Grenzwerte für Gase (TRGS 900, AGW, TWA, STEL, MAK,..)

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Salzhase
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Re: Grenzwerte für Gase (TRGS 900, AGW, TWA, STEL, MAK,..)

Beitrag von Salzhase »

Hallo,
bei der Diskussion über vertretbaren Werte für CO2 will ich eine kurze Geschichte beisteuern
um die Gefährlichkeit zu verdeutlichen.
Bei uns im Kalibergbau ist CO2 eine allgegenwertige Gefahr und es kommt immerwieder
zu tragischen Todesfällen.
Der letze Tote aus meinen Heimatort wollte eher ausfahren und war knapp in der Zeit.
Was macht man? Man nimmt eine Abkürzung durch eine abgesperrte Strecke, fährt mit
dem Jeep durch eine Senke- der Motor geht aus-CO2!
Der Selbstretter liegt natürlich vorschriftswiedrig auf der Rücksitzbank.
Er steigt aus um nach hinten zu gehen, zwei Schritte- aus, tot
Daraus möge nun jeder seine eigenen Schlüsse ziehen

Glück Auf
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Wicküler
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Re: Grenzwerte für Gase (TRGS 900, AGW, TWA, STEL, MAK,..)

Beitrag von Wicküler »

Danke für den Bericht.
Gibt es Info zu den Messwerten der Co2 Konzentration im Unglücksbereich ?
Glück Auf
Wicküler
MatthiasM
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Re: Grenzwerte für Gase (TRGS 900, AGW, TWA, STEL, MAK,..)

Beitrag von MatthiasM »

Ohne die Meßwerte zu kennen und ansonsten mit Erfahrung "nur" von Feuerwehr ÜT und HöFo UT werfe ich wieder den Vergleich mit dem typischen Silounfall in die Runde: Motor und Fahrer gehen von jetzt auf gleich aus wegen Sauerstoffmangel, nicht ursächlich wegen CO2-Vergiftung. Hier ist zwar das CO2 ursächlich, aber v.a. für die Verdrängung des Sauerstoffs im CO2-See. Bei genug Restsauerstoff wären weder Motor noch Fahrer schlagartig "ausgegangen". Bei 79% CO2 und 21% O2 läuft ein Verbrennungsmotor fröhlich weiter.

Von jetzt auf zwei Atemzüge später "aus" ist bei diesem Gasangebot i.d.R. immer massivstmöglicher Sauerstoffmangel, daß in der Senke das verdrängende Gas hier CO2 ist, ist da schon fast Nebensache. Könnte ÜT z.B. ebenso Stickstoff von der ausgelösten automatischen Löschanlage im Rechenzentrum sein, ein Flüssiggassee wegen einer Butanflasche im Keller und und und...

Von der Messung nur von CO2 auf die Sauerstoffkonzentration zu schließen und umgekehrt halte ich im (Alt)bergbauumfeld und der Höhlenforschung nach wie vor für extrem gewagt und riskant (Ausnahme vielleicht altbekannte Objekte mit bekannten und reproduzierbar beobachtbaren Sumpfszenarien, mir fällt da ein konkreter Schacht im Schwäbischen ein....K-Schacht in der Gustl...)

GA Matthias
Aditus
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Re: Grenzwerte für Gase (TRGS 900, AGW, TWA, STEL, MAK,..)

Beitrag von Aditus »

Hallo,

bezüglich der (ungenauen) Korrelation zwischen Sauerstoff und Kohlenstoffdioxid habe ich mal eine chemische Reaktion angehängt, die häufig im Minette-Revier vorkommt: Oxidation von Pyrit gekoppelt an eine Auflösung der Carbonate.

Theoretisches Verhältnis: O2-Verbrauch/CO2-Freisetzung = 1,875
In diesem Fall wird also mehr O2 verbraucht, als CO2 freigesetzt wird und die Gefahr eines Sauerstoffmangels unabhängig von CO2 ist sehr hoch.
Dateianhänge
Reaktion_Altbergbau.png
Reaktion_Altbergbau.png (4.24 KiB) 7743 mal betrachtet
Zuletzt geändert von Aditus am Mo. 05. Feb 18 22:13, insgesamt 2-mal geändert.
Glückauf

Sven
MatthiasM
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Re: Grenzwerte für Gase (TRGS 900, AGW, TWA, STEL, MAK,..)

