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Erzwäsche im Nachbau?

Verfasst: Mi. 19. Dez 07 15:56
von Kartan
Hallo allerseits,

ich befasse mich schon seit einer Weile mit mittelalterlicher Verhüttung und so. Derzeit bin ich dabei, eine Erzwäsche (Schwerkrafttrennung mit fließendem Wasser von Pocherz) nach mittelalterlichem Vorbild (angenähert) versuchsweise zu bauen.

Daher wäre es natürlich sehr vorteilhaft, wenn ich mich zum Erfahrungsaustausch ab und zu mit jemandem unterhalten könnte, der oder die sich mit sowas im Praktischen beschäftigt hat.

Nun ja, gibt's hier jemanden, oder kennt jemand wen, der das schon mal gemacht hat?

Merci & Glückauf!

Re: Erzwäsche im Nachbau?

Verfasst: Mi. 19. Dez 07 16:33
von Jan
Da kann ich dir als erstes mal den Agricola Empfehlen...
http://de.wikipedia.org/wiki/Georgius_Agricola unter Veröffentlichungen sind viele Links zu digitalisierungen seiner Bücher (Nicht nur De re Metallica...)
Dann der Balthasar Rösler:
http://de.wikipedia.org/wiki/Balthasar_R%C3%B6sler
Den Hell Polierten Bergbauspiegel gibts als Reprint in Bibliotheken oder vielleicht irgendwo im Netz digitalisiert.
Der dritte Kandidat aus meiner Sicht wäre der Lazarus Ercker
http://de.wikipedia.org/wiki/Lazarus_Ercker Von seinen Sachen gibt es auch ein paar schöne Digitalisierungen.

GA Jan

Re: Erzwäsche im Nachbau?

Verfasst: Mi. 19. Dez 07 17:13
von Schlacke
Hallo Kartan,

zu den erwähnten Literaturhinweisen kann ich noch auf meine Zusammenstellung (Auszug aus meiner Datenbank) vom 21.10.07 "Modellsammlung der Bergakademie Freiberg" (hier im Forum) hinweisen.

Die Modelle in Bergbaumuseen sind ein hervorragendes Anschauungsmaterial zur Realisierung eines Nachbaus.
Ein solcher befindet sich im Bergbaufreilichtmuseum "Erzpoche" in Hausach/Schww. Die Dorfer Erzbrüder haben neben einem Schmelzofen, Bergschmiede auch ein Pochwerk errichtet.
Kontakt: http://www.dorfer-erzbrueder-hausach.de

Glückauf!

Elmar Nieding

Re: Erzwäsche im Nachbau?

Verfasst: Mi. 19. Dez 07 18:21
von Kartan
Hallo,

erstmal danke euch beiden!

Aber vielleicht habe ich mich mißverständlich ausgedrückt; mir geht's weniger um Anschauung oder Quellen, sondern vielmehr darum, mich mit Leuten, die eine Erzrutsche betreiben oder betrieben ganz praktisch auszutauschen. Das Ganze richtig zum Laufen zu bringen setzt ja eine Menge Faktoren a la Neigung, Wassergeschwindigkeit, Gitter-, Näpfchen- oder sonstige Fangstrukturen, Erzpochgröße bei verschiedenen Erzen usw. usf. voraus.

Und man will's ja gut machen, wennschon dennschon. Und ich lege eher Wert auf 'funktionieren' denn auf 'ganz genau originalgetreu' - derzeit probieren wir zB mit Streifen von Autogummifußmatten als Einlage (die haben ein prima vertieftes Karomuster, und man kann sie zum Abspülen bzw. Schlichsammeln einfachst rausnehmen).

Hab' hier mal ein Bild hin (Rutsche beim tarieren für gleichmäßigen Wasserfluß, ohne Einlagen:
http://kartan.de/div/1024_20071215_Erzrutsche_1_06.jpg (1MB).

Danke daher für den Hinweis mit den Erzbrüdern. Ich nehm' da mal Kontakt auf; die betreiben die Sachen doch und stellen sie nicht nur aus?

Glückauf und schönen Abend!

Re: Erzwäsche im Nachbau?

Verfasst: Mi. 19. Dez 07 19:13
von alterbergbau.de
wow tolles projekt ! :geil:

Re: Erzwäsche im Nachbau?

Verfasst: Do. 20. Dez 07 17:13
von Roby
Hallo,

im Altenberger Bergbaumuseum (http://www.bergbaumuseum-altenberg.de) steht ein Nachbau einer Zinnerzaufbereitung. Von Pochen bis zum waschen ist alles vorhanden und funktionsfähig - ab und zu wird es in Betrieb gesetzt.

Ein Zitat aus http://www.altenberg.de/bergbaumuseum.htm :
"In der Historischen Zinnwäsche geben die funktionsfähigen historischen Aufbereitungsmaschinen, wie das 40-stemplige Pochwerk oder die wasserradgetriebenen Langstoßherde, einen eindrucksvollen Einblick in die umfangreichen Arbeitsabläufe bei der Zinnerzaufbereitung. Diese ehemalige Erzwäsche ist die letzte erhaltene Anlage eines umfangreichen Systems von früheren Erzaufbereitungen am östlichen Rand von Altenberg und gilt heute von Größe und Ausstattung her als einmalig in Europa."

Vielleicht schreibst du denen mal ein Mail ...


Glück auf!
Roby

Re: Erzwäsche im Nachbau?

Verfasst: Do. 20. Dez 07 17:45
von Kartan
alterbergbau.de hat geschrieben:wow tolles projekt ! :geil:
Oh, danke für die Blumen:). Das Projekt wird sicher noch ein Spaß werden; die Probleme gehen auch schon los. Als nächstes geht die Bauerei weiter; allein der Wasserfluß macht schon Freude, wenn sich das Ding verwindet (wie man auf dem Foto vielleicht sah), etc. usw. usf.

Lustig wird werden, wie man alles praktisch durchzieht, mißt und aufzeichnet. Reproduzierbar muß es auch sein; man will ja schließlich, wenn man zB verschiedene Pochgrade ausprobiert, das Ding wieder genauso mit Neigung und Wasserfluß etc. haben, wie es vorher war - oder verschiedene Neigungen und Wasserflüsse mit gleichen Pochgraden. Usw. usf. etc., und alles will ja auch aufgezeichnet sein.

Die Dorfer Erzbrüder machen leider keine Wäsche an sich, jedenfalls nicht nach dem Gesichtspunkt einer tatsächlichen Trennung, sondern nur, um die Systematik vorzuführen. Sie sind jedenfalls nicht weit weg, und hinfahren werde ich auf jeden Fall. Und ich fürchte, daß es in Altenberg nicht anders sein wird ("...geben die funktionsfähigen historischen Aufbereitungsmaschinen [...] einen eindrucksvollen Einblick...". Ich schreibe sie jedenfalls gleich mal an (danke für den Tip nebenbei!).

Kann ja schier nicht sein, daß das außer mir keiner macht.

Glückauf (und schöne Weihnacht)!

Re: Erzwäsche im Nachbau?

Verfasst: Do. 20. Dez 07 17:53
von Falafel
Die Aufbereitung in Altenberg ist ja wirklich hübsch, hat aber nichts mit Mittelalter zu tun. Auch bei den Literaturangaben ist weder Agricola und schon gar nicht Rösler und Ercker ein MA-Zeitzeuge! Leider sind mir auch keine zutreffenden Befunde oder Dokumente bekannt, die Dir weiter helfen würden. Ich habe nur eine ganze Menge Nachweise von Aufbereitungsanlagen im 14. / 15. Jh., die aber nicht auf technische Details eingehen.
Als erklärter MA-Bergbau-Historiker würde es mich natürlich sehr interessieren, wenn Du zu verwertbaren Ergebnissen kommst, zumal ich mich selber kaum mit dem Thema Aufbereitung auseinander gesetzt habe. :oops:

Glück Auf!
Stephan

Re: Erzwäsche im Nachbau?

