Schacht Abteroda gibt es nicht mehr
Verfasst: Fr. 12. Aug 05 9:41
Schacht Abteroda gibt es nicht mehr
... denn Lottogewinner sind viel zu selten
Von der einst unter Denkmalschutz stehenden Kalischachtanlage Abteroda sind jetzt nur noch einige Trümmer übrig (in der Bildmitte die Schachtabdeckung). Mit dem Abriss verschwand ein für diese Region einmaliges Industriedenkmal von der Bildfläche. Nach Meinung der GVV sei die Anlage finanziell nicht zu halten gewesen. - FOTO: T. KLEMM
VON THOMAS KLEMM
DIPPACH – Die Kalischachtanlage Abteroda bei Dippach ist nur noch ein Haufen aus Stein und Schrott. Das in der Region einmalige Industriedenkmal wurde jetzt abgerissen, weil sich seit der Wende partout kein finanzkräftiger Nutzer finden wollte und der bauliche Zustand im Laufe der Jahre immer mehr zu wünschen übrig ließ.
Schon vor zwei Jahren hatte die Gesellschaft zur Verwahrung und Verwertung von stillgelegten Bergwerksbetrieben mbH (GVV) als Eigentümerin des Areals vor dem Verwaltungsgericht Meiningen eine Abrissgenehmigung erwirkt. Nun wurde der Gerichtsbeschluss in die Tat umgesetzt.
Die Denkmalschützer und Geschichtsinteressierten werden der Anlage sicher so manche Träne nachweinen. Wenn die Männer des Abrissunternehmens hier ihre Arbeit beendet haben, ist ein einzigartiges Zeugnis des Thüringer Kalibergbaus für immer von der Landkarte verschwunden.
In Abteroda wurde nur zwischen 1914 und 1922 Kalisalz gefördert. Dadurch bestand keine Notwendigkeit, die Anlage zu modernisieren und den aktuellen Arbeitsbedingungen anzupassen. Das Fördergerüst, die Kaue, das Fördermaschinenhaus, die Salzmühle und die anderen Gebäude sind deshalb bis zuletzt relativ komplett in ihrem ursprünglichen Zustand erhalten geblieben. Lediglich die 400 Meter tiefe Schachtröhre erfüllt bis heute eine „aktive“ Funktion als Wetterschacht für den Grubenbereich Springen.
Im Zweiten Weltkrieg wurden der Schacht und die Grube für die Produktion von Munition und BMW-Flugzeugmotoren genutzt. In dieser Zeit befand sich hier auch ein Außenlager des Konzentrationslagers Buchenwald. Danach fiel der Industriekomplex wegen seiner Lage im DDR-Sperrgebiet in einen Dornröschen-Schlaf.
Nach dem Zusammenschluss der beiden deutschen Staaten stellten die zuständigen Behörden fest, dass hier ein kulturhistorisches Kleinod schlummert und stellten es unter Denkmalschutz. In dem Schreiben des Thüringischen Landesamtes für Denkmalpflege vom 22. April 1994 heißt es: „Abteroda repräsentiert als einzige nahezu vollständig erhaltene Anlage im thüringischen Werragebiet die Kaliförderung und -verarbeitung des beginnenden 20. Jahrhunderts. … Die Architektur der Übertageanlagen widerspiegelt die gestalterischen Grundsätze der zeitgleichen, so genannten Industriearchitektur und wird damit baukünstlerischen Ansprüchen gerecht.“
Im September 1996 fand im Fördermaschinenhaus vor großem Publikum die Verleihung des Denkmalschutzpreises des Thüringer Ministeriums für Wissenschaft, Forschung und Kultur statt. Bei dieser Auftaktveranstaltung des damaligen hessisch-thüringischen „Tages des offenen Denkmals“ überboten sich die Redner in ihrer Würdigung von denkmalpflegerischen Leistungen.
Aber für Abteroda fehlte letztlich das Geld. Die Gründung einer Stiftung zum Erhalt der Anlage, angeschoben vom Leiter des Heringer Werra-Kalibergbau-Museums, lief ins Leere. Die Künstlergruppe „Phönix F“, die in Abteroda einige Jahre lang für Leben im Industriebau sorgte, zog 1999 wieder ab.
Nur noch ein Wetterschacht für Kali und Salz
Der Kali und Salz GmbH ist lediglich daran gelegen, dass die Röhre keinen Schaden nimmt, weil sie bis heute als Wettereinzugsschacht dient.
