In unserer Tageszeitung "Leipziger Volkszeitung" war heute ein Bericht über das Grubenunglück von Zwickau vor 54 Jahren. Als "Hintergrundinformation" waren auch andere größere Grubenunglücke in Deutschland aufgelistet, die nach dem WK2 passiert sind. Habe ich da eine Bildungslücke, was Annaberg, Johanngeorgenstadt und Bergen betrifft? Ich habe mich zwar nie wirklich mit dieser Thematik auseinander gesetzt aber wenn da was gewesen wäre, hätte man doch bestimmt schon irgendwo darüber gelesen ...
Hier der Auszug aus der Zeitung:
Grubenunglücke in Deutschland
20. Februar 1946: Bei einer Grubengasexplosion im nordrhein-westfälischen Bergkamen auf der Zeche Grimberg kamen 405 Bergleute ums Leben.
2. November 1949:
In der Urangrube in Annaberg in Sachsen starben 340 Bergleute.
24. November 1949:
In der Urangrube im sächsischen Johanngeorgenstadt kamen 220 Menschen zu Tode.
Februar 1952:
In der Urangrube bei Bergen in Sachsen wurden 162 Todesopfer registriert.
April 1952:
In der Kohlengrube in Zwickau kamen 48 Menschen ums Leben.
22. Februar 1960:
123 Bergleute verloren in Zwickau unter Tage ihr Leben.
7. Februar 1962:
Bei einer Schlagwetterkatastrophe im saarländischen Völklingen starben in der Grube Luisenthal 299 Bergleute.
24. Oktober 1963:
In Lengede (Niedersachsen) werden nach einem Wassereinbruch 129 Bergleute eingeschlossen, 29 sterben. Nach 14 Tagen werden noch elf Kumpel gerettet - das Wunder von Lengede..
1. Juni 1988:
In der Kohlengrube im hessischen Borken kamen 51 Menschen ums Leben.
1. Oktober 2013:
Im thüringischen Unterbreizbach kommt es in einer Kali-Grube in 700 Meter Tiefe zu einer Gasexplosion. Vier Bergleute können gerettet werden, drei weitere Kumpel kommen dagegen ums Leben.
GLÜCK AUF | NOBI
Der Berg ist frei. Wo eyn man eynfahrn will
mag her es thun mit rechte.
Wenn das mal nicht der revanchistischen Springer-Presse entnommen wurde!
Nein, für Annaberg und Johannstadt sind Unglücke dieser Umfänge nicht bekannt.
Aber auch hier (http://de.wikipedia.org/wiki/Liste_von_ ... im_Bergbau) finden sich fragwürdige Dinge. Ich befürchte, dass hier auch Erzählungen und Gerüchte veröffentlicht wurden
Oh Oh...
Diese Dinger halten sich einfach hartnäckig. Ohne jetzt einen Schritt zu weit gehen zu wollen und noch vor dem 1. Morgenkaffee - das Bergbaumuseum Bochum hat da mal einen ordentlich Murks verzapft!!
Mir fällt auf, das das "wirklich" geschehene Brandunglück in Schlema 1955 z.B. fehlt. Grad Johanngeorgenstadt ist durch nichts belegt, es wurde nur ein Brand ut. dermaßen aufgebauscht, das jetzt sowas rauskommt. Mei Schwiegeropa hat selbst 7 Jahre mit Unterbrechungen im Bereich Schacht 31b gearbeitet - oft unterhalten wir uns drüber.
Auch in der Johannstädter Feuerwehrchronik ist dieser Brand mit nur einem Toten hinterlegt.
Auf welcher Grundlage stehen diese im Artikel genannten Zahlen nur!??
Nur wer die Sehnsucht kennt, weiß was ich leide.
(CvD)
Mir scheinen dies Zahlen auch sehr übertrieben. Aus Erzählungen weiß ich, dass es schon tödliche Unfälle gab, aber in der ersten Zeit eher aus mangelnder Sachkenntnis im Bergbau.
Ein Bergmann aus Johannstadt hat erzählt, das die Zimmerung eines Überhauens während der Fahrung eingestürzt war. Dort hat es einige Tote gegeben ...