Verfasst: Do. 20. Dez 07 19:30
von Kartan
Falafel hat geschrieben:Die Aufbereitung in Altenberg ist ja wirklich hübsch, hat aber nichts mit Mittelalter zu tun. Auch bei den Literaturangaben ist weder Agricola und schon gar nicht Rösler und Ercker ein MA-Zeitzeuge!
Das würde im Prinzip nicht so viel ausmachen, da sich an den Grundlagen über lange Zeit nicht wirklich groß was geändert hat, wenn man so will. So wären Erfahrungen untereinander durchaus abzuleiten; denn wie du ja selbst sagst, sieht es schon damit ...
Falafel hat geschrieben:Leider sind mir auch keine zutreffenden Befunde oder Dokumente bekannt, die Dir weiter helfen würden. Ich habe nur eine ganze Menge Nachweise von Aufbereitungsanlagen im 14. / 15. Jh., die aber nicht auf technische Details eingehen.
eben so aus, daß nur sehr wenig Hinweise auf das Aussehen wirklich originalgetreuer Anlagen bestehen; Abbildungen kann man ziemlich oft den Hasen geben, von irgendwelchen technischen Details ganz zu schweigen. Und so bin ich der Meinung (oder hoffe), daß es eventuell besser sei, erst praktische Erfahrungen mit einer sagenwir durchschnittlichen Standardrutsche zu sammeln und diese dann an ein eventuell nachzubauendes 'Original' anzuwenden, als umgekehrt. Und natürlich möchte ich durchaus nicht verhehlen, daß ich Ausbeute sehen will, daß das Ganze auch funktioniert (und zwar gut), und zwar auch als eventuell späteres 'Original'.
Falafel hat geschrieben:Als erklärter MA-Bergbau-Historiker würde es mich natürlich sehr interessieren, wenn Du zu verwertbaren Ergebnissen kommst, zumal ich mich selber kaum mit dem Thema Aufbereitung auseinander gesetzt habe. :oops:
Keine Frage; ich dokumentiere so gut wie möglich mit. Ich bin sehr der Auffassung, daß da jede Menge über alte Waschtechniken durch praktische Annäherung zu lernen ist. Leider ist da fast nix zu finden, aber vielleicht findet sich ja noch wer - ich kann ja auch keine Wunder erwarten.

Glückauf und gute Fahrten!

Re: Erzwäsche im Nachbau?

Verfasst: Mi. 26. Dez 07 8:41
von Monni
Hallo Kartan,

ich weiß nicht, ob ich Dir hiermit helfen kann. Folgendes stammt aus einer Verordnung aus dem ausgehenden 15. Jahrhundert


Man soll "guete lange wäschhäbt legn", diese sollten hinten weiter sein als vorne. Auch sollen sie hinten gute Leisten aufschlagen. Man soll "mittelmessiges wasser" aufkern, damit sich der "reich flinsen der prown" vom Erz nicht "liederlich hin schwentz". Weiters soll man auch unter jedem "wäschhäbt, nach dem wasser hin wenigst drey fall machen", darin kann sich der Flins und der Schlamm ansetzen um dann einmal die Woche erneut auf den Waschtisch geworfen zu werden. Mit wenig Wasser soll man ihn dann in einer eisernen Handkisten" nocheinmal waschen oder in einem Trog läutern. Danach soll man ihn unter den normalen Schlich mischen.

"Zwm achtn dy zagl so gemacht werdn auf dem wäschhäbt und man die auffschlecht auf dem wäschhäbt / auch ir souil wurd zweinander komen :?: ..." Die Gewerken konnten die "Zagl", die auf dem Waschwerk gemacht wurde, auch für einen "gewöhnlichen Zins" weitergeben, wenn sie sie nicht selbst "aufmachen" wollten.

Glück Auf
Monni

Re: Erzwäsche im Nachbau?

Verfasst: Di. 18. Mär 08 3:36
von Kartan
Monni hat geschrieben:ich weiß nicht, ob ich Dir hiermit helfen kann. Folgendes stammt aus einer Verordnung aus dem ausgehenden 15. Jahrhundert
Vielen Dank für die Anmerkung - der Sinn erschließt sich recht gut, wenn man bedenkt, daß es sich hier wahrscheinlich um sog. Herde handelt.

Jedenfalls, wir waren ziemlich fleißig, dh. wir haben nach einer Million Vortests betreff Neigung, Wasserfluß, Turbulenz, Einlagen, Stegabstand, Pochgrößen, Siebungen, Mürbröstung usw. usf. etc. pp. doch schon einmal ganz annehmbare Ergebnisse aufzureichen. Wir sind jedoch mit dem bisher Erreichten noch lange nicht zufrieden; wir wollen schon so gut wie die im Mittelalter werden.

Die Versuche laufen weiter; wir sind dennoch sozusagen bereits im 'produzierenden' Stadium angelangt. Hierfür werde ich wahrscheinlich bald eine eigene Unterseite anlegen, die das Ganze in der Tiefe beschreibt, damit auch andere Interessierte profitieren können. Da bis dahin aber wohl noch einiges Wasser unsere Saigen durchfließen wird, habe ich hier schon mal ein paar Fotos abgelegt: http://silberbergwerk-suggental.de/inde ... cdir]=2008 . Man blättere ein paar Bilder weiter - nach vielleicht fünf Bildern geht's dann mit der Erzrutsche los. Wir freuen uns natürlich auch über Kommentare im Gästebuch, hehe.