Beitrag von MatthiasM »

Hallo Sven,

interessanter Mechanismus! Ich sag ja immer, wenn man UT auf Sicher gehen will, muß man beides messen. Und es schadet offensichtlich nicht, sich mit der Geochemie seines Reviers auseinanderzusetzen. An solche Mechanismen hätte ich als HöFo im normalen Karst nicht gedacht.

lG oder Glück auf (oder Höfomäßig Glück tief / Gut Schluf)
Matthias

PS.: Du bist ganz frisch hier und dem Avatar nach dürftest Du den Alterdurchschnitt im Forum etwas drücken :D - wenn Du magst, wäre es nett, wenn Du Dich z.B. im Füllort kurz selber vorstellst :top:
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Re: Grenzwerte für Gase (TRGS 900, AGW, TWA, STEL, MAK,..)

Beitrag von Harzer06 »

Salzhase hat geschrieben: Mo. 01. Jun 15 23:22 Hallo,
bei der Diskussion über vertretbaren Werte für CO2 will ich eine kurze Geschichte beisteuern
um die Gefährlichkeit zu verdeutlichen.
Bei uns im Kalibergbau ist CO2 eine allgegenwertige Gefahr und es kommt immerwieder
zu tragischen Todesfällen.
Der letze Tote aus meinen Heimatort wollte eher ausfahren und war knapp in der Zeit.
Was macht man? Man nimmt eine Abkürzung durch eine abgesperrte Strecke, fährt mit
dem Jeep durch eine Senke- der Motor geht aus-CO2!
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Er steigt aus um nach hinten zu gehen, zwei Schritte- aus, tot
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Glück Auf
Salzhase
Moin,

sofern es sich um einen Filter-Selbstretter gehandelt hat, wäre er so oder so tot gewesen. Der wirkt nur gegen CO und nicht gegen Kohlensäure bzw. andere erstickende oder giftige Gase.

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markscheider
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Re: Grenzwerte für Gase (TRGS 900, AGW, TWA, STEL, MAK,..)

Beitrag von markscheider »

Harzer06 hat geschrieben: Mi. 20. Dez 17 19:00
Salzhase hat geschrieben: Mo. 01. Jun 15 23:22 Hallo,
bei der Diskussion über vertretbaren Werte für CO2 will ich eine kurze Geschichte beisteuern
um die Gefährlichkeit zu verdeutlichen.
Bei uns im Kalibergbau ist CO2 eine allgegenwertige Gefahr und es kommt immerwieder
zu tragischen Todesfällen.
Der letze Tote aus meinen Heimatort wollte eher ausfahren und war knapp in der Zeit.
Was macht man? Man nimmt eine Abkürzung durch eine abgesperrte Strecke, fährt mit
dem Jeep durch eine Senke- der Motor geht aus-CO2!
Der Selbstretter liegt natürlich vorschriftswidrig auf der Rücksitzbank.
Er steigt aus um nach hinten zu gehen, zwei Schritte- aus, tot
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Glück Auf
Salzhase
Moin,

sofern es sich um einen Filter-Selbstretter gehandelt hat, wäre er so oder so tot gewesen. Der wirkt nur gegen CO und nicht gegen Kohlensäure bzw. andere erstickende oder giftige Gase.

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Deshalb haben die im Kali (und wir auch) SSR90.
Sven G.
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Re: Grenzwerte für Gase (TRGS 900, AGW, TWA, STEL, MAK,..)

Beitrag von Sven G. »

... so sieht es aus ! Es handelt sich bei uns im Kali Bergbau um Umluftunabhängige Selbstretter !
Diese sind mit einer O2 Patrone versehen, welche sich bei Öffnen des Retters aktiviert. Kapazität liegt bei 45-50 min.
Mit kräftigen Spatenhieben nach ..................Unten wegtreten !
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Re: Grenzwerte für Gase (TRGS 900, AGW, TWA, STEL, MAK,..)

Beitrag von Friedolin »

Deshalb sind die Dinger auch so groß und landen auf dem Rücksitz.
Glück Auf !
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(alter Oberharzer Bergmannsspruch)
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Re: Grenzwerte für Gase (TRGS 900, AGW, TWA, STEL, MAK,..)

