Aargau aktuell
Nur noch Fledermäuse dürfen hinein
Full-Reuenthal Baugesuch für die zweite Etappe der Gipsbergwerk-Stilllegung liegt öffentlich auf
Weiterer Schritt bei der Stilllegung des Gipsbergwerks in Full-Reuenthal: Derzeit liegt das Baugesuch für die zweite Etappe öffentlich auf, die den definitiven Verschluss und die Renaturierung der Stolleneingänge umfasst.
Über zwei Eingänge gelangte man früher in das mehr als 20 Kilometer lange Stollensystem des Bergwerks in Full-Reuenthal. Ein Stolleneingang ist mit einem Strässchen erschlossen, das leicht erhöht parallel zur Rheintalstrasse liegt. Die Zufahrt verhindert eine massive Barriere. Von diesem Eingang ist nichts mehr zu sehen. Er wurde bereits mit mehreren Kubikmetern Material zugeschüttet. Rund 100 Meter entfernt führt ein zweiter Eingang in das Stollensystem des alten Bergwerks. Das Stollentor ist indes nicht so einfach zu erreichen. Es befindet sich in einem kleinen Tobel. Kreuz und quer liegen Äste und armdicke Baumstämme im Weg. Und wer zum Stollen läuft, merkt nur anhand der verrosteten Schienen der Grubenbahn am Boden, dass er auf dem richtigen Weg ist. Doch dann ist man am Ziel, steht vor dem vergitterten Stolleneingang, dessen Portal an die Einfahrt in einen Eisenbahntunnel erinnert.
Flugöffnung für die Fledermäuse
Diese beiden Zugänge ins ehemalige Bergwerk sollen nun definitiv verschlossen werden. Auf der Gemeindekanzlei Full-Reuenthal liegt das vom Klingnauer Ingenieurbüro Schifferli verfasste Projekt, das anstelle der verrosteten Gitterstabtür beim alten Stollenzugang eine Betonscheibe zur Verschliessung vorsieht. «Damit die Fledermäuse das alte Stollensystem trotzdem nutzen können, wird eine Flugöffnung von 10 mal 50 Zentimeter offen gelassen», heisst es im technischen Bericht. Ausserdem werde ein Noteinstieg vorgesehen, damit das Stollensystem zu Kontrollzwecken noch begangen werden könne. Und um etwaigem Vandalismus vorzugreifen, werde die Tür in Chromstahl angefertigt. Beim bereits zugeschütteten Hauptzugangsstollen soll die Betonplatte vor dem Portal herausgerissen und der gegenüber dem Gelände abgesenkte Bereich mit Aushubmaterial aufgefüllt werden. Zudem ist vorgesehen, den parallel zur Rheintalstrasse verlaufenden Damm wieder aufzuschütten, damit zwischen Felswand und Strasse eine leichte Mulde entsteht, in der herunterstürzende Felsbrocken aufgefangen werden könnten.
Barriere kommt weg
Weiter sieht das Projekt die Entfernung der Barriere vor. Die aus Mergelschotter bestehende Zufahrtsstrasse soll aufgeraut und mit Gras angesät werden. Zwar seien das Wegführen des Mergels sowie ein Anhumisieren des Parkplatzes und auch des Zufahrtweges diskutiert worden. Weil aber in zehn Jahren die Entlastungsleitung, die sicherheitshalber aus dem Bergwerk geführt wurde, ausinjiziert werden müsse, sei die Lösung mit dem tragfähigen Rasenschotter gewählt worden, heisst es im Projektbeschrieb. Denn für die Arbeiten in zehn Jahren würden Baumaschinen und Baugeräte eingesetzt, für die sonst eine provisorische Transportpiste hätte erstellt werden müssen. Aufgegeben wird auch der Parkplatz bei der alten Verladerampe. Die Belagsreste werden entfernt, der Mergelschotter aufgeraut und Gras angesät, damit Rasenschotter entstehen kann. Die alte Mauer der Verladerampe bleibt bestehen, soll aber durch einen bepflanzten Wall verdeckt werden. Die erste Baubewilligung für die Stilllegung des Gipsbergwerks war vom Gemeinderat Full-Reuenthal bereits im Juni 1999 erteilt worden. In der Folge begannen die Arbeiten im Innern des Bergwerks, die mittlerweile abgeschlossen sind. So wurde der am tiefsten gelegene Stollenteil mit Betonabschottungen abgeschlossen. Dafür mussten drei Stollen mit 2,5 Meter dicken Betonscheiben aus sulfatresistentem Material verschlossen werden. Vier weitere Abschottungen wurden im vorderen Stollenbereich eingebaut. Ziel: die Flutung des Gipsbergwerks. Während sich der tief gelegene Stollenteil wegen eines massiven Wassereinbruchs schnell flutete, wird das Fluten des vorderen Bereichs länger dauern. Mit der Stilllegung in zwei Bauetappen geht eine mehr als 100 Jahre dauernde bewegte Geschichte zu Ende. Ursprünglich war das Bergwerk zur Gipsgewinnung angelegt worden. Nach der Erschöpfung dieser Vorräte stellte man auf die Gewinnung von Anhydrit für die Zementindustrie um. In den 70er- und 80er-Jahren nahm die bergmännische Bedeutung des Bergwerks immer mehr ab. Zwischenzeitlich nutzte die Firma Kuhn das Bergwerk als Ort für ihre Champignon-Kulturen. 1989 wurde das Bergwerk stillgelegt. Sodann gab es Pläne, das Stollensystem als Lager für Reststoffe aus Kehrichtverbrennungsanlagen zu verwenden. Zehn Jahre war dafür geplant und sogar ein detaillierter Umweltverträglichkeitsbericht erstellt worden. Und Mitte der 90er-Jahre erhielt das Reststofflager auch die Baubewilligung. Doch dann wurde dieses Projekt beerdigt. Weil sich der Markt im Abfall- und Deponiewesen grundlegend änderte, war dem Reststofflager gewissermassen die wirtschaftliche Basis entzogen worden. (rei)
ZT online, Mittwoch 23. April 2003
Aargau - Gipsbergwerk
-
- Foren-Profi
- Beiträge: 458
- Registriert: Do. 01. Aug 02 0:00
- Wohnort: Bad Windsheim
- Kontaktdaten: