Saiger?

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axel
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Saiger?

Beitrag von axel »

Aus aktuellem Anlass folgende Frage:

Was ist saiger? Mir ist bekannt, dass man es einfach mit "senkrecht" übersetzen kann!
Ist ein saigerer Schacht in jedem Fall senkrecht - sprich 90 Grad Einfallen? Wohl nicht, aber wo sind die Grenzen?
85 Grad? 80 Grad?

Der aktuelle Anlass: Ich "habe" einen Schacht (ausgehendes 18. Jahrhundert), welcher in aktueller Literatur und in Akten als saiger bezeichnet wird. Auf Rissen (leider habe ich bisher nur Grundrisse aufgefunden) ist dieser Schacht jedoch eindeutig nicht senkrecht. Aus der Darstellung ergibt sich ein Einfallen von ca. 74 - 75 Grad. Desweiteren ist der Einbau von Tonnenbrettern in den Akten vermerkt! Wichtig ist vielleicht noch, dass der Schacht verfüllt ist - man kann es also nicht vor Ort nachprüfen.

Glück Auf!
axel
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Friedolin
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Re: Saiger?

Beitrag von Friedolin »

Hallo Axel,

Du hast schon recht, saiger bedeutet nicht unbedingt 90°. Die Alten haben die Schächte im Gang aufgefahren, und sind dem Gang weitestgehend gefolgt. Dadurch ergaben sich tonnlägige Schächte mit unterschiedlichem Einfallen und auch Bögen (Kurven).
Als Saiger wurde dann schon ein Schacht bezeichnet, wenn er gerade verlief und ein gleichmäßiges Einfallen hatte.

So ist mir der Sachverhalt zu mindest bekannt.
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markscheider
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Re: Saiger?

Beitrag von markscheider »

Bei söhlig gibt es ja noch die Steigerung totsöhlig, doch bei saiger ist mir dergleichen nicht bekannt.

Karl-Marx-I in Zwickau wurde durch den Oberhohndorfer Sprung geteuft, so daß er im Laufe der Jahre dann immer mehr von der ursprünglichen Saigerlage abwich. Die genaue Schiefstellung ist mir nicht bekannt. DEr Schacht wurde deshalb aber noch lange nicht als tonnlägig bezeichnet, warum auch?

Aus meiner jüngeren Praxis sind mir Beispiele bekannt, wo Wetterbohrlöcher auf 300 m Teufe bis zu ca. 2 m abwichen.

Doch das alles paßt nur indirekt zu Deiner Frage. Ich würde den Schacht - bei der von Dir angegebenen Neigung - auch als tonnlägig bezeichnen.
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micha2
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Re: Saiger?

Beitrag von micha2 »

Friedolin hat geschrieben:...Als Saiger wurde dann schon ein Schacht bezeichnet, wenn er gerade verlief und ein gleichmäßiges Einfallen hatte...
Das will ich aber so nicht unkommentiert stehen lassen :shock:
Ich kenne eine (grobe, nicht allgemeinverbindliche) Definition dazu so:
Saiger: Der durchschnittliche Einfallswinkel ist größer als 75°
Tonnlägig: Zwischen 75° und 30°
Rampe: Zwischen 30° und ca. 7°
Aber wie gesagt: Das ist weder verbindlich noch zwingend!

Was der Eine noch als saigeren Schacht anspricht, ist für den Anderen schon ein steiler Tonnläger...
Was Einer (noch) als Rampe bezeichnet, ist für den Anderen nur eine stärker geneigte Strecke etc. usw.
Und ganz konfus wird es dann bei den gebrochenen Schächten :cool:

Wie so oft gibt es auch hier keine allgemeingültige Definition.
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Friedolin
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Re: Saiger?

Beitrag von Friedolin »

ja ich hätte schreiben müssen ...wenn er gerade verlief und ein gleichmäßiges steiles Einfallen hatte....

Die Graduierung kannte ich bisher nicht, klingt aber praktisch und einleuchtend.
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micha2
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Re: Saiger?

Beitrag von micha2 »

Friedolin hat geschrieben:Die Graduierung kannte ich bisher nicht, klingt aber praktisch und einleuchtend.
Tja, die stammt ja auch von mir :fant:
Oder ehrlicher/besser gesagt:
Wir hatten das Thema vor etlichen Jahren (in irgendeinem Uraltforum) schon mal.
Und wenn ich mich noch recht entsinne, saßen wir dann mal, nach dieser uralten Forendiskussion, pers. (Pfeffi, Maja, Thorsten, Krumi???) zusammen und haben uns auf diese "Graduierung" gütlich geeinigt?!?
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axel
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Re: Saiger?

Beitrag von axel »

Nun, das hilft ja weiter:

Ein Schacht mit einem Einfallen von 74 - 75 Grad liegt so ungefähr an der Grenze zwischen saiger und tonnlägig. Das bedeutet am aktuellen Beispiel, dass das auf dem Riss nachweisbare Einfallen nicht dem in den Akten vermerkten "saiger" widerspricht.

Viele Dank für die Hilfe!

Glück Auf!
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Re: Saiger?