Beitrag von markscheider »

Friedolin hat geschrieben: Do. 21. Dez 17 18:19 Deshalb sind die Dinger auch so groß und landen auf dem Rücksitz.
An unseren Fahrzeugen gibt es Halterungen dafür. In der Regel an der Hecktür. Ja, man muß bei den meisten, neueren Fzg. erst absteigen, um an den Retter zu gelangen.
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Re: Grenzwerte für Gase (TRGS 900, AGW, TWA, STEL, MAK,..)

Beitrag von Mannl »

Ja, das geht dann so lange gut, bis es schief geht !
Kein Smilie da hier unpassend !!!
Der Selbstretter sollte unbedingt in unmittelbar erreichbarer Nähe sein !
Ich weiß allerdings auch wie die Praxis aussieht.
Ehre dem Bergmann, dem braven Mann !
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Re: Grenzwerte für Gase (TRGS 900, AGW, TWA, STEL, MAK,..)

Beitrag von markscheider »

Da haben sich viele Leute Gedanken drum gemacht. Letztendlich ist es aber wohl eine Frage der Handhabbarkeit - die neueren Fahrzeuge haben in Griffweite schlicht keinen Platz für das Gerät.
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Re: Grenzwerte für Gase (TRGS 900, AGW, TWA, STEL, MAK,..)

Beitrag von Mannl »

"....eine Frage der Handhabbarkeit...."

Sollte eher eine Frage des Überlebens sein ...
Ehre dem Bergmann, dem braven Mann !
Matti
lernt noch alles kennen...
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Re: Grenzwerte für Gase (TRGS 900, AGW, TWA, STEL, MAK,..)

Beitrag von Matti »

Das mit der Pyritverwitterung habe ich mir im Umfeld eines Kohlebergbaus auch schon überlegt. Hier strömt in einer (zum glück verschlossenen) Grube aus den Abbaufeldern sehr schlechte Luft (gemessene Extremwerte mit Dräger X-am 5600: 15.8% O2 und 2.48% CO2 !!)
Ich habe mir die Werte geloggt und es besteht hier ein direkter Zusammenhang zwischen 'zuwenig O2' und 'zuviel CO2', ich kam jedoch nicht auf die genauen Pyritverwitterungs-Werte - da in der Kohle aber weitere reaktive Stoffe sein können, gibt es sicherlich noch parallele Vorgänge.
Das von mir über ca 440 Messungen gemittelte Verhältnis lag bei 2.0 bis 2.25 - es veränderte sich also leicht (je schlechter die Luft, desto höher war das Verhältnis).

Bisher habe ich aber überall wo schlechte Luft herrschte einen direkten Zusammenhang zwischen O2 und CO2 beobachtet, dies muss aber sicherlich nicht immer so sein.
Meine Untertage-Fotos: http://www.bergwerke.ch
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Re: Grenzwerte für Gase (TRGS 900, AGW, TWA, STEL, MAK,..)

Beitrag von Friedolin »

@Matti
Doch, das ist immer so!
Es gibt nun mal nur 100% zu verteilen und wenn ein Gas zunimmt, muss ein Anderes abnehmen.
Da CO2 den Sauerstoff verdrängt, wird der weniger.
Glück Auf !
Friedhelm
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Aditus
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Re: Grenzwerte für Gase (TRGS 900, AGW, TWA, STEL, MAK,..)

Beitrag von Aditus »

Nun ja, es kann aber auch der Fall sein, dass sowohl Sauerstoff als auch Stickstoff verdrängt wird: Das CO2 wird über Tage in unmittelbarer Bodennähe durch Wasser absorbiert (liegt dann als Kohlensäure vor), sickert anschließend durch die Gesteinsschichten in das Grubengebäude und entgast dort langsam.

"Ausgehend von der Zusammensetzung der Luft (21 % Sauerstoff und 79 % Stickstoff, Verhältnis 1 : 3,76) bedeuten 2 % Verminderung des Sauerstoffs eine Verminderung der Luftkonzentration um 9,5 % (2 % Sauerstoff und 7,5 % Stickstoff), wobei diese Luft durch das ausgeströmte Kohlendioxid ersetzt wurde. Daher ergibt eine Reduzierung der Sauerstoffkonzentration um "nur" 2 % eine Kohlendioxidkonzentration von 9,5 %, was eine erhebliche Vergiftungsgefahr für alle in diesem Bereich anwesenden Personen bedeutet."

Quelle: http://www.oeigv.at/PDFs/EIGA-IGV-SI24-11-D.pdf (Safety Advisory Council Sicherheitsinformation 24/11/D)
Glückauf

Sven
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