Lehesten
Verfasst: Do. 03. Aug 06 9:16
für alle, die beim diesjährigen kolloquium in lehesten mit dabei waren ein artikel über das vermutliche ende der dortigen schiefergrube.
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Niemand will neue Pumpen bezahlen
Thüringens einziges Schiefer-Besucherbergwerk droht unterzugehen
VON REDAKTIONSMITGLIED JENS VOIGT
Thüringen braucht Touristenattraktionen. Wo mit Schiefer verkleidete Häuser das Bild der Orte prägen, passt auch ein Schiefer-Besucherbergwerk gut ins Bild. Doch kaum zu glauben: Solch eine Attraktion droht gerade unwiederbringlich in den Fluten zu versinken.
Hohl- und Langkammerbau, Teufen, Schrämmen und Auffahren – wenn Werner Liebeskind erst mal loslegt, ist der Bergbau-Ingenieur in ihm kaum zu halten. „Mit Worten ist das nur schwer zu erklären“, sagt Liebeskind, „genau dafür gab's ja das Besucherbergwerk.“ Zur bergmännischen Aufklärung gesellte sich das Staunen: „Die Tropfsteine und Versinterungen dort waren eine einzige Pracht, fast so schön wie in den Feengrotten.“
Doch während das ehemalige Alaun-Bergwerk in Saalfeld von einem Besucherrekord zum nächsten eilt, herrscht am Schieferbruch von Lehesten (Landkreis Saalfeld-Rudolstadt) gespenstische Ruhe. Im November 2002, nach der Privatinsolvenz des letzten Betreibers, war Liebeskind mit der letzten 30-Mann-Gruppe die knapp 80 Meter im Förderkorb hinab gefahren. Seither lief die Suche nach einem neuen Investor. Doch schon bald könnte auch das buchstäblich überflüssig werden: Thüringens einziges Schiefer-Besucherbergwerk säuft ab.
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Ein „Schieferpark“ sollte es werden
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Ende März hatte eine Tauwasser-Flut die Elektrik der mächtigen Pumpen überspült, die die Schächte und Sohlen des 1973 gestarteten Untertage-Betriebs trocken hielten. Seitdem steigt das Wasser. Von der Sohle des Besucherbergwerks, die 577 Meter über Normalnull liegt, trennen es noch etwa 26 Höhenmeter. „Höchstens zwei Monate noch“, befürchtet Liebeskind, steht demzufolge das unterirdische Montanmuseum im Trockenen. Und das Wasser würde noch weiter klettern. Nach Berechnungen des Thüringer Bergamtes bis auf 604 Meter über NN, bevor es einen natürlichen Abfluss findet. Die Flut stünde damit 27 Meter hoch im Besucherbergwerk. Einzig das überirdisch angelegte technische Museum wäre dann noch ein Zeugnis den jahrhundertelangen Schieferabbaus in der Region.
In Lehesten, dem ehemaligen Grenzort am Rennsteig, ist nun die Aufregung groß. Für die Kleinststadt, in der 1993 der Schieferabbau eingestellt wurde, sollte dereinst das Projekt des „Thüringer Schieferparks“, mit Technischem Denkmal, Wander-Lehrpfaden und Besucherbergwerk, zumindest teilweise den touristischen Einbruch nach der Wende kompensieren. Gemeinde, Naturpark „Thüringer Schiefergebirge“, Land und die damaligen Vereinigten Thüringer Schiefergruben (VTS) zogen an einem Strang. Über eine Million Mark steckte man in das Technische Denkmal, 15 ABM-Leute werkelten über ein Jahr am Besucherbergwerk, das zum traditionellen Bergmannsfest im Juli 2001 mit Pauken und Schalmeien sowie dem damaligen Finanzminister Andreas Trautvetter als Ehrengast eröffnet wurde. Das Konzept schien aufzugehen: Rund 15 000 Besucher ließen sich im ersten Jahr in die Geheimnisse von „Rohsteinrutsche“ oder „Arschleder“ einweihen.
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„Da ist einiges schief gelaufen“
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Doch nach der Insolvenz von VTS und zugehörigem Betrieber des Besucherbergwerks offenbarte sich die Tücke der Konstruktion: Die VTS-Nachfolger mochten den ehemaligen Lehestener Betriebsteil nicht übernehmen, besorgten lediglich im Auftrag des Insolvenzverwalters den Pumpenbetrieb. Planmäßig bis Ende März. Danach sollte, weil der Insolvenzverwalter keinen neuen Auftrag ausgelöst hatte, die Bergsicherung Ilfeld übernehmen. Und bei diesem Konstrukt sei, wie Beteiligte heute sagen „einiges mächtig schief gelaufen“.
