Blindschacht oder Tagschacht???

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Schwarzer
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Beitrag von Schwarzer »

Blindschacht oder nicht???

In den Lehrbüchern Bergbautechnologie und Wissensspeicher Bergbau (beide von Roschlau und Heintze, herausgegeben von der SDAG Wismut und Lehrbuch für die Ausbildung im gesamten Kali- und Erzbergbau der ehem. DDR) ist der Begriff Blindschacht folgendermaßen definiert: „nicht zu Tage ausgehender Schacht“.
Nun dürfte diese Definition auch in der Bezeichnung von Schächten in den meissten deutschen Bergwerken auch so seine Anwendung gefunden haben, aber einige fallen halt immer aus der Rolle ;)
Und ein solcher Querulant ausgerechnet bei zwei (oder einem?) der modernsten Erzbergwerke der ehem. DDR :-o
In der ehem. Schwerspatgrube Brunndöbra gab es zwei Blindschächte:
Der Blindschacht I wurde mit vollem Schachtprofil bis zur Rasenkante hochgebrochen, die Förder-Hängebank wurde allerdings erst auf der darunter liegenden Sohle eingebaut.
Der Blindschacht II wiederum wurde auf einem bereits bestehenden „Wismut“-Schurfschacht hochgebrochen die Hängebank befand sich ebenfalls erst auf der ersten Sohle.
Soweit so gut: beide Schächte führen zwar nach übertage, aber die Förderung läuft blind.
Aber nun kommts: Ein alter Wismut-Hauptschacht wurde in dieser Grube Fördermässig ebenfalls nur als Blindschacht betrieben, ging aber nach wie vor als Hauptschacht durch :D
Nun könnte man ja durchaus meinen: „ das war ja früher mal ein Tagschacht und drum issers auch noch heute“
Aber der Betrieb setzte ja noch einen drauf ;)
In der vogtländischen Nachbargrube (Flusspatgrube Schönbrunn) teufte man einen zweiten Förderschacht, den Zentralschacht. Jener hat einen Förderturm, eine Rasenbank usw., allerdings die Hängebank befindet sich untertage und es wurde aus einem kurzem Stolln herausgefördert. Ergo wäre das nach der Philosophie meines ehem. Arbeitgebers nun wirklich ein Blindschacht gewesen.
Nun rätsel ich schon seit Jahren wann ein Blindschacht ein Blindschacht ist und wann ein Tagschacht ein Tagschacht ist, was meint Ihr dazu?
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Michael Kitzig (†)
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Beitrag von Michael Kitzig (†) »

zu dem thema hätt ich auch noch anzubieten:

Der Witte-Schacht der Grube Königszug im Scheldetal:
Förderung durch Stollen nach üT, Maschine uT auf der Stollensohle; seigere (!) Seiltrift, Seilscheiben genau auf Hangniveau üT (somit hat der Schacht eine Tagesverbindung)und der eigentliche Schacht ist.. tonnlägig!
(die Anlage wird heute noch von einer Firma, die darin Sprengschweißen vornimmt, unterhalten)

nicht sehr weit davon:
Grube Fortuna, auch Eisenerz, heute Besucherbergwerk.
Förderung über Stollen, der Schacht hat aber Verbindung nach üT und die Seilscheiben sind dort in einem Schuppen untergebracht.
Die Fördermaschine steht übertage.

im Harz:
der Kaiser-Wilhelm2 Schacht in Clausthal.
Hatte früher nur seine Förderung mit einer im Schacht befindlichen blinden Förderanlage mit Wassersäulenmaschine
UND eine komplette Förderanlage üT, da man nachträglich zur eigentlichen Planung doch noch zusätzlich eine Material/Personenförderung haben wollte.
(und es ist noch ein bisschen komplexer...)

in all diesen Fällen sprach man nicht von Blindschächten, aber von einer "blinden Förderung"!

ich glaube, darauf kann man sich einigen..
Schwarzer
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Beitrag von Schwarzer »

