Initiativkreis greift nun zu den Sternen
WAZ
Michael Kohlstadt
Seit die Essener Zeche und Kokerei Zollverein 2001 zum Weltkulturerbe erhoben wurde, sind die Erwartungen hoch. Damit sich die Schachtanlage zum tragfähigen Design-, Kultur- und Wirtschaftsstandort wandelt, versammeln sich viele Helfer unterm Förderturm. Jetzt auch der Initiativkreis Ruhrgebiet.
Wieviel Vision braucht Zollverein? Bei dieser Frage macht Hans-Peter Keitel keine Kompromisse. Der Vorstandschef des Baukonzerns Hochtief und Moderator des Initiativkreises greift gleich zu den Sternen. Zollverein müsse das Ruhrgebiet so ins Rampenlicht reißen, wie Frank O. Gehrys Guggenheim-Museum die spanische Industriestadt Bilbao. Und als Ideenschmiede für Design und Gestaltung sieht er Zollverein künftig sogar in Augenhöhe mit der Bauhaus-Bewegung.
Damit Visionen nicht nur fromme Wünsche bleiben, braucht man in der Regel harte Euros. Das weiß der Initiativkreis, ein Zusammenschluss 55 führender Unternehmen des Ruhrgebiets, nur allzu gut. Zwar können sich die Zollvereiner derzeit noch auf ein dickes Polster von 90 Mio Euro von Land und EU stützen. Doch in wenigen Jahren, wenn Ruhrmuseum, Design-Akademie und der von Star-Architekt Rem Koolhaas entworfene Masterplan für das 100 Hektar große Gelände Gestalt angenommen haben, wird auch dieser letzte Strom der Subventionen versiegt sein.
Deshalb will der Initiativkreis dem Weltkulturerbe nun den Weg weisen, wie es wirtschaftlich weitgehend auf eigenen Beinen stehen kann. Sachverstand dazu sucht man auf internationalem Parkett. Studenten von Wirtschaftsakademien, Universitäten und Fachhochschulen aus aller Welt wurden eingeladen, für Zollverein einen Business-Plan auszutüfteln. "Die Aufgabe ist, wie man Zollverein in die Rentabilität bringt", so Keitel. 17 Teams haben ihre Teilnahme an diesem Wettbewerb bereits zugesagt. Die Bewerbungsfrist endet am 30. April. Als Preisgeld winken 55 000 Dollar. Die drei Sieger-Teams werden im Januar 2004 gekürt. Ihre Entwürfe landen danach nicht in der Schublade. Sie fließen in das betriebswirtschaftliche Gesamtkonzept der Entwicklungsgesellschaft Zollverein ein.
Doch damit ist das Engagement des Initiativkreises, in dem Landesminister Michael Vesper einen "Quantensprung" für die Entwicklung des Industriedenkmals erkennt, keineswegs beendet. Für Zollverein will die Ruhrwirtschaft ihre internationalen Beziehungen spielen lassen und Investoren hierher locken. In Aussicht steht eine Partnerschaft mit dem New Yorker Museum of Modern Art. Und auch an längst verloren geglaubte Visionen traut sich Keitel heran. Warum, fragt er, könne man nicht die Design-Studenten der Universität Duisburg-Essen auf Zollverein unterrichten?