Aufgabe der Bergsicherung, so Bergamts-Referatsleiter Thomas Brand, ist eben nicht die Trockenhaltung eines auf bessere Zeiten hoffenden Besucherbergwerks. „Wir sind für die Sicherheit von Grubengebäude, Tagebau und Wasserführung zuständig“, macht Brand deutlich, „Tourismus ist nicht unser Geschäft“. Wer ein Besucherbergwerk haben wolle, müsse es auch bezahlen können – zum Beispiel die jährlich 40 000 Euro für den Pump-Betrieb. Wenn es Interessenten an der Fortführung der Gäste-Grube gäbe, würde man die „sehr gern“ unterstützen. „Bis dahin halten wir uns an unsere Aufgaben und den Abschlussbetriebsplan“, betont Brand. Letzterer sieht nach Ausräumen letzter „wasserschädlicher Einbauten“ nur eines vor: Fluten. Dass die Pumpen wenige Tage nach der Übernahme durch die Bergsicherung Ilfeld versagten, nachdem sie zuvor 30 Jahre ihren Dienst getan hatten, führt zu einigem Getuschel.
Das von der Naturparkverwaltung vorgebrachte Argument, mit dem riesigen See im Tagebau wäre das dortige FFH-Gebiet gefährdet, zieht aus Sicht des Naturschutz-Ministeriums nicht. Einzig Großes Mausohr und Mops-Fledermaus seien FFH-relevant, meint Sprecherin Katrin Trommer-Huckauf. Und diese Bewohner würden laut Untersuchung eines Fauna-Büros „problemlos nach weiter oben umziehen“. Naturschützer wenden ein, dass sich mit dem sich allmählich bildenden See das Mikroklima ganz klar verändere, die Zusammensetzung von Flora und Fauna außerdem. 200 Tierarten haben sich bisher auf dem Schiefer-Areal angesiedelt, darunter einige, die auch auf der Roten Liste bedrohter Arten zu finden sind.
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Auch Touristiker haben kein Geld
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„Nicht nur für den Naturschutz, auch für den Tourismus wäre das Besucherbergwerk wichtig“, bestätigt Yvonne Reißig vom Regionalverbund „Thüringer Wald“. Indes bleibt auch dem Regionalverbund nicht mehr als ein Appell und die Hoffnung auf eine Rettung in letzter Minute. Der Verbund hat nicht mal so einfach ein paar zehntausend Euro in der Hinterhand, die er in das Projekt schießen könnte. „An einer positiven Lösung wäre uns sehr gelegen“, betonen Regionalverbund und die Thüringer Tourismus GmbH in Erfurt gleichermaßen.
„Man hat sich nicht so gekümmert, wie es nötig gewesen wäre“, findet Rentner Liebeskind, der früher Betriebsleiter der Grube war. Aktuell, weil die Bergsicherung trotz seiner mehrmaligen Warnungen die Pumpen zu selten kontrollierte. Aber auch früher schon habe man manches schleifen lassen, weil Stadtrat und Bürgermeister, obwohl selbst Ex-Kumpel, die touristischen Potenziale der Bergbau-Tradition unterschätzt hätten. Anderswo hätten Besucherbergwerke bis zu 150 000 Gäste im Jahr, meint Liebeskind, „aber dafür muss man schon was machen“. Stattdessen sei weder auf externe Ideen wie eine Tagebau-Westernbahn eingegangen noch rechtzeitig auf Pläne reagiert worden, das Entwässerungssystem so umzustellen, dass statt der gesamten Grube nur noch die höchstgelegene Sohle samt Besucherbergwerk trocken bleibt und die Gäste statt mittels Förderkorb per Stollen vom Tagebau aus hineingelangen. „Mindestens 75 Prozent der Energiekosten“ ließen sich so sparen, hat der Ingenieur ausgerechnet. Das Wasser müsste dann nicht mehr 150, sondern nur noch 40 Meter nach oben gepumpt werden.
Noch schieben sich die Beteiligten überwiegend die Bälle zu statt gemeinsam nach einer Lösung zu suchen, die kaum mehr als 10 000 Euro pro Jahr kostet. Das Wasser in Lehesten steigt langsam, 20 Zentimeter am Tag. Aber irgendwann am Ende des Sommers wird es da sein – und ein Stück Geschichte des Thüringer „Blauen Goldes“ weg.
