Die Geiskammer
Bergmannssage vom Lemberg (RLP)
Als im dreißigjährigen Kriege der General Gallas mit seinen Croaten in Kreuznach lag, wohnte zu Bingart eine arme alte Frau, die für eine Hexe galt. Sie hatte nichts als ein elendes Hüttchen und drei Geisen im Vermögen, aber eine bildschöne Tochter. Des Schulzen Sohn liebte das Mädchen, durfte sich's aber vor seinem Vater nicht merken lassen.
Da kamen einst die Croaten über die Nahe herüber und fielen in's Dorf. Das Mädchen lief in den Wald am Lemberg, um seine Mutter zu suchen, die dort die drei Geisen hütete. Im Lemberg aber war eine kleine Felsenhöhle hinter dichtem Gestrüpp, dahinein flüchtete sich die Alte mit ihrer Tochter und den Ziegen. Die Croaten hausten derweilen übel in Bingart, steckten das ganze Dorf in Brand und stachen den Schulzen bis auf den Tod. Der wurde nach der Höhle getragen, und Mutter und Tochter pflegten sein dort auf's eifrigste. Die Leute zogen großentheils von Bingart nach Feil hinüber, der Schulze auch und vergaß gar bald der Wohlthat, die er von den armen Frauen genossen, die nun kein Häuschen mehr hatten und in der Höhle wohnen bleiben mußten.
Mit Schrecken gedachten sie des kommenden Winters, und zu diesem Kummer kam noch die Botschaft, der Sohn des Schulzen müsse eine Andere freien. Als sie einmal so betrübt in der Höhle saßen und weinten, trat plötzlich das kleine Bergmännlein zu ihnen und tröstete sie. Mit einem silbernen Fäustel klopfte dasselbe an die Felswand der Höhle und sagte: »Hier ist euer Reichthum. Gehet hin, zeiget dem Pfalzgrafen an, ihr hättet eine reiche Mine entdeckt, und so er Halbpart gäbe, wolltet ihr's ihm kund thun.« Die Mutter dachte an Ernesti-Glück und ging nach Kreuznach zu des Pfalzgrafen Amtmann. Der sagte den Halbpart zu. In der Höhle wurde darauf geschurft, und siehe da, es war wirklich eine reiche Mine. Der Kurfürst baute der Alten und ihrem schönen Töchterlein ein stattlich Haus, und der Schulze sah's nun gar gern, daß sein Sohn das Mägdlein zum Weibe nahm. Die Halbschied der Grube aber kaufte er Kurfürst um schweres Geld den Leuten ab und betrieb noch am letzten unter den drei Gruben des Lembergs diese Geiskammer, wie sie nach jener Höhle heute noch genannt wird.
Quelle: Alexander Schöppner: Sagenbuch der Bayer. Lande 1–3. München 1852–1853, S. 339-340.
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