Und die GVV scheiterte immer wieder an dem Versuch, einen Investor zu finden. Noch nicht einmal zum Nulltarif wollte jemand die Anlage haben. „Alle Interessierten haben abgewinkt oder man hat nie mehr etwas von ihnen gehört, wenn die Finanzierung ins Spiel gebracht wurde“, sagte Konrad Güth vom zuständigen GVV-Nachsorgebetrieb Dorndorf. „Aus verständlichen Gründen: Wer in Abteroda richtig einsteigen will, der muss mindestens einmal im Jahr im Lotto gewinnen!“ Rund eine Million D-Mark, hat ein Essener Gutachter vor Jahren einmal ausgerechnet, würde die Sanierung kosten. Die Folge- und Unterhaltungskosten sind da noch nicht einmal mitgerechnet.
Bereits 1997 hatte der Sachverständige Diplom-Ingenieur Klaus-W. Möller festgestellt, dass „die erforderlichen Aufwendungen für die Sicherung der Gebäude in keinem Verhältnis zu möglichen Erträgen aus der Verwertung des Objektes stehen“. Dem folgten die Meininger Verwaltungsrichter in ihrem Urteil vom 23. August 2003 und stellten klar, dass „dem Eigentümer eine weitere Erhaltung und Unterhaltung nicht zugemutet werden“ könne.
Nach dem Thüringer Denkmalschutzgesetz sind Ensemble wie die Schachtanlage Abteroda, die „die menschliche Geschichte und Entwicklung für die Nachwelt erlebbar und erfassbar machen, als Quellen und Zeugnisse unter besonderen staatlichen Schutz zu stellen“.
Doch damit ist es nach dem Abriss – hauptsächlich aus finanziellen Gründen – endgültig Essig. Vor zwei Jahren gewann (wie erwähnt) die GVV vor dem Verwaltungsgericht Meiningen im zweiten Anlauf den Prozess gegen die Denkmalschutzbehörde und erwirkte die Abrissgenehmigung.
Der Abriss, die Entsorgung der Trümmer und die Sicherung der Schachtröhre kosten den Steuerzahler richtig viel Geld. Nach Aussage des Abteilungsleiters Finanzen der GVV-Hauptstelle Sondershausen, Ulrich Merx, wird sich das Ganze auf rund 120 000 Euro belaufen. Dieses Geld konnte erst im diesjährigen Finanzplan eingeordnet werden. Deshalb dauerte es 24 Monate vom Gerichtsbeschluss bis zur Umsetzung desselben.
Vor vier Wochen rückten die Mitarbeiter der Spezialfirma „Schachtbau Nordhausen GmbH“ an, um das Werk zu vollenden.
Die GVV-Mitarbeiter sind heilfroh, dass sie die Schachtanlage Abteroda endlich los sind. Das Fördergerüst war verrostet, durch die undichten Dächer der Gebäude tropfte das Regenwasser. Und es gab immer wieder Gäste, die sich unbefugt Eintritt verschaffen konnten. „Bei einer Kontrolle des Schachtgerüstes haben wir eines Tages bemerkt, dass irgendwelche Leute, vermutlich Jugendliche, sogar auf die Hängebank geklettert sein müssen. Wie sie dahin gekommen sind, ist uns schleierhaft“, sagte Konrad Güth. „Und immer wieder wurden Versuche unternommen, die Schachtabdeckung aufzubrechen. Nicht auszudenken, wenn einer in die Schachtröhre gestürzt wäre.“ Weil das Gelände nicht ständig bewacht werden konnte, wurde immer wieder eingebrochen. Rund 3000 Euro kosteten die jährlichen Sicherungsmaßnahmen. Insgesamt summierte sich die Sanierung und Sicherung für Abteroda auf rund 43 000 Euro. Dafür wurden ein Teil des Daches und die Dachrinnen erneuert sowie immer wieder Spuren der Einbrüche beseitigt.
Warum kam nichts ins Heringer Museum?
Von der historischen Schachtanlage nahe Dippach werden nur Teile der Fördermaschine für die Nachwelt erhalten bleiben. Diese wurden während des Abbruchs abgebaut und nach Sondershausen transportiert. Am Sitz der GVV-Zentrale will man ein großes Kalimuseum einrichten. Bei dem Gedanken bekommt allerdings der Leiter des Werra-Kalibergbau-Museums in Heringen, Hermann-Josef Hohmann, einen dicken Hals. „Warum“, fragt er sich, „werden Objekte aus dem Werra-Kalirevier in den Harz geschafft, wenn hier ein Spezialmuseum schon vorhanden ist, in dem man sich seit Jahren mit der Geschichte der Kaliindustrie beschäftigt?“ „Ganz einfach“, entgegnete Konrad Güth, „weil Herr Hohmann bei uns kein Interesse an irgend welchen Objekten aus dem Schacht Abteroda angemeldet hat“.
