Experimentelle Montanarchäologie?

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Geophon
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Experimentelle Montanarchäologie?

Beitrag von Geophon »

Aus dem Enger-Abbau-Thema hat sich mittlerweile eine größere Diskussion entwickelt. Um den alten Thread
damit nicht weiter damit zuzumüllen, und da das Thema sicherlich nicht nur für Freiberger interessant
ist, gebe ich hier den bisherigen Stand wider.

Anfang Dezember hatte ich bei einer Befahrung einen extrem schmalen Abbau gesehen, und gefragt, ob es
Erklärungen gibt, wie die Alten so etwas auffahren konnten. Nachdem einige Antworten dazu kamen, meinte
Witzi, dass wir den "Unsinn", den wir da von uns gegeben haben, mal in der Praxis ausprobieren sollten.

Daraufhin brachte Partikel den Vorschlag, dass man, unabhängig von diesem Objekt, überhaupt mal
praktische Versuche zur mittelalterlichen und frühneuzeitlichen Vortriebs- und Abbauarbeit durchführen
sollte. Dieses Projekt würde in die Kategorie "experimentelle Archäologie" fallen, und wäre
bestimmt auch für das LfA nicht ganz uninteressant. Wenn möglich, sollte daraus ein "offizielles" Projekt
werden, obwohl ich als nicht-GAGler nicht den Durchblick habe, in welchem Rahmen das möglich wäre.

Mittlerweile sind schon ein paar Ideen geäußert worden, was für Arbeitstechniken man denn untersuchen sollte,
und welche Bergwerke dafür infrage kämen. Daher fände ich es gut, das Thema weiter zu diskutieren und
Vorschläge zu sammeln, sowohl für zu untersuchende Fragestellungen, als auch mögliche Örtlichkeiten.
Im Idealfall könnten wir einen Fragenkatalog erarbeiten und dann mal sehen, was sich davon realisieren
lässt.

Ich wäre dafür, dass wir uns nicht nur auf "enge" Abbaue beschränken, sondern auch Stollnvortrieb usw. mit betrachten.
Als Werkzeuge kämen neben Schlägel und Eisen natürlich auch Keilhaue, Fimmel und Peuschel und sonstiges infrage.

Bisher vorgeschlagene Bergwerke:

-Dipps (ernsthaft?)
-Lehrgrube Reiche Zeche

Zu untersuchende Fragestellungen:

Wie ist es möglich, in so einem engen Abbau zu arbeiten?
Lässt sich lettige Masse mit verlängertem Werkzeug (Stangen o. ä) hereingewinnen?
Welche "Reichweite" lässt sich bei Arbeit mit einem Arm realisieren (mit Schrämhammer z.B.)?
Welchen Einfluss hat die Gesteinshärte (Gneis vs. Gänge verschiedener Formationen)?

Weitere Vorschläge sind natürlich sehr gerne gesehen.

Glück auf!

Geophon
Es wäre auch von nöthen, eine Strafe auf diejenigen zu legen, die nur auf den
Raub bauen, die Ertze auslochen, die Sümpffe und Schächte loshauen, die tiefsten mit
Bergen ausstürtzen und die Oerter, Strecken und Stölln versetzen...

Simon Bogner 1562
Mannl
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Re: Experimentelle Montanarchäologie?

Beitrag von Mannl »

Frage:
Sind wir aus heutiger Sicht so "leidensfähig" wie die Bergleute vor 400-800 Jahren ?
Wir betreiben es ja als "Hobby" nicht zum reinen überleben ... (oder sehe ich das falsch ?)
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Uran
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Re: Experimentelle Montanarchäologie?

Beitrag von Uran »

Wieso leidensfähig. Gelitten haben sie manchmal, aber nicht unter der Arbeit. Die Bergleute waren entweder Eigenlehner, oder Lohnarbeiter. Als "Selbständiger" hat man sowieso eine andere Einstellung zu seiner Arbeit. Aber auch als Lohnarbeiter haben sie mit Sicherheit nicht gelitten. Wenn wir heute in den alten Berichten über Gewinnungsmethoden nichts über diese Abbaue erfahren, kann das im Umkehrschluß eigentlich nur heißen, das sie den Authoren nicht bekannt waren. Mit dieser Art Abbau hat man es sich einfach gemacht, man brauchte ja den Gang nicht auffahren. Es verstieß vielleicht gegen den "Arbeitsschutz" aber man hat es geduldet, weil mit geringeren Aufwand mehr Erz kam.
Noch einmal zum Thema leiden. Warum steht in den alten Bergordnungen, das das Bierbrauen und der Bierausschank auf den Gruben verboten ist? Gegen diese Verordnung haben sich die Bergleute sehr schnell gewehrt. Es gibt auch eine Verordnung, in der steht, das der Mißbrauch des "blauen" Montags eingedämmt werden soll und das es Schluß sein muß mit Feierschichten zum Zwecke des Nachfeierns von Geburtstagen, Hochzeiten, Kindtaufen und Begräbnissen in der Arbeitswoche. Wenn man die Anzahl der Beschäftigten der Gruben kennt, die oftmals über 100 Personen lag, kann man sich ausrechnen wieviel Feiern da im Jahr so zusammenkommen. Über solche Verbote sollte man mal nachdenken, und da gibt es noch mehr, wenn man sich mit der Arbeitswelt der alten Bergleute beschäftigt.
ich bi noch aaner ven altn Schlog, on bleib aa, wi ich bi.
Mannl
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Re: Experimentelle Montanarchäologie?

