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Niederländer besaß Schloss und Zechen

Verfasst: So. 23. Jan 05 15:19
von alterbergbau.de
Niederländer besaß Schloss und Zechen

Das Herrenhaus von Schloss Steinhausen kam 1851 in den Besitz niederländischer Unternehmer, die auch in Zechen und Stahlwerke investierten. Heute ist das Haus ein Restaurant.

Niederländisches Kapital fließt ins Ruhrgebiet, auch nach Witten, und bringt den Wirtschaftsraum voran. Diese Nachricht ist nicht aktuell, sondern annähernd 150 Jahre alt und enthält Fakten, die selbst Historiker überraschen. Da gibt es die Geschichte von Jan Jacob van Braam, einst Herr auf Steinhausen, Geldgeber für Zeche Nachtigall und das Bergersche Gussstahlwerk.

Das neue Märkische Jahrbuch für Geschichte, das der Verein für Orts- und Heimatkunde vor wenigen Tagen vorstellte, enthält für Leser, die an Stadt- und Reviergeschichte interessiert sind, einen Beitrag über niederländische Investitionen im Ruhrgebiet zwischen 1850 und 1880, betitelt "Anlagefieber und Risikobereitschaft bei Jan Jacob van Braam".

Die Autorin ist Ursula den Tex, Urenkelin von C.J.A. den Tex, der selbst Geld und Zeit in deutsche Unternehmen steckte. Sowohl in der niederländischen als auch in der deutschen Fachliteratur fand sie nicht viel mehr als ein paar dürre Zeilen oder Fußnoten über die Unternehmer.

Laut Ursula den Tex lieferten niederländische Investoren einen wichtigen Beitrag zur Industrialisierung des Ruhrgebiets. "In einem Jahrzehnt verwandelte sich der gemächliche Pulsschlag einer ländlichen und kleinstädtischen Gesellschaft in einen Wirbel ungestümer industrieller Aktivitäten", schreibt die Historikerin. Daran beteiligt war Jan Jacob Braam ( 1805-1884), Spross der Elite Niederländisch-Ostindiens. Sein Traum war es, in Deutschland eine Burg oder ein Schloss zu erwerben.

1851 kaufte er "das schlossartige Herrenhaus Steinhausen in Bommern am Oberlauf der Ruhr gegenüber dem Städtchen Witten", heißt es in dem Beitrag. Miteigentümer wurde der Architekt Wilhelm Fromberg. Außer Steinhausen erwarb van Braam Bergwerksanteile: Vereinigte Nachtigall & Aufgottgewagt, Braunschweig Nordflügel, Leipzig und Luisenglück Ost. Alle Erwerbungen zusammen wurden Ludwig Freiherr von Elverfeldt für 290 000 Taler abgekauft.

Die Mehrheit der Anteile an der Zeche Vereinigte Nachtigall Tiefbau, die am 4. Mai 1854 gegründet wurde, besaßen van Braam und sein Landsmann Gerrit Vriese. Nach Vrieses Tod 1860 arbeitete den Tex als Partner van Braams, aber auch selbstständig. "Mit dem Gut Steinhausen verfügten die beiden Niederländer über ein Unternehmen, das auf eine glückliche Art Vergangenheit und Zukunftshoffnungen in sich vereinte. Das Gebiet um das Haus Steinhausen galt als ältestes Grubengebiet an der Ruhr. Hier gelangen die Flöze an die Erdoberfläche", schreibt die Historikerin, die auch berichtet, dass van Braam 1853 mit einem Aufwand von 20 000 Talern eine Brücke über die Ruhr schlagen ließ, die die Förderschächte unterhalb Steinhausens mit dem Bahnhof Witten verband.

Eine Textpassage: "Witten ist eines jener Beispiele kleinerer Orte im Ruhrgebiet, die ursprünglich über nicht mehr als einen Jahrmarkt als jährlichen Höhepunkt verfügten und die dann im Boom der industriellen Entwicklung hochgerissen wurden. Während des späteren 19. Jahrhunderts zählte Witten allein im Stahlbereich über 60 überlebensfähige Industrieunternehmen. Zu den großen Stahlbetrieben rechneten Berger & Co. und die Steinhauser Hütte."

Van Braam und den Tex halfen finanziell beim Aufbau des Gussstahlwerks. Die Familie Berger steuerte die Hälfte des Kapitals bei, die beiden Niederländer ein Drittel und ein Sechstel. Im Gründungsvertrag bekannten sich die Beteiligten zur Geheimhaltung.

Obwohl Ursula den Tex nur die finanzielle Seite bei den niederländischen Unternehmensbeteiligungen ermitteln konnte, vermutet sie, dass die Investoren mehr als nur Geld hineinsteckten. (KK) Der 104. Band des Märkischen Jahrbuchs für Geschichte (2004) können Nichtmitglieder für 25 E im Wittener Buchhandel oder direkt im Märkischen Museum, dem Sitz des Vereins für Orts- und Heimatkunde, erwerben.

Quelle : WAZ.de