Quelle: Freies Wort
... denn Lottogewinner sind viel zu selten
Von der einst unter Denkmalschutz stehenden Kalischachtanlage Abteroda sind jetzt nur noch einige Trümmer übrig (in der Bildmitte die Schachtabdeckung). Mit dem Abriss verschwand ein für diese Region einmaliges Industriedenkmal von der Bildfläche. Nach Meinung der GVV sei die Anlage finanziell nicht zu halten gewesen. - FOTO: T. KLEMM
VON THOMAS KLEMM
DIPPACH – Die Kalischachtanlage Abteroda bei Dippach ist nur noch ein Haufen aus Stein und Schrott. Das in der Region einmalige Industriedenkmal wurde jetzt abgerissen, weil sich seit der Wende partout kein finanzkräftiger Nutzer finden wollte und der bauliche Zustand im Laufe der Jahre immer mehr zu wünschen übrig ließ.
Schon vor zwei Jahren hatte die Gesellschaft zur Verwahrung und Verwertung von stillgelegten Bergwerksbetrieben mbH (GVV) als Eigentümerin des Areals vor dem Verwaltungsgericht Meiningen eine Abrissgenehmigung erwirkt. Nun wurde der Gerichtsbeschluss in die Tat umgesetzt.
Die Denkmalschützer und Geschichtsinteressierten werden der Anlage sicher so manche Träne nachweinen. Wenn die Männer des Abrissunternehmens hier ihre Arbeit beendet haben, ist ein einzigartiges Zeugnis des Thüringer Kalibergbaus für immer von der Landkarte verschwunden.
In Abteroda wurde nur zwischen 1914 und 1922 Kalisalz gefördert. Dadurch bestand keine Notwendigkeit, die Anlage zu modernisieren und den aktuellen Arbeitsbedingungen anzupassen. Das Fördergerüst, die Kaue, das Fördermaschinenhaus, die Salzmühle und die anderen Gebäude sind deshalb bis zuletzt relativ komplett in ihrem ursprünglichen Zustand erhalten geblieben. Lediglich die 400 Meter tiefe Schachtröhre erfüllt bis heute eine „aktive“ Funktion als Wetterschacht für den Grubenbereich Springen.
Im Zweiten Weltkrieg wurden der Schacht und die Grube für die Produktion von Munition und BMW-Flugzeugmotoren genutzt. In dieser Zeit befand sich hier auch ein Außenlager des Konzentrationslagers Buchenwald. Danach fiel der Industriekomplex wegen seiner Lage im DDR-Sperrgebiet in einen Dornröschen-Schlaf.
Nach dem Zusammenschluss der beiden deutschen Staaten stellten die zuständigen Behörden fest, dass hier ein kulturhistorisches Kleinod schlummert und stellten es unter Denkmalschutz. In dem Schreiben des Thüringischen Landesamtes für Denkmalpflege vom 22. April 1994 heißt es: „Abteroda repräsentiert als einzige nahezu vollständig erhaltene Anlage im thüringischen Werragebiet die Kaliförderung und -verarbeitung des beginnenden 20. Jahrhunderts. … Die Architektur der Übertageanlagen widerspiegelt die gestalterischen Grundsätze der zeitgleichen, so genannten Industriearchitektur und wird damit baukünstlerischen Ansprüchen gerecht.“
Im September 1996 fand im Fördermaschinenhaus vor großem Publikum die Verleihung des Denkmalschutzpreises des Thüringer Ministeriums für Wissenschaft, Forschung und Kultur statt. Bei dieser Auftaktveranstaltung des damaligen hessisch-thüringischen „Tages des offenen Denkmals“ überboten sich die Redner in ihrer Würdigung von denkmalpflegerischen Leistungen.
Aber für Abteroda fehlte letztlich das Geld. Die Gründung einer Stiftung zum Erhalt der Anlage, angeschoben vom Leiter des Heringer Werra-Kalibergbau-Museums, lief ins Leere. Die Künstlergruppe „Phönix F“, die in Abteroda einige Jahre lang für Leben im Industriebau sorgte, zog 1999 wieder ab.
Nur noch ein Wetterschacht für Kali und Salz
Der Kali und Salz GmbH ist lediglich daran gelegen, dass die Röhre keinen Schaden nimmt, weil sie bis heute als Wettereinzugsschacht dient.
