausen in Südthüringen ein lauter Schlag. Innerhalb eines Sekundenbruchteils sackte die Erdoberfläche einen Meter nach unten. Der Ort wurde zu 80 Prozent zerstört. Wie durch ein Wunder waren nur leicht Verletzte zu beklagen. Bis nach Leipzig war die Schockwelle zu spüren. 5,6 auf der Richterskala registrierten die Seismografen.
Die Nachrichtensendungen in Ost und West berichteten sofort über das Unglück. Und im Ort begannen die Aufräumarbeiten. Material, Bau- und Hilfskräfte waren nun reichlich vorhanden. Häuser wurden neu gebaut. Für die Schadenssumme kam die Versicherung ohne große Prüfung auf. Eine Regierungskommission sollte die Ursache finden. Schon nach zwei Tagen stand der Schuldige fest: die angrenzende westdeutsche Kaliindustrie hätte Laugenabwässer in den Untergrund verpresst und damit den Gebirgsschlag ausgelöst. Schadensersatzforderungen wurden gestellt, Verhandlungen gefordert.
Doch was war geschehen?
Die Stasi als Mitarbeiter
Bei einer planmäßigen Sprengung unter Tage im Kalischacht Merkers war mit einem Schlag ein 6,8 Quadratkilometer großes Grubenfeld zusammengestürzt und hatte über Tage ein Erdbeben ausgelöst. 3.200 Pfeiler hatten schlagartig ihre Tragfähigkeit verloren. Das stärkste je von Menschenhand ausgelöste Beben war einer Kraft von zehn gleichzeitig gezündeten Hiroshima-Bomben vergleichbar. Ursache des Unglücks waren die zu knapp bemessenen Stützpfeiler im Salz, um die Ausbeute zu maximieren. Ein als Forschungsprojekt C/W getarntes Unterfangen in den Händen der Stasi.
Mitarbeiter des DDR-Ministeriums für Staatssicherheit saßen in den Seismologischen Instituten und in der Führungsspitze des Kalikombinates. Kritische Mitarbeiter waren nicht erwünscht und wurden aus Forschungsprojekten gedrängt. Nach dem Grubenschlag lieferten Wissenschaftler im Auftrag der Stasi ein Gutachten, das die Schuld dem Westen in die Schuhe schob. Doch die Menschen um Völkershausen glaubten nicht an die offizielle Version, denn den Bergleuten war die Gefahr zu dünner Stützpfeiler im Bergwerk bewusst.
Der Wecker zeigt die Uhrzeit als die Grube einstürzte. Es geschah 5:26 Uhr.
Am Morgen des 11. September 1996 wurden die Einwohner von Halle-Neustadt unsanft aus dem Schlaf gerüttelt. Ein Erdbeben der Stärke 4,8 auf der Richterskala erschütterte zwanzig Minuten lang die Region. An jenem Morgen stürzte in 700 Metern Tiefe das 2,5 Quadratkilometer große Ostfeld der ehemaligen Kaligrube Teutschenthal ein. Das Epizentrum des Gebirgsschlages lag genau in der Mitte des Ostfeldes. Über Tage befindet sich an dieser Stelle ein Badesee, dessen steile Ufer ins Wasser stürzten. Wassermassen verwüsteten Ufer und das Strandbad.
Menschen wurden nicht verletzt. Auch nicht die 25 Bergleute der Frühschicht, die schon auf dem Weg zur Einfahrt in die Grube waren. Minuten später hätten sie diese Schicht nicht überlebt. Die Sachschäden in Halle Neustadt und den umliegenden Dörfern beliefen sich bei etwa zwei Millionen DM. Und die Technik des Kalibergbaus wurde verschüttet. Doch die Katastrophe kam nicht aus heiterem Himmel. Spezielle Druck- und Belastungsversuche Mitte der 90er-Jahre förderten die Brucheigenschaften des Carnalittit-Salzes zutage. Ein Gutachten von August 1996 warnte vor den Folgen eines großen Gebirgsschlages in der Nähe von Halle.
Wie löchriger Käse
Seit 1907 wurde in Teutschenthal Carnallit, ein besonders poröses Salz, gefördert. Ein großer Teil des Salzes wurde als Stützpfeiler stehen gelassen und die Zwischenkammern abgebaut. Doch schon 1916 stürzte ein Teil eines Grubenfeldes ein. Und im Mai 1940 hielten die zu gering bemessenen Stützpfeiler nicht mehr. In 600 Meter Tiefe brach ein großer Teil der Grube zusammen. 42 Bergleute ließen damals ihr Leben. Jahre später fand man die Toten, als eine Strecke zu dem eingestürzten Grubenfeld gebohrt wurde.
In der DDR ging das Kaligeschäft weiter. Schwere Technik durchsiebte das Gebiet bis an Halle-Neustadt wie einen löchrigen Käse. Bis 1982 förderten die Bergleute der Grube Teutschenthal 36 Millionen Tonnen Salz, größtenteils für den Export in den Westen. Zurück blieben zwölf Millionen Kubikmeter Hohlräume, die hätten verfüllt werden müssen, und zu knapp bemessene Stützpfeiler, um so viel Salz wie möglich zu gewinnen. Doch das Geld für den Versatz fehlte.
Moderator Robert Burdy vor den Kalibergwerk Teutschenthal im Winter.
Nach der Wende übernahm die Treuhand die Kaligrube Teutschenthal und privatisierte diese. 1992 wurde mit dem Bau eines Versatzbergwerkes begonnen. Heute werden die verbliebenen und längst stillgelegten Schächte verfüllt. Ein teures, aufwendiges Verfahren, das erst 2025 beendet sein soll. Bis dahin sinkt die Wahrscheinlichkeit eines neuen Gebirgsschlages immer weiter. Gleichzeitig geht der Abbau von Kali in der Region aber weiter - mit erheblichen Umweltbelastungen und unter Einhaltung hoher Sicherheitsstandards.
Unterdessen arbeiten auch die Thüringischen Gruben nach den neuen Standards, die eine sichere Standfestigkeit der Grube gewährleisten sollen. Förderbänder bringen nicht verwendbares Steinsalz aus den aktuellen Abbaufeldern in die alten Kalischächte, die damit verfüllt werden. Bis mindestens 2015 sollen die Arbeiten anhalten. Doch die Sicherheit ist keine hundertprozentige. Noch heute fließen bis zu sieben Millionen Kubikmeter Kalilauge in die Werra.
Glück Auf
Horst