Nach einigen Befahrungen mit viel Grübelei und vielen Gesprächen mit bekannten Bergbauinteressierten über jenes Thema – ohne dass wir zu brauchbaren Ergebnissen gekommen sind - nun mal die Frage an die „Öffentlichkeit“:
Wer kennt diese mehr oder weniger markanten Nischen, welche sich im liegenden Stoß von einigen Hornstätten (des Gangerzbergbaus) befinden einen unbekannten Zweck erfüllten, bzw. wer kennt diesen.
Wichtig:
Dieser Leitartikel ist nach Informationsgewinn und Disskusion bereits aktualisiert, bzw. wird dies sicher auch noch mehrfach.
Die Art des Vorgehens ist zwar aus der Not heraus geboren, dass ich/Mitstreiter kaum bzw. keine Zeit haben um im Archiv nach entsprechenden Informationen zu suchen. Davon Abgesehen kann sie aber auch als Versuch gewertet werden, Kenntnisse aus praktischer Befahrertätigkeit überregional zusammen zu fassen, weiterhin als Vorarbeit für theoretische Forschung und einer Zusammenfassung der Problematik.
Es kann sich jeder in diesem Forum unter Beachtung der Regeln, die für dieses Fachdiskusionsforum gelten, beteiligen. Wir freuen uns über jede konstruktive Mitarbeit, auch von Altbergbaufreunden, die mit dieser Problematik keinen direkten Kontakt haben.
Geplante Vorgehensweise:
Nach vortgeschrittenem Informationsgewinn und Diskussion über die verschiedenen Therorien habe ich mich in Absprache mit Helfern entschlossen Merkmale der Vorkommen zu erfassen und hier zu sammeln, um einen besseren Überblick über Gemeinsamkeiten und Unterschiede zu bekommen. So können verschiedene Vorkommen/Theorien ausgrenzt werden und zum anderen fehlende Informationen/Schlüsselinformationen besser erkannt werden. Eine zusammenfassender Artikel, mit oder ohne Erkenntnis über den Zweck wird irgendwann folgen.
Jeder kann Informationen beitragen, bzw. andere Vorgehensweisen vorschlagen, gern auch per PN.
Ziel:
- Prinzipiell soll eine Sammlung von praktisch und theoretisch gewonnen Lokalinformationen der einzelnen Vorkommen entstehen.
- Natürlich sollte der Zweck der Nischen geklärt werden.
- Evtl. kann daraus später eine Zusammenstellung entstehen, welche als Publikation auf dieser Seite bereitgestellt werden kann.
- Bergbauforscher aus anderen Revieren sollen animiert werden auf diese oder derartige Sonderheiten zu achten.
- Die Nutzung dieser Plattform für derartig überregionale, spezielle, aber auch komplexe Thematiken zu testen und eine geeignete Vorgehensweise zu erkunden, ist ebenfalls eine Zielstellung.
Merkmale der Nischen:
- im Liegenden der Hornstatt,
- versetzt zu der, für den Haspelknecht herausgeschlägelten Nische im Hangenden, also unmittelbar gegenüber des Rundbaumes der Handhaspel
- markante Form mit ähnlichen Abmaßen (BxHxT - 0,5-1m x 0,6-1m x 0,3-0,5m
- in Silbergruben(-abschnitten) mit vermutlich annähernd gleichem Alter, meist geschlägelte Profile, wahrscheinlich alle vor 1650
- in keinem der Gesenke gibt es Hinweise auf eine automatisierte Wasserkunst (z.B. Kunstrad, Göpel).
Aufzählung der Vorkommen und ihrer Merkmale:
Details zur Grube aus bekannten Gründen nur bei offiziel zugänglichen Anlagen.
Annaberger Revier
Mittlerer St. Briccius Stolln
Lage: Osthang Pöhlberg, Annaberger Revier, Sachsen
Auffahrungszeit: vor 1550
Lagerstätte: Gangerzbergbau auf Kupfer- und Silbererze
zuständiges Bergamt: Geyer, später Annaberg
Anzahl der Nischen: 2 vollendete, eine angefangene
Geometrie der Nischen: Nische 1 - 80 x 80 x 30; Nische 2 - 80 x 80 x 30 - siehe Skizze
Kurzbeschreibung:
Nische 1: Die einmännische Hornstatt befindet sich in einem kurzen Seitenort, das Gesenk hat vermutlich keine Verbindung zu einer tieferen Sohle und ist dementsprechend voll Wasser. Haspelreste haben wir vor Ort gefunden. Lampennischen und Auffahrungstechnik deuten auf eine Auffahrungszeit vor 1600. Die Strecke wird in einem Riss von 1707 schon als verbrochen / verfüllt dargestellt, letzteres war ja auch der Fall. Die in der Nähe gefundenen Spurnagelhölzer wurden auf 1511 datiert. Ob eine Holzbühne eingebaut war, ist schwer zu sagen, da in den Verfüllmassen Hölzer nur „wild“ lagen und nichts brauchbares an Informationen lieferten. Es handelt sich auch hier um eine relativ große Hornstatt. Die Nische befindet sich gegenüber des ehem. Haspelstandorts.