Und die GVV scheiterte immer wieder an dem Versuch, einen Investor zu finden. Noch nicht einmal zum Nulltarif wollte jemand die Anlage haben. „Alle Interessierten haben abgewinkt oder man hat nie mehr etwas von ihnen gehört, wenn die Finanzierung ins Spiel gebracht wurde“, sagte Konrad Güth vom zuständigen GVV-Nachsorgebetrieb Dorndorf. „Aus verständlichen Gründen: Wer in Abteroda richtig einsteigen will, der muss mindestens einmal im Jahr im Lotto gewinnen!“ Rund eine Million D-Mark, hat ein Essener Gutachter vor Jahren einmal ausgerechnet, würde die Sanierung kosten. Die Folge- und Unterhaltungskosten sind da noch nicht einmal mitgerechnet.
Bereits 1997 hatte der Sachverständige Diplom-Ingenieur Klaus-W. Möller festgestellt, dass „die erforderlichen Aufwendungen für die Sicherung der Gebäude in keinem Verhältnis zu möglichen Erträgen aus der Verwertung des Objektes stehen“. Dem folgten die Meininger Verwaltungsrichter in ihrem Urteil vom 23. August 2003 und stellten klar, dass „dem Eigentümer eine weitere Erhaltung und Unterhaltung nicht zugemutet werden“ könne.
Nach dem Thüringer Denkmalschutzgesetz sind Ensemble wie die Schachtanlage Abteroda, die „die menschliche Geschichte und Entwicklung für die Nachwelt erlebbar und erfassbar machen, als Quellen und Zeugnisse unter besonderen staatlichen Schutz zu stellen“.
Doch damit ist es nach dem Abriss – hauptsächlich aus finanziellen Gründen – endgültig Essig. Vor zwei Jahren gewann (wie erwähnt) die GVV vor dem Verwaltungsgericht Meiningen im zweiten Anlauf den Prozess gegen die Denkmalschutzbehörde und erwirkte die Abrissgenehmigung.
Der Abriss, die Entsorgung der Trümmer und die Sicherung der Schachtröhre kosten den Steuerzahler richtig viel Geld. Nach Aussage des Abteilungsleiters Finanzen der GVV-Hauptstelle Sondershausen, Ulrich Merx, wird sich das Ganze auf rund 120 000 Euro belaufen. Dieses Geld konnte erst im diesjährigen Finanzplan eingeordnet werden. Deshalb dauerte es 24 Monate vom Gerichtsbeschluss bis zur Umsetzung desselben.
Vor vier Wochen rückten die Mitarbeiter der Spezialfirma „Schachtbau Nordhausen GmbH“ an, um das Werk zu vollenden.
Die GVV-Mitarbeiter sind heilfroh, dass sie die Schachtanlage Abteroda endlich los sind. Das Fördergerüst war verrostet, durch die undichten Dächer der Gebäude tropfte das Regenwasser. Und es gab immer wieder Gäste, die sich unbefugt Eintritt verschaffen konnten. „Bei einer Kontrolle des Schachtgerüstes haben wir eines Tages bemerkt, dass irgendwelche Leute, vermutlich Jugendliche, sogar auf die Hängebank geklettert sein müssen. Wie sie dahin gekommen sind, ist uns schleierhaft“, sagte Konrad Güth. „Und immer wieder wurden Versuche unternommen, die Schachtabdeckung aufzubrechen. Nicht auszudenken, wenn einer in die Schachtröhre gestürzt wäre.“ Weil das Gelände nicht ständig bewacht werden konnte, wurde immer wieder eingebrochen. Rund 3000 Euro kosteten die jährlichen Sicherungsmaßnahmen. Insgesamt summierte sich die Sanierung und Sicherung für Abteroda auf rund 43 000 Euro. Dafür wurden ein Teil des Daches und die Dachrinnen erneuert sowie immer wieder Spuren der Einbrüche beseitigt.
Warum kam nichts ins Heringer Museum?
Von der historischen Schachtanlage nahe Dippach werden nur Teile der Fördermaschine für die Nachwelt erhalten bleiben. Diese wurden während des Abbruchs abgebaut und nach Sondershausen transportiert. Am Sitz der GVV-Zentrale will man ein großes Kalimuseum einrichten. Bei dem Gedanken bekommt allerdings der Leiter des Werra-Kalibergbau-Museums in Heringen, Hermann-Josef Hohmann, einen dicken Hals. „Warum“, fragt er sich, „werden Objekte aus dem Werra-Kalirevier in den Harz geschafft, wenn hier ein Spezialmuseum schon vorhanden ist, in dem man sich seit Jahren mit der Geschichte der Kaliindustrie beschäftigt?“ „Ganz einfach“, entgegnete Konrad Güth, „weil Herr Hohmann bei uns kein Interesse an irgend welchen Objekten aus dem Schacht Abteroda angemeldet hat“.
Quelle: Freies Wort