Beitrag von Mannl »

War ja nur eine Frage ...

"Oft kranke Glieder und zur Noth
Den rauen Bettelstab,
Ein bisschen salz und trocken Brod
Und meist ein frühes Grab."

(Morit Döring "Des Bergmanns Loos")
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Geophon
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Re: Experimentelle Montanarchäologie?

Beitrag von Geophon »

Die Arbeitsbedingungen der Bergleute sind sicherlich ein spannendes Thema.
Aber ich glaube nicht, dass man das so pauschalisieren kann. In den jeweiligen
Blütezeiten der Reviere ging es den Bergleuten sicherlich besser, als in den
dazwischen liegenden Phasen der Stagnation und des Niedergangs...
Und sicherlich ist die Situation auch noch von dem jeweiligen Bergbau abhängig.
Die Bergleute im Silber wurden sicherlich mit diversen Privilegien bei Laune gehalten,
aber außerhalb des Regalbergbaus, beim Kalk z.B. sah das bestimmt anders aus.

Zurück zum Thema:
Sicherlich war die Motivation der Leute damals höher, weil sie ihr Auskommen
mit dieser Arbeit verdienen mussten. Natürlich sind wir nur Hobbyforscher, die zum
Spaß an der Freude untertage sind. Aber wenn ich mir so manche Gestalten in FG
anschaue, die sich voller Freude in jedes noch so enge Dreckloch zwängen, dann
sollte die "Leidensfähigkeit" nicht der limitierende Faktor sein :wink: .

Und wer weiß, manche Sachverhalte, die wir vorfinden, mögen uns heute wie Quälerei
erscheinen, z.B. 1 Lachter horizontale Auffahrungshöhe, aber vielleicht lässt es sich
so im Liegen ja ganz bequem arbeiten. Hat es schon mal jemand probiert?
Es wäre auch von nöthen, eine Strafe auf diejenigen zu legen, die nur auf den
Raub bauen, die Ertze auslochen, die Sümpffe und Schächte loshauen, die tiefsten mit
Bergen ausstürtzen und die Oerter, Strecken und Stölln versetzen...

Simon Bogner 1562
Uran
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Re: Experimentelle Montanarchäologie?

Beitrag von Uran »

Moritz Döring hat schöne Lieder geschrieben, aber eben auch Legenden geschaffen, wie zum Beispiel, im Dunkeln fahrn mer ein und im Dunkeln kommer wieder.
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Mannl
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Re: Experimentelle Montanarchäologie?

Beitrag von Mannl »

Nun, bei einer 8 - 12 Stundenschicht und einem Anmarsch von 1 - 2 Stunden zur Grube könnte das im Winter schon passen.
Ich habe die "Sichtweise" nochmal geändert und bin zu dem Schluss gekommen - sie waren glücklich - in ihrer Zeit ...
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Uran
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Re: Experimentelle Montanarchäologie?

Beitrag von Uran »

Sie haben nur 8 Stunden gearbeitet. Maximal. Glücklich?. Was ist glücklich und was gehört dazu. :)
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Nobi
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Re: Experimentelle Montanarchäologie?

Beitrag von Nobi »

Jetzt hat der Eric das Thema extra separiert und Ihr diskutiert hier, ob Bergleute glücklich waren oder nicht ...

Übrigens sind im Veith alle möglichen Gezähe zur Hereintreibearbeit erwähnt, die man so garnicht auf dem Plan hat. Da müsste man das Werk aber Seite für Seite durchgehen. Wer also über die Feiertage nix zu tun hat ...
GLÜCK AUF | NOBI

Der Berg ist frei.
Wo eyn man eynfahrn will
mag her es thun mit rechte.


w w w . b e r g b a u s h i r t . d e
Uran
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Re: Experimentelle Montanarchäologie?

Beitrag von Uran »

Na du! :D
Es ist doch wichtig ob Bergleute glücklich sind, oder nicht. :gruebel:
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MatthiasM
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Re: Experimentelle Montanarchäologie?

Beitrag von MatthiasM »

Was hier "menschenmöglich" ist, allerdings mit einer evtl. anderen Motivation, so daß man eben gerade so durchpaßt (erst mal zwangsläufig ohne jeden Anspruch an Arbeitsergonomie, weil sich Mutter Natur bei der Gestaltung der Höhle eben auch nicht daran gehalten hat, warum auch), könnte man bei den aktiven Höhlenforschern "abgucken", die Engstellen erweitern, unschlufbares schlufbar machen, jahrelang irgendwelchen minimalen Bewetterungen aus engen Spalten nachgraben etc...

GA bzw. Glück tief/Gut Schluf aus der HöFo-Ecke
Matthias
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Ludewig
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Re: Experimentelle Montanarchäologie?

Beitrag von Ludewig »

Es wäre sicher mal ganz hilfreich eine Liste mit den zu überprüfenden Fragen zu erstellen um ganz einfach von der bloßen Diskussion wegzukommen und nunmehr "Nägel mit Köpfen" zu machen. Die Örtlichkeiten sollten sich dann nach der jeweiligen Problematik oder Aufgabenstellung richten. Ebenso wäre es ganz hilfreich über die Regionalgruppe Sachsen die ganze Geschichte mit dem LfA abzusprechen. Zum einen um eine Legitimation für die angedachten Experimente zu haben, zum anderen um das ganze Projekt auch mit einem wissenschaftlichen Wert zu versehen, besonders in Sachen Dokumentation! Hier sollten