Beitrag von micha2 »

axel hat geschrieben:Nun, das hilft ja weiter:
Ein Schacht mit einem Einfallen von 74 - 75 Grad liegt so ungefähr an der Grenze zwischen saiger und tonnlägig. Das bedeutet am aktuellen Beispiel, dass das auf dem Riss nachweisbare Einfallen nicht dem in den Akten vermerkten "saiger" widerspricht.
Ja, würde ich auch mal so sehen.
Und selbst wenn man schärfere Kriterien an die Definition von "Saiger" legen würde, z.B.: Einfallen >85°, könnte man noch mit einem gebrochenem Schacht kontern.
Und ganz konfus wird es dann bei den gebrochenen Schächten
Die Ersten 90m (von 100m) absolut senkrecht, die Letzten 10m tonnlägig... Mittelwert bei 75°...
Auch hier würde kein Mensch von einem Tonnläger reden!
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Björn
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Re: Saiger?

Beitrag von Björn »

Hier gab es die Diskussion:
Erbstollen oder Normaler Stollen?
Björn hat geschrieben: Die Definitionen stammen aus "Reuther - Lehrbuch für Bergbaukunde" und meinen Vorlesungsunterlagen.

Abhängig von der Neigung und der Bauart geht das dann über in

-Rampen/Wendeln bzw. Schrägstollen
-Schrägschacht bzw. Tonnenlägiger Schacht (mehr als 20gon, da hier nicht mehr mit Gurtförderer oder LKW gefördert werden kann)
-Saigerschacht

Und Wikipedia Spuckt das aus:
http://de.wikipedia.org/wiki/Saiger
* seiger (90 Grad).
* tonnlägig (45-90 Grad),
* flach fallend (steiler als 15 Grad)
* schwebend oder söhlig (kann ein geringes Gefälle zur besseren Wasserführung besitzen),
* totsöhlig (präzise horizontal).
Ich kenne Saiger für Schächte die mehr oder weniger 90° sind.


Björn
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Pochknabe
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Re: Saiger?

Beitrag von Pochknabe »

In meinem Schachtbau-Skript steht folgendes:
Stollen: Geringe Neigung (1:300)
Geneigte Strecken (Rampen und Wendelstrecken): Bis 12° Neigung
Schrägschächte, tonnlägige Schächte: 15 - 89° Neigung
Seigerschacht: Lotrecht
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René_M
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Re: Saiger?

Beitrag von René_M »

In den 12 Büchern des Herrn Agricola, fünftes Buch gleich am Anfang, wird der Unterschied seiger/tonnlägig beschrieben, zwar ohne irgendwelche Gradangaben aber auf den darauffolgenden 2 Seiten wird der Unterschied anhand der Zeichnungen deutlich gemacht. Ich würde auch den Ausführungen vom Pochknabe zustimmen.
Glück auf René
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micha2
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Re: Saiger?

Beitrag von micha2 »

Pochknabe hat geschrieben:Schrägschächte, tonnlägige Schächte: 15 - 89° Neigung
Dann wird's wohl so sein. Aber mal ehrlich, wer würde einen 89° einfallenden Schacht als Tonnläger bezeichenen???
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Re: Saiger?

Beitrag von alterbergbau.de »

Was wäre denn ein Schacht, der im Gang bzw. Schichteneinfallen mit 89° angelegt wurde?
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MichaP
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Re: Saiger?

Beitrag von MichaP »

alterbergbau.de hat geschrieben:Was wäre denn ein Schacht, der im Gang bzw. Schichteneinfallen mit 89° angelegt wurde?
"Pfusch am Bau"
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Björn
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Re: Saiger?

Beitrag von Björn »

Keine Schachtröhre ist 100% lotrecht.
Es gibt immer Abweichungen im Rahmen der Messgenauigkeit.
Und auch bei 89° wird man es noch hinbekommen den Korb lotrecht im Schacht nach unten zu bekommen (wenn er nicht zu tief ist) :party:

Das meinte ich mit "mehr oder weniger 90°"


Björn
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Re: Saiger?

Beitrag von alterbergbau.de »

Danke Björn :) ich meinte das zwar etwas anders aber lassen wir es dabei.
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Naheländer
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Re: Saiger?

Beitrag von Naheländer »

Friedolin hat geschrieben:
Du hast schon recht, saiger bedeutet nicht unbedingt 90°. Die Alten haben die Schächte im Gang aufgefahren, und sind dem Gang weitestgehend gefolgt. Dadurch ergaben sich tonnlägige Schächte mit unterschiedlichem Einfallen und auch Bögen (Kurven).
Als Saiger wurde dann schon ein Schacht bezeichnet, wenn er gerade verlief und ein gleichmäßiges Einfallen hatte.
Wie Friedolin schreibt kann es bei Schächten im Altbergbau schon mal komplizierter sein, einem Schacht eine exakte Defination zuzuweisen, da diese je nach Notwendigkeit (Auffahren im Gang) oder technischen Voraussetzungen schon mal in ihrem Verlauf vom saigeren zum tonnlägigen wechseln können und umgekehrt oder gar mehrmals

Ein schönes Beispiel findet sich in der folgenden französischsprachigen Publikation auf Seite 5.
http://www2.brgm.fr/Fichiers/Revue_01/mine%20europe.pdf

Dort ist ein mittelalterlicher Schacht aus dem 13. Jahrhundert abgebildet, denn man im ersten Abschnitt als saiger bezeichnen könnte, der aber nach ca. 6-8 Metern Teufe zum tonnlägigen Einfallen wechselt und den Winkel des Einfallens dann auch noch zweimal im weiteren Verlauf wechselt.


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Daniel
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"Und summa ist der Wein
in diesem Land zu gut
und sind gar vile
holdselig Leut allda"

Bergmeister Thein über die Pfälzer

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