In den Unterlagen der Bergbehörde müsste da etwas zu finden sein !?
Es wird ja auch mit der Schreibweise vermittelt, dass es sich angeblich um ein Unglück in der entsprechenden Grube und genau an dem genannten Datum handelt. Eine "Urangrube in Annaberg" gab es ja wirklich, und noch eine, und noch eine ...
GLÜCK AUF | NOBI
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Natürlich, das sind Fakten. Es gab eine Urangrube und es gab den 02. November 1949. Die Kernaussage ist belegt. Es verging auch kein Tag, dass in Annaberg niemand starb. Nur das alles zusammen passt eben nicht.
Größere Grubenunglücke in der SAG/SDAG Wismut waren meiner Kenntnis nach der Brand auf Schacht 250 in Schlema und der Wassereinbruch auf Schacht 45 in Marienberg-Lauta. Beide zusammen hatten gottseidank nicht soviele Opfer, wie es allein am 02.11.49 hier gegeben haben soll. Es ist zwar unstrittig, das die sowjetische Administration so etwas gerne verheimlich hätte, jedoch Vorgänge dieser Art wären nicht geheim zu halten gewesen. Gehen wir also davon aus, dass alle drei Unglücke nicht den Tatsachen entsprachen oder stark übertrieben wurden.
Aja, man kann sich reichlich Unglücke aus der "Uranhölle des Erzgebirges" der 1940ziger Jahre in den Archiven der westlichen Presse ergoogeln. Es waren die Jahre der Propaganda. Der heiße Krieg war beendet, der Kalte begann gerade erst.
Wer das nicht versteht, zu dieser Zeit keinen Bezug findet, übernimmt solche Aussagen gedankenlos.
Ich wüsste nicht, was man dagegen tun sollte.
Zuletzt geändert von geophys am Fr. 21. Feb 14 9:45, insgesamt 1-mal geändert.
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geophys
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Zu Johannstadt muß man nur Teller lesen. Er listet von 1946 bis 1959 184 Tote untertage auf. Für da Jahr 1949 stehen hier 49 Tote. Das genannte Unglück war ein Brand des Fördermaschinenhauses vom Schacht 31 am 24. November. Der Fördermaschinist starb an einer Rauchgasvergiftung. Er war das einzige Opfer bei diesem Unglück.
In Annaberg soll es auch einen Grubenbrand gegeben haben. Sogar die Feuerewehr war angerückt. Man fand aber kein Feuer. Der Grund war, das am Parkstolln Laub und Reisig verbrannt worden und der Rauch mit den einziehenden Wettern in die Grube gelangte.
EnoM hat geschrieben:das Bergbaumuseum Bochum hat da mal einen ordentlich Murks
Diese Adresse ist eher berühmt berüchtigt. Die steht nicht gerade für Wahrheitsgehalt. Die Veröffentlichungen zum Wismutbergbau tendieren eher in die Richtung einer großen Tageszeitung.
ich bi noch aaner ven altn Schlog, on bleib aa, wi ich bi.
Der berühmte angebliche Brand auf Schacht 78 ist von mehreren Zeitzeugen belegt. Ausziehende Wetter brachten Rauch zu Tage. Die Annahme eines Brandes war also erst mal nachvollziehbar. Tatsächlich waren ein in den Parkstolln einziehende Rauchgase des besagten verbrannten Laubhaufens. Der Schachtleiter reagierte prompt und lies prüfen, wer sich noch in der Grube befinden könnte.
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Auch Mario Kaden veröffentlichte Statistiken über tödliche Arbeitsunfälle.
Zeitzeugen berichteten immer wieder über Sprengunfälle, Abstürze und Verschüttungen.
Halten wir uns vor Augen, dass 1949 ca. 20.000 Bergleute in und um Annaberg tätig waren.
Viele waren dienstverpflichtet und hatten keine bergmännische Ausbildung.
Es ist nicht unlogisch, dass daraus ein gesteigertes Unfallpotential erwuchs.
Es gab Bemühungen, dieses durch Arbeitsschutzschulungen und Hinweise einzuschränken.