Die Skizze ist aus dem Gedächtinis gezeichnet und soll nur die Situation besser erläutern, d.h. sie stellt kein genaues Aufmaß dar.
Siehe Bild 1 und Skizze 1
Nische 2 und 3 befinden sich in einem langen Stollnflügel, sie sind ca. 20m auseinander.
Nische 2 ist in einer einmännischen Hornstatt, das Gesenk ist durchgebaut, mit Masse verfüllt aber wasserfrei.
Nische 3 ist nur angefangen, das Gesenk ist im engen Querschnitt von 1,6m x 0,8m ebenfalls nur angefangen und ca, 0,5m tief. Dieser Einzelfall könnte die Theorie A bestärken: während keine Spuren einer (angefangenen) Hornstatt vorhanden sind, steht das Herstellen der Nische im unmittelbaren Zusammenhang mit dem Beginn des Gesenkteufens.
Siehe Bild 2, Skizze 2, Bild 3 und Bild 4 - Fotos privat
Annaberg
Nische 1 im S. Stolln - Streckenprofil, Schlegelspuren, Lampennischen deuten auf einen Zeitraum vor 1700. Es handelt sich um eine enge Hornstatt. Haspelstandort ist eindeutig und genau gegenüber der Nische. Eine Nische für den Haspelknecht ist seperat im Hangendeden vorhanden. Die Nische ist verhältnismäßig groß: ca. 1m x 1m x 0,4m.
Siehe Bild 5 - Foto: H. Lausch
Nische 2 im S. Stolln - Die Nische hat eine eher kantig geschlagene Rückseite, während die anderen oft eine halbrunde Rückseite haben. Großes Streckenprofil. Es handelte sich hier um eine zweimännische Haspel. Die Nische ist zum Teil verfüllt die genaue Größe ist unbekannt.
Siehe Bild 6 - Foto: privat
Cunersdorf, Dorotheastolln
Silbergrube 16 Jhd.
Nische 1 - Zitat sehmataler:
Hier mal ein seltenes Beispiel einer mit 2,3 m relativ langen Haspelgesenk-Liegendstoßnische. Diese hätte als "Sitzgelegenheit" für 3 normalgewichtige Förderknechte locker ausgereicht. Dokumentiert 1993 im Dorotheastolln Cunersdorf, etwa 270 m vom Mundloch entfernt.
Zur genauen Beschreibung siehe Beitrag von sehmataler auf Seite 4.
Marienberger Revier
Marienberg/Wolkenstein
Altbergbaustolln auf Silber mit einer Hornstattnische. Auffahrungszeit ist hier auf alle Fälle vor 1765, aber vermutlich auch um 1600. Das Gesenk ist verfüllt, Haspelstandort schwer zu deuten. Eine relativ große Hornstatt. Nischenmaße: 1,1m x 1,1m x 0,45m (geschätzt, wird noch nachgemessen)
Siehe Bild 7 - Foto: privat
Marienberg/Wolkenstein
Silberstolln 16Jh.
Bei der ersteren Nische spricht die Größe und Formgebung der Sohle wieder für die Fördertheorie.
Soweit es auf der schnelle nachvollziehbar war (das Gesenk ist mit Einbauten aus der jüngsten Bergbauperiode - SAG Wismut - überprägt) ist sie ebenfalls gegenüber dem Standort der historischen Handhaspel.
Siehe Bild 8 - Foto: privat
Die Hornstatt in der sich die zweite Nische befindet ist bis ca. 0,5m mit Massen aufgefüllt. Deshalb kann man die ware Höhe und den Abstand zur Sohle nur schätzen.
Der Standort ist hier aufgrund der historischen Einbauten genau fest zu machen. Wie bei allen nachvollziehbaren Beisbielen ist er gegenüber der Handhaspel.
Siehe Beitrag hungerlieb Seite 4
Wolkenstein
Silbergrube 16. Jhd.
Zitat Robi: Die Nische (siehe unten) wurde genau vermessen und eine Sitzprobe gemacht. Man kann dort prima sitzen und durch die gebrochenen Kanten drückt es bei Belastung der Beine die Kante nicht in die Oberschenkel. Man sitzt wie in einem Sattel. Die Bretter muß man sich wegdenken. Sattdessen ruhten die Füße auf dem 20cm breiten Sims.
Siehe Beitrag von Robi - Seite 4
Schneebergber Revier
Da die Grubenanlagen im Stadtgebiet Schneeberg viele Ähnlichkeiten mit den älteren des Annaberger und Marienberger Reiviers haben, sind im Stadtgebiet wahrscheinlich auch Beispiele zu finden.
Zschorlau
St. Anna am Freudenstein, Silbergrube 16Jh.