Tja ich denke schon das wir uns auf den Begriff "Blinde Förderung" einigen könnten ;)
Aber das ist letztlich uninteressant, in einem Grubenriss einer Dokumentation usw. werden Schächte ja schlechthin als Schacht "sowieso" oder Blindschacht "sowieso" bezeichnet, eben nach oben genannter Definition, darum finde ich solch abweichende Bezeichnungen sehr verwirrend (vor allem weil sie offiziell sind).
Die von Dir genannten Beispiele gelten ja offensichtlich als Tagschacht, was sie ja wohl auch sind ;)
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Michael Kitzig (†)
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Beitrag von Michael Kitzig (†) »

jein.
Am Königszug eben nur als TAGschacht, auf der Fotuna auch.
Der KW2 war TagesFAHR- und MATERIALschacht.
Sonst hat man Tages FÖRDER / PUMPEN / KUNST / WETTERschächte.
Ich denke, zur genauen Bezeichnung gehört eben auch die Funktion dazu!
Schwarzer
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Beitrag von Schwarzer »

Ich denke, zur genauen Bezeichnung gehört eben auch die Funktion dazu!
Genau das denke ich nicht :o Unter Saigerrissen und in Dokus wird immer die Funktion erwähnt, ungefähr so: Maischacht 244
Wetterschacht

wobei die Funktion immer unbedeudent ist und auf Rissen deshalb kursiv geschrieben ;)

Wichtig ist eigentlich nur die Bezeichnung: also entweder Blindschacht "sowieso" oder Schacht "... bis" als Blindschacht oder eben nur Schacht "sowieso" als Tagschacht.
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MichaP
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Beitrag von MichaP »

es funktioniert so nicht. entweder wir reden über große zeitspanne (mind. d. letzten 200 Jahre), dann haben wir einfach alles mögliche. oder wir reden vom "din-handbuch der markscheidekunde" und beschäftigen uns mit den letzten 50jahren.

die frage nach dem nutzen steht aus. was wollen wir? wollen wir eine regel finden, eine neu erstellen oder einfach nur mal vergleichen wie was wo so war?
dann ist die methodik immer eine andere, das sollte man im ernsthaften fall vorher mal klären.

tatsächlich kommt es oft vor, das die art eines schachtes mit in den namen einfließt (Im Harz z.b.: Blindschacht Königin Charlotte, Caroliner Wetterschacht, Maaßener Kunstschacht, Lautenthalsglück Neuer Förderschacht; im erzgebirge haben wir fbg z.b. "Thomas Kunst- oder Wiesenschacht", oder aber auch "St. Peter Fundschacht" (fundschacht ist sicherlich keine funktion, aber eine nähere erleuterung!) , die liste könnte aber endlos sein.) je jünger die risse werden, desto mehr gegliedert wird das ganze "Alte Elisabeth-Schacht; kleiner darunter: Kunst- und Treibeschacht; noch kleiner darunter: Wetterschacht.“
wir haben es also auch mit geschichtlichen entwicklungszeiträumen zu tun!

Mein persönliches fazit:
Es gibt bezeichnungen die als eigennamen anzusehen sind, die aus der geschichte des objektes heraus resultieren können, aber mit dem ist-zustand der verschiedenen zeitlichen bestände nichts zu tun haben müssen.
Die bezeichnungen die eindeutig die funktion eines schachtes wiedergeben und nicht eigennamen sind, sind veränderbar und dienen nur der genaueren objektbeschreibung.


Ps: Im risswerk sind erklärende bezeichnungen wie „blindschacht“ eigentlich überflüssig, da es dafür eindeutig symbole gibt. Aber na ja!
Glück auf!