Im BBW Markus-Röhling-Stolln kann man noch entsprechende Plakate sehen, die darauf abzielten.
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Ist ja richtig. Zeitzeugen sind so eine Sache. Teller hat aber für seine Statistik in der Stadtverwaltung Johannstadt, Todesanzeigen und Kirchregistern gesucht. Zu den Unfällen gehören auch die Reviere Neuoberhaus und Seifenbachtal. Er weist allerdings darauf hin, das später in Krankenhäusern verstorbene Bergarbeiter nicht erfasst sind. Die Anzahl der Toten kann also höher liegen. Da das Geschehen in Annaberg nicht anders wie in Johannstadt war, kann man sicher davon ausgehen, das die Unfallrate bezogen auf die Beschäftigten (Johannstadt 30.000) ähnlich war. Übrigens machen in Johannstadt die Sprengunfälle nur 20% aus. Mit 50% lag die Verschüttung an erster Stelle.
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Da aber ein Datum genannt war, geht es nicht um Unfälle.
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162 Totesopfer in Bergen (Streuberg) 1952???
Mein Opa und einige Bekannte waren damals in Bergen.
Bergen hatte 1952 ca. 600 Beschäftigte und da sollen 162 umgekommen sein?
Das sin ein Viertel der Belegschaft.
Ich bin der Meinung, wenn das stimmen würde, währe es hier im Nachbardorf bekannt.
Na doch. Es geht aber um einen Unglücksfall am besagten Tag der die genannte Anzahl an Opfern gefordert haben soll. Man meint sicher nicht alle Verunfallten bis zu diesem Tag.
@Vogtländer
Genau. Das wüsste man auch noch nach Jahrzehnten.
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Uran hat geschrieben:Das genannte Unglück war ein Brand des Fördermaschinenhauses vom Schacht 31 am 24. November. Der Fördermaschinist starb an einer Rauchgasvergiftung. Er war das einzige Opfer bei diesem Unglück.
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Möchte noch mal aus meiner Sicht etwas zum Zwickauer Grubenunglück schreiben.
Der 22. und der 23. Februar sind oft Tage an denen Unglücke im Bergbau passieren - vor allem, wenn sie am Wochenanfang liegen. Früher war mal der 23. Februar der Schalttag. Wenn der Druck von unten (Geo-Druck durch Gravitation) zu groß wird, kommt es zur Gasfreiwerdung. Das kann zum Beispiel auch im Kohlebergbau Methan sein (oder im Kalibergbau Kohlendioxid). Das ist dann nur eine Frage des Zufalls, wenn es zur Verpuffung (Methan und Kohlenstaub) kommt. Da gibt es keinen schuldhaften Menschen (Sündenbock). Es bleibt so 'ne Art Ohnmachts- oder Schuldgefühl zurück. Jedenfalls ist das Herz schwer.
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Also nochmal zurück zum Thema.
Unglücke/Unfälle mit mehreren Opfern in den Annaberger Objekten (4, 7, 13, 111) sind mir nur von Schacht 79 (Neuer Markus Röhling - Wassereinbruch [Quelle: Hörensagen], Sprengunfall bei der Teufe des Selbigen [Quelle: Zeitzeuge], Schurf oder Schacht 117 Absturz von Hilfskräften beim Abhängen eines Elektrokabels in den Schacht [Quelle: Zeitzeuge]) bekannt. Diese sollen allesamt vor 1950 geschehen sein.
Einzelfälle gab es reichlich und sie werden auch in vielen Quellen erwähnt. Eine belastbare Statistik dazu ist mir nicht bekannt. Wie auch in Johanngeorgenstadt waren es Verschüttungen, Sprengunfälle und Abstürze von Mensch und Material. Oft war von Unkenntnis und Leichtsinn dabei die Rede. Ein Fall eines gezielten Schusses eines sowjetischen Soldaten auf einen Buchholzer Bergmann, welcher den Heimweg abseits des vorgeschriebenen Weges zum Verlassen des Schachtgeländes wählte, war auch dabei. Aus dem Objekt 7 wurde ein Fall eines Todesurteils gegen einen Bergmann mit Vollstreckung in Moskau bekannt. Der Delikt war angebliche Spionage. Das Urteil wurde nach der politischen Wende durch ein Militärgericht revidiert.
