Courrieres steht für Hilfe ohne Grenzen

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Fahrsteiger
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Courrieres steht für Hilfe ohne Grenzen

Beitrag von Fahrsteiger »

Courrieres steht für einen der schlimmsten Grubenunfälle Europas. 1099 Menschen starben dort vor 100 Jahren bei einer Schlagwetterexplosion. Die Katastrophe steht aber bis heute auch für internationale Solidarität. Denn Kumpel aus dem Ruhrgebiet eilten im März 1906 nach Nordfrankreich, um zu helfen, während über Tage Feindschaften gärten.
Eine Ausstellung in Herne greift Courrieres jetzt auf. In Zusammenarbeit mit dem Bochumer Bergbaumuseum und dem Gelsenkirchener Institut für Stadtgeschichte zeigt das Herner Stadtarchiv zeitgenössische Darstellungen, Filme und Ausrüstungsgegenstände rund um das Unglück.

> bis 2. Juni, di . u. fr. 10 - 14h: sa. u. so. 10 -16h. Herne, Martin-Opitz-Bibliothek, Berliner Platz 5, Eintritt frei
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kapl
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Beitrag von kapl »

Ergänzend von der Homepage des DBM




http://www.bergbaumuseum.de/dhtml/frame17.html



Courrières 1906 – Eine Katastrophe in Europa.
Explosionsrisiko und Solidarität im Bergbau

Am 10. März 2006 jährt sich zum 100. Mal die Bergwerkskatastrophe von Courrières (Nord-Pas-de-Calais), bei der etwa 1100 Bergleute den Tod fanden. Aus diesem Anlass veranstalten deutsche und französische Historiker eine Ausstellung sowie vom 17.-19. März 2006 eine wissenschaftliche Tagung im Deutschen Bergbau-Museum Bochum (Tagungsflyer 200kb) aus einem „transnationalen“ Blickwinkel.

Die Erinnerung an dieses Ereignis ist im Zusammenhang mit Fragen zur Genese der positiven deutsch-französischen Beziehungen zu sehen. Das „fragwürdige Schlagwort“ der „Erbfeindschaft“ wird in der gegenwärtigen Forschung vielfach gebrochen und durch Begriffe wie „Erbfreundschaft“, „Entente Elémentaire“ sowie „Allemagne Plurielle“ ersetzt. In Umkehrung des „Feind-Freund“-Antagonismus auf französischer Seite tritt das Begriffspaar „amis et ennemis“. Alle Begriffe bedürfen zweifellos genauerer historischer Anreicherungen und Unterfütterungen. In einem solchen Kontext kann auch die Bergwerkskatastrophe in Nordfrankreich neu gelesen und zugeordnet werden.

Bekanntlich ist die Tatsache, dass deutsche Grubenwehren der Ruhrgebietszechen Rheinelbe (Gelsenkirchen) und Shamrock (Herne) zu einem Zeitpunkt wachsender nationalistischer Spannungen zwischen beiden Ländern (Marokko-Krise) den Verunglückten und ihren Angehörigen zu Hilfe kamen, international vielfach beachtet und als ein Zeichen dafür gewertet worden, dass es Alternativen zu der schleichenden Nationalisierung gegeben habe. Diese Einschätzung muss freilich noch differenzierter und unter Berücksichtigung neuer Erkenntnisse der vergleichenden sozialgeschichtlichen Forschung überprüft werden. Mit Blick auf die in beiden Ländern aktuell voran getriebenen Forschungen, u. a. zu den Kommunikationsstrukturen der Zeit, zur Friedensforschung sowie zur neueren Sozial- und Kulturgeschichte, können, so die Hypothese, Einsichten gewonnen werden, die im Kontext der so genannten „transnationalen Geschichte“ bislang kaum beachtet wurden.

Den theoretischen und didaktischen Hintergrund bildet zusammenfassend die Überlegung, dass die Aufgabe des Historikers nicht nur sein kann zu fragen, wo, was, wie geschehen ist, sondern nach Spuren zu suchen, die in die Gegenwart reichen und somit Antrieb für den Entwurf von Zukunft sein können – Spuren, die gleichsam aus der Tiefe der Geschichte in den „Weg einer europäischen Gesellschaft“ einmünden. Die „Episode“ von Courrières kann bei einer solchen Sichtweise als Symbol für die Chancen und Grenzen von Verständigungsmöglichkeiten der beiden auf eine kriegerische Auseinandersetzung ausgerichteten Länder betrachtet werden. Im Rahmen der Tagung, in deren Mittelpunkt das Geschehen von Courrières stehen soll, sind solche neueren transnationalen Aspekte und Fragestellungen zu behandeln.

Die Ausstellung, die durch einen unfangreichen, bebilderten Führer begleitet wird, befasst sich mit folgenden Themen:

Das Explosionsphänomen im 19. Jahrhundert
Die deutsch-französische „Erbfeindschaft“
Annäherung an ein Risikophänomen des Steinkohlenbergbaus
Wissenschaftliches Explosionsverständnis vor und Anfang des 19. Jahrhunderts
Das Auftreten und Ausmaß der Schlagwetterexplosionen in Europa
Das Jahrzehnt der nationalen Schlagwetterkommissionen
Entwicklung des Grubenrettungswesens im 19. Jahrhundert
Das Muster gesellschaftlicher Katastrophenbewältigung

Courrières – Ursache, Verlauf, Bewältigung
Die potentiellen Ursachen und das regionale Umfeld
Die Abwicklung der Katastrophe und das Rettungswerk
Die Bergung der Leichen
Die Problematik der Eingeschlossenen
Die geretteten Bergleute
Die deutschen Grubenwehren in Courrières
Die Glorifizierung der Retter – Zur Begründung eines Mythos
Der gesellschaftliche Umgang mit der Katastrophe
Der Trauerkult
Administrative Untersuchung und Konsequenzen
Die zeitgenössische Instrumentalisierung der Katastrophe


Exkurs 1: Deutsche Katastrophen am Vorabend des Ersten Weltkrieges

Das Explosionsproblem in der Zwischenkriegsphase
Deutsch-französischer Antagonismus
Die Fortsetzung des Risikos und seiner Kompensation
Internationales Ringen um den präventiven und konstruktiven Explosionsschutz
Internationale Fortschritte des Grubenrettungswesens

Europäische Lösung des Explosionsproblems
Die Montanunion als Basis
Wissenschaftliche Fundierung der Grubengasforschung
Das Explosionsphänomen im geeinten Europa
Zum modernen Grubenrettungswesen
Der Mythos von Courrières und die Städtepartnerschaft zwischen Herne und Hénin-Beaumont


Exkurs 2: „Schlagende Wetter“ in der Literaturx

Ein offenes Ende: Das Schlagwetterproblem heute

Ausstellungsorte und -termine:

19. März -2. Juni 2006 Martin-Opitz-Bibliothek in Herne

11. Juni - 6. August 2006 Wissenschaftspark Gelsenkirchen



PDF Text hier:
http://www.bergbaumuseum.de/pdf/Plakat_Courrieres.pdf
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