Michael
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OHo
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Beitrag von OHo »

Recht hat er !!
GA OHo.
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Beitrag von Schwarzer »

Also natürlich gehts eher um die letzten 50 Jahre, wo man die Bezeichnungen genormt hat ;)
Was ich damit meinte ist ganz einfach folgendes: es wurden von vorn herein Tagesschächte angelegt in denen eine "blinde Förderung" stattfinden sollte, aber sind das dann nach TGL, oder DIN-Normen wirklich Blindschächte?
Was die Symbolik auf Rissen angeht stimmt das nicht ganz, klar sind solche Sachen auf Saiger oder Flachrissen zu erkennen auf Grundrissen aber kann es durchaus irreführend sein, und in nicht risslichen Dokumentationen dann ohnehin.
Ich füge mal ein Bildchen mit an und mich würde dann mal interessieren wie ihr den Riss interpretiert ;) Bild

Ps: Wichtig sind hier der Blindschacht und der Schacht244
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Haverlahwiese
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Beitrag von Haverlahwiese »

Es gibt noch einige Schächte mehr in den alten Bundesländern, die zwar zu Tage ausgingen, die Hängebank aber untertägig war bzw. die Tagesförderung ausschließlich über die Stollensohle ausgebracht wurde. Gründe hierfür waren zumeist Geländegegenbenheiten am Schachtansatzpunkt, die dieser Art der Förderung nötig machten bzw. günstiger erscheinen ließ.
Weitere Beispiele: Schacht Carlsfund I (Kaliwerk!), Schacht Finkenkuhle, Schacht Georg-Friedrich (hier Förderung über einen sogar 2500m langen Tagesförderstollen, der die kürzeste Trasse der Erzbahn bildete, sogenannter Schröderstollen) oder der Ostschacht Lautenthalsglück (hier Situation in Hanglage ähnlich wie oben beschrieben am Schacht Fortuna), der Kanekuhler Schacht...

Allesam gelten als Tagesschächte. Entscheidend ist das Austreten nach übertage, das Vorhandensein eines Schachtmundloches auf der Rasensohle, nicht eine Blindförderung oder eine untertägige Hängebank.

Anders herum gab es auch echte Blindschächte mit Tagesförderung über eine Stollensohle z.B. Ernst-August, Neuer Förderschacht, Serenissimorum-Tiefster und Richtschacht Rammelsberg. Hier treten die Schächte nicht nach übertage aus.

Interessant ist da noch das Beispiel Wiemannsbuchtschacht. Hier wurde ein Blindschacht später zum Tagesschacht, da auf ihn von übertage ein Schacht niedergebracht wurde.
Glück auf, Matthias

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Steffen
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Beitrag von Steffen »

Ist den nicht der entscheidende Unterschied zwischen einem Tagesschacht und einem Blindschacht,
dass halt nur bei einem Tagesschacht (= Verbindung zu Oberfläche) gleichzeitig auch Wetter
ein und ausfahren
können? (Ist doch sicher für den natürlichen Wetterzug von großer Bedeutung!?)
....bzw. nur bei einem Tagesschacht die Möglichkeit gegeben wäre eine Förderung oder Rettung
nach üT durchzufüren, ungeachtet der derzeitigen Nutzung? :nixdafür:

Ich möchte gern bekennen, dass ich eigentlich keine Ahnung und Erfahrung habe,
aber Eure Beiträge mit großem Interesse verfolge. :cool:
Glück Auf!
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markscheider
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Beitrag von markscheider »

Der Riß ist schon interessant - Blindschacht mit Rasenbank, das hat was. ;)

Bei der Wismut gab/gibt es - swiw - eine Regel: einmal vergebene Bezeichnungen werden nie geändert. +94 m-Sohle, die eigentlich auf +86 m liegt usw.
Und Bezeichnungen für Grubenbaue werden in der Projektierungsphase vergeben - wenn der Grubenbau dann später aus irgendwelchen Gründen die (namensgebende) Bezeichnung nicht rechtfertigt - egal, Pech gehabt.

Inwieweit dies auf die Flußspatgruben zutrifft, vermag ich nicht zu beurteilen. Meiner Meinung nach müßte aber die Signatur im Rißwerk nachgetragen werden, wenn ein Blindschacht zur Tagesoberfläche durchschlägig wird. Allerdings entspricht das Rißwerk der Wismut (je älte, desto mehr) nicht unbedingt der DIN oder TGL. Häufig wurden betriebliche Standards verwendet.
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