Als größtes Wismut-Grubenunglück ist tatsächlich der Grubenbrand in Schlema mit 33 Opfern in vielen Quellen zu finden.
Also darf man die Darstellung der LVZ in Punkto Grubenunglücke der Wismut als falsch bezeichnen.
Zuletzt geändert von geophys am Fr. 21. Feb 14 18:00, insgesamt 2-mal geändert.
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Mal nüchtern betrachtet: Jeder Todesfall, auch 1949 und 1952, ist normalerweise in den Standesämtern des jeweiligen Unfallortes verzeichnet, ganz gleich, ob der/die Betroffene hier gemeldet bzw. wohnhaft war oder nicht. Die Angaben der Leipziger Volkszeitung dürften sich demnach sicher widerlegen (oder bestätigen) lassen.
milnaaer hat geschrieben:Jeder Todesfall, auch 1949 und 1952, ist normalerweise in den Standesämtern des jeweiligen Unfallortes verzeichnet, ganz gleich, ob der/die Betroffene hier gemeldet bzw. wohnhaft war oder nicht.
Eben nicht. Teller verweist ja extra darauf, das er über in Krankenhäusern gestorbene keine Daten hat. Unfall in Johannstadt, gestorben im Krankenhaus Chemnitz, beerdigt im Heimatort, er weiß wo. Dort wurde er dann auch im Standesamt registriert. Kann man sich alles recherchieren, ist allerdings fast eine Lebensaufgabe. Interessant wäre, woher die Leipziger Zeitung solche Zahlen hat. dazu kommt ja noch, das es eine völlig wilkürliche Auswahl ist.
ich bi noch aaner ven altn Schlog, on bleib aa, wi ich bi.
Solche Zahlen kann man in den Archiven der Tageszeitungen der westlichen Zonen in den Nachkriegsjahren finden. Tante Google, etwas Zeit und Geduld und du stößt auf diese Artikel. Insbesondere zwischen 1948 bis 1953 liefen die Propaganda-Maschinen auf Hochtouren. Auf beiden Seiten!
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Der Artikel stammt von einer "Romy Richter". Ich nehme einfach an, dass es sich um eine freie Journalistin handelt, die Artikel schreibt und dann möglichst oft an verschiedene Zeitungen verkauft. Es ist also anzunehmen, dass das so auch in anderen Gazetten geschrieben stand. in den "Dresdner Neusten Nachrichten" könnte es auch gestanden haben, denn die gehören ja zur LVZ.
Die LVZ selber gehört übrigens mehrheitlich der Mediengruppe Madsack, an der wiederum zu fast einem Viertel der Deutsche Druck- und Verlagsgesellschaft mbH gehört, welche wiederum 100% der SPD gehört. Es war, ist und bleibt eben irgendwie eine Parteizeitung - natürlich vollkommen frei in ihrer Berichterstattung ...
GLÜCK AUF | NOBI
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Und jetzt kennen wir auch die Quelle. Nach dem Krieg war das Ostbüro der SPD die erste Anlaufstelle in Westberlin für "Überläufer". Hier wurden die Leute vom BND erst einmal ausgequetscht. So geschehen auch mit dem Elektriker, der für den Brand in Johanngeorgenstadt verantwortlich war und sich ganz schnell nach Westberlin abgesetzt hatte. Aus dieser Quelle hat übrigens auch das Bergbaumuseum Bochum seine Informationen.
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Uran hat geschrieben:... So geschehen auch mit dem Elektriker, der für den Brand in Johanngeorgenstadt verantwortlich war und sich ganz schnell nach Westberlin abgesetzt hatte. ...
Kann man irgendwie auch verstehen.
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Mit Sicherheit waren darunter natürlich auch Leute, die dann ein wenig dick aufgetragen haben. Man wollte ja auch bedauert werden und erhoffte sich sicher mit solchen Informationen nicht nur Aufmerksamkeit.
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