Details siehe Beitrag Falk Meyer Seite 4
Deutungsversuche:
Nach neueren Erkenntnissen und ausführlicher Diskussion hat sich folgende Theorie als am wahrscheinlichsten herausgestellt:
Therorie A
Beim Schachtteufen oder beim Beginn des Teufens war keine Hornstatt vorhanden und die Nische war nur eine Erweiterung des Stollns um etwas mehr Platz für eine Förderung ohne Haspel, sondern mittels Seil / Seil+Umlenkung, zu erlangen. Die später entstandene Hornstatt überprägte die Nischen nicht und so können wir sie auffinden.
Für diese Auffahrungstechnologie müssten sich auch gegebenenfalls Belege finden lassen. Sowohl literarisch, als auch praktisch: (kleine) Reste solcher Nischen bei anderen Hornstätten, Hinweise auf eine Seilumlenkung etc.
Argumente dafür:
-Bei einigen Nischen ist eine scheinbare aussparung für die Beine / zumindest eine Abrundung der Kante deutlich ersichtlich.
-Die Nische befindet sich soweit es nachvollziehbar ist immer gegenüber des späteren Standortes der Handhaspel. Oder umgekehrt gesagt wurde der Standort der Haspel dem schon bestehenden Fördertrum angepasst.
-Bei der angefangenen Nische 3 in St. Briccius Stolln ist auch das Gesenk angefangen, jedoch keine Hornstatt vorhanden.
Argumente dagegen:
-soweit halb verschüttete Nischen nicht vermessen werden können kann man ihre Größe nicht als Gegenargument heran ziehen. Auch die geringe Tiefe muss kein Gegenargument sein, duch die teilweiße stattgefundene Überprägung kann sie verringert worden sein.
- sie ist nicht bei allen Gesenken zu finden - siehe Anmerkung - Absatz 2
Anmerkung zu dieser Theorie:
Nicht immmer wurde im Zuge einer Stollnauffahrung sofort ein Gesenk geteuft, umgekehrt kann auch der Stollnvortrieb zugungsten des Teufens geruht haben. So sind die Beispiele 2 und 3 im St. Briccius nur wenige Meter entfernt. Während bei Bsp. 2 ein wasserfreies, verfülltes Gesenk mit unbekannter Teufe und Nische für Haspelknecht vorhanden ist, findet man bei Bsp. 3 nur ein angefangenes, unscheinbares Gesenk, mit ca. 0,5m Teufe und einer angefangenen Liegenstoßnische, hingegen keine Haspelknechtnische. Dies stützt diese Theorie, sollte aber noch nicht als abschließender Beweis gewertet werden.
Auch ist zu beachten (und das könnte die Theorie festigen) ob das ursprünliche Stollnprofil im Zuge der Herstellung einer Hornstatt im liegenden erweitert wurde. Eine Hornstatt kann durchaus nur in eine Richtung erweitert sein, aber natürlich auch ins Liegende und ins Hangende. Bei Bedarf poste ich fotographische Beispiele. Davon ausgehend könnte man folgern, dass alle ins liegende erweiterten Hornstätten theoretisch die ursprünglich vorhandene Nische überprägten. Natürlich soll das nicht heißen, dass immer eine vorhanden war. Denn wenn man z.B. vor hatte einen langen Blindschacht zur nächsten Sohle an zu legen, von welchem aus evtl. auch noch Abbau auf Zwischensohlen erfolgen sollte, schlug man sicher gleich eine (zweimännische) Hornstatt heraus.
Theorie B
Möglich ist, dass es sich um eine sparsame, zweckmäßige Erweiterung der Hornstatt handelt, die die Förderung mit der
Handhaspel, bzw. das auskippen des Fördergefäßes erleichtert.
Agurmente dafür:
Dafür spricht, dass soweit man es deuten kann, die Nische sich immer genau gegenüber dem ehemaligen Haspelstandort befindet – also dort wo der Eimer normalerweise in einen Spurnagelhunt oder einen Laufkarren ausgekippt wird.
In einigen Beispielen ist die Strecke/der Stolln eng, eine Erweiterung scheint sinvoll.
Eine Kippvorrichtung/Halterung etc. wäre natürlich auch denkbar, für so etwas ist mir aber keine Quelle bekannt und deshalb recht spekulativ.
Argumente dagegen:
- bei der ersten Nische im Mittleren St. Briccius und mehreren Nischen in Marienberger Revier ist eigentlich genügend Platz für genannte Tätigkeiten, auch ohne Nische.
- Laufkarren passen nicht in die Nische, Sprunagelhunte hinein zu stellen und sie dann zu füllen um die Spurnagelbahn frei zu haben ist ebenfalls abwegig,
Theorie C
Wie Theorie B, allerdings aus Gründen der Wasserhaltung mittels einer einfachen Hand-/Schwengelpumpe.
Argumente dagegen
Dagegen spricht, dass soweit man es deuten kann, die Nische sich genau gegenüber dem ehemaligen Haspelstandort befindet und sich somit Haspel mit Fördergefäß einerseits und Kunstanlage anderseits im Wege wären.
Kennt jemand mehr von diesen Nischen? Wo, Ähnlichkeiten, besondere Hinweise, Deutungen…. usw.?
Ich werde, soweit ich Zeit und Lust habe, hier weitere Informationen sammeln und ordnen.
Glück Auf
Hungerlieb
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