Den Touristen bleibt nur noch ein Blick in den einstigen Tagebau der Schiefergrube. Die Stollen untertage laufen allmählich mit Wasser voll, darunter auch das Besucherbergwerk. Der Tagebau war bis 1964 in Betrieb, der Abbau untertage bis 1993. FOTO:Jan-Peter Kasper/dpa
Quelle: Freies Wort
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Niemand will neue Pumpen bezahlen
Thüringens einziges Schiefer-Besucherbergwerk droht unterzugehen
VON REDAKTIONSMITGLIED JENS VOIGT
Thüringen braucht Touristenattraktionen. Wo mit Schiefer verkleidete Häuser das Bild der Orte prägen, passt auch ein Schiefer-Besucherbergwerk gut ins Bild. Doch kaum zu glauben: Solch eine Attraktion droht gerade unwiederbringlich in den Fluten zu versinken.
Hohl- und Langkammerbau, Teufen, Schrämmen und Auffahren – wenn Werner Liebeskind erst mal loslegt, ist der Bergbau-Ingenieur in ihm kaum zu halten. „Mit Worten ist das nur schwer zu erklären“, sagt Liebeskind, „genau dafür gab's ja das Besucherbergwerk.“ Zur bergmännischen Aufklärung gesellte sich das Staunen: „Die Tropfsteine und Versinterungen dort waren eine einzige Pracht, fast so schön wie in den Feengrotten.“
Doch während das ehemalige Alaun-Bergwerk in Saalfeld von einem Besucherrekord zum nächsten eilt, herrscht am Schieferbruch von Lehesten (Landkreis Saalfeld-Rudolstadt) gespenstische Ruhe. Im November 2002, nach der Privatinsolvenz des letzten Betreibers, war Liebeskind mit der letzten 30-Mann-Gruppe die knapp 80 Meter im Förderkorb hinab gefahren. Seither lief die Suche nach einem neuen Investor. Doch schon bald könnte auch das buchstäblich überflüssig werden: Thüringens einziges Schiefer-Besucherbergwerk säuft ab.
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Ein „Schieferpark“ sollte es werden
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Ende März hatte eine Tauwasser-Flut die Elektrik der mächtigen Pumpen überspült, die die Schächte und Sohlen des 1973 gestarteten Untertage-Betriebs trocken hielten. Seitdem steigt das Wasser. Von der Sohle des Besucherbergwerks, die 577 Meter über Normalnull liegt, trennen es noch etwa 26 Höhenmeter. „Höchstens zwei Monate noch“, befürchtet Liebeskind, steht demzufolge das unterirdische Montanmuseum im Trockenen. Und das Wasser würde noch weiter klettern. Nach Berechnungen des Thüringer Bergamtes bis auf 604 Meter über NN, bevor es einen natürlichen Abfluss findet. Die Flut stünde damit 27 Meter hoch im Besucherbergwerk. Einzig das überirdisch angelegte technische Museum wäre dann noch ein Zeugnis den jahrhundertelangen Schieferabbaus in der Region.
In Lehesten, dem ehemaligen Grenzort am Rennsteig, ist nun die Aufregung groß. Für die Kleinststadt, in der 1993 der Schieferabbau eingestellt wurde, sollte dereinst das Projekt des „Thüringer Schieferparks“, mit Technischem Denkmal, Wander-Lehrpfaden und Besucherbergwerk, zumindest teilweise den touristischen Einbruch nach der Wende kompensieren. Gemeinde, Naturpark „Thüringer Schiefergebirge“, Land und die damaligen Vereinigten Thüringer Schiefergruben (VTS) zogen an einem Strang. Über eine Million Mark steckte man in das Technische Denkmal, 15 ABM-Leute werkelten über ein Jahr am Besucherbergwerk, das zum traditionellen Bergmannsfest im Juli 2001 mit Pauken und Schalmeien sowie dem damaligen Finanzminister Andreas Trautvetter als Ehrengast eröffnet wurde. Das Konzept schien aufzugehen: Rund 15 000 Besucher ließen sich im ersten Jahr in die Geheimnisse von „Rohsteinrutsche“ oder „Arschleder“ einweihen.
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„Da ist einiges schief gelaufen“
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Doch nach der Insolvenz von VTS und zugehörigem Betrieber des Besucherbergwerks offenbarte sich die Tücke der Konstruktion: Die VTS-Nachfolger mochten den ehemaligen Lehestener Betriebsteil nicht übernehmen, besorgten lediglich im Auftrag des Insolvenzverwalters den Pumpenbetrieb. Planmäßig bis Ende März. Danach sollte, weil der Insolvenzverwalter keinen neuen Auftrag ausgelöst hatte, die Bergsicherung Ilfeld übernehmen. Und bei diesem Konstrukt sei, wie Beteiligte heute sagen „einiges mächtig schief gelaufen“.