Man entschuldige auch, daß die Rückmeldung so lange gedauert hat - ich stecke bis über beide Ohren in dicken, fetten Aktenstapeln zum Eisenerzbergwerk Schönberg bei Freiburg, die alle katalogisiert werden wollen. Scheißarbeit, das - aber sehr notwendig. Vielleicht wird's ja dieses Jahr noch was mit einer Publikation.

Glückauf! Und allzeit feste Firsten!

PS. Irgendwie verreißt's das Link. Vielleicht so 'rum: <http://silberbergwerk-suggental.de/inde ... cdir]=2008>
Muß alles in eine Zeile. Ansonsten das Link oben, und auf "2008" gehen.

Re: Erzwäsche im Nachbau?

Verfasst: Di. 18. Mär 08 9:04
von markscheider
Gute Arbeit und gute Bilder!

Re: Erzwäsche im Nachbau?

Verfasst: Do. 10. Jul 08 10:37
von Kartan
markscheider hat geschrieben:Gute Arbeit und gute Bilder!
Oh, vielen Dank! Freut uns!

Wir dürfen inzwischen auch mit einer guten Ladung Stolz von uns behaupten, daß uns diese Experimente so viel Erfahrung gebracht haben, daß wir auch ziemlich arme Erze aufwaschen können bzw. die Art des Prozesses ganz gut im Griff haben. Und man könnte sagen, daß wir inzwischen auch große Hochachtung vor den mittelalterlichen Aufbereitern haben, und uns deren Schwierigkeiten beim Umgang mit manchen Erzen klarer geworden ist. Die normale Sicht eines 'Unter-Tage-Menschen' auf Bergwerke hat sich zudem sehr erweitert; viele vorher mitunter kryptische Gründe, warum mitunter reiche Erzgänge verlassen wurden, werden klar. Denn was bringen einem zB hohe (Konzentrat-)Silberwerte eines Erzes, wenn die Gangart störrisch, die Art der Verwachsung in der Gangart innig, die Unterschiede zwischen der Gangart und den Erzmineralien gering etc. pp. ist - außer dem Pochmeister Alpträume? Es wundert mich inzwischen nicht mehr, daß eher mindere Gänge begeistert abgebaut und reichere Gänge nebendran aufgelassen wurden. Doch, wirklich nicht.

Wir würden natürlich gern unsere Erfahrungen auf andere Erze anwenden. Wenn jemand bereit wäre, uns eine Ladung Erz aus einem bestimmten Bergwerk zu spenden, würden wir das gern testweise aufarbeiten. Besonders interessiert wären wir an einem Erz mit reinerer Quarzgangart (wir haben hier Schwerspat mit wenig Quarz), und auch an einem Erz, das geringe Anteile Fahlerz enthält, die nicht innig mit Bleiglanz verwachsen sind. Wir würden nämlich sozusagen gern die 'mittleren' Anteile in der Technik aufschlüsseln, was uns mit unserem Erz Schwierigkeiten bereitet, da wir da eine dicke Schwerpatfraktion haben. Ah, und da haben wir gleich ein gutes Beispiel zu Pochmeisters Alpträumen: Man stelle sich einen Gang mit der Gangart Schwerspat vor und darin fein verteiltes Fahlerz und vielleicht noch ein bißchen Eisenschlunz dazu. Kein Problem in einem Quarzgang, aber in Schwerspat, in Schwerspat... die Ausbeute wird enttäuschend sein und die Gewerken angenervt.

Aaaalso: Würde uns jemand Erz spenden? Porto ginge natürlich auf uns, und wir geben die Hälfte des Konzentrates (wenn's klappt) zurück.

Die oben genannte Bildergalerie http://silberbergwerk-suggental.de/inde ... cdir]=2008 hab' ich ein wenig erweitert; jetzt sieht man auch die Rutsche in Betrieb, Halbmakrobilder der Erzfraktionen, Bau eines Filters für das im Rundlauf geführte Wasser etc.

Zur Verhüttung erzähl' ich mal was bei Gelegenheit:). Zu Flußmitteln hätt' ich da ein paar Fragen, aber dafür mache ich, glaube ich, besser einen anderen Thread auf.

Glückauf und ein Hoch auf die Pochmeister des Mittelalters!