Aufgabe der Bergsicherung, so Bergamts-Referatsleiter Thomas Brand, ist eben nicht die Trockenhaltung eines auf bessere Zeiten hoffenden Besucherbergwerks. „Wir sind für die Sicherheit von Grubengebäude, Tagebau und Wasserführung zuständig“, macht Brand deutlich, „Tourismus ist nicht unser Geschäft“. Wer ein Besucherbergwerk haben wolle, müsse es auch bezahlen können – zum Beispiel die jährlich 40 000 Euro für den Pump-Betrieb. Wenn es Interessenten an der Fortführung der Gäste-Grube gäbe, würde man die „sehr gern“ unterstützen. „Bis dahin halten wir uns an unsere Aufgaben und den Abschlussbetriebsplan“, betont Brand. Letzterer sieht nach Ausräumen letzter „wasserschädlicher Einbauten“ nur eines vor: Fluten. Dass die Pumpen wenige Tage nach der Übernahme durch die Bergsicherung Ilfeld versagten, nachdem sie zuvor 30 Jahre ihren Dienst getan hatten, führt zu einigem Getuschel.
Das von der Naturparkverwaltung vorgebrachte Argument, mit dem riesigen See im Tagebau wäre das dortige FFH-Gebiet gefährdet, zieht aus Sicht des Naturschutz-Ministeriums nicht. Einzig Großes Mausohr und Mops-Fledermaus seien FFH-relevant, meint Sprecherin Katrin Trommer-Huckauf. Und diese Bewohner würden laut Untersuchung eines Fauna-Büros „problemlos nach weiter oben umziehen“. Naturschützer wenden ein, dass sich mit dem sich allmählich bildenden See das Mikroklima ganz klar verändere, die Zusammensetzung von Flora und Fauna außerdem. 200 Tierarten haben sich bisher auf dem Schiefer-Areal angesiedelt, darunter einige, die auch auf der Roten Liste bedrohter Arten zu finden sind.
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Auch Touristiker haben kein Geld
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„Nicht nur für den Naturschutz, auch für den Tourismus wäre das Besucherbergwerk wichtig“, bestätigt Yvonne Reißig vom Regionalverbund „Thüringer Wald“. Indes bleibt auch dem Regionalverbund nicht mehr als ein Appell und die Hoffnung auf eine Rettung in letzter Minute. Der Verbund hat nicht mal so einfach ein paar zehntausend Euro in der Hinterhand, die er in das Projekt schießen könnte. „An einer positiven Lösung wäre uns sehr gelegen“, betonen Regionalverbund und die Thüringer Tourismus GmbH in Erfurt gleichermaßen.
„Man hat sich nicht so gekümmert, wie es nötig gewesen wäre“, findet Rentner Liebeskind, der früher Betriebsleiter der Grube war. Aktuell, weil die Bergsicherung trotz seiner mehrmaligen Warnungen die Pumpen zu selten kontrollierte. Aber auch früher schon habe man manches schleifen lassen, weil Stadtrat und Bürgermeister, obwohl selbst Ex-Kumpel, die touristischen Potenziale der Bergbau-Tradition unterschätzt hätten. Anderswo hätten Besucherbergwerke bis zu 150 000 Gäste im Jahr, meint Liebeskind, „aber dafür muss man schon was machen“. Stattdessen sei weder auf externe Ideen wie eine Tagebau-Westernbahn eingegangen noch rechtzeitig auf Pläne reagiert worden, das Entwässerungssystem so umzustellen, dass statt der gesamten Grube nur noch die höchstgelegene Sohle samt Besucherbergwerk trocken bleibt und die Gäste statt mittels Förderkorb per Stollen vom Tagebau aus hineingelangen. „Mindestens 75 Prozent der Energiekosten“ ließen sich so sparen, hat der Ingenieur ausgerechnet. Das Wasser müsste dann nicht mehr 150, sondern nur noch 40 Meter nach oben gepumpt werden.
Noch schieben sich die Beteiligten überwiegend die Bälle zu statt gemeinsam nach einer Lösung zu suchen, die kaum mehr als 10 000 Euro pro Jahr kostet. Das Wasser in Lehesten steigt langsam, 20 Zentimeter am Tag. Aber irgendwann am Ende des Sommers wird es da sein – und ein Stück Geschichte des Thüringer „Blauen Goldes“ weg.
Den Touristen bleibt nur noch ein Blick in den einstigen Tagebau der Schiefergrube. Die Stollen untertage laufen allmählich mit Wasser voll, darunter auch das Besucherbergwerk. Der Tagebau war bis 1964 in Betrieb, der Abbau untertage bis 1993. FOTO:Jan-Peter Kasper/dpa
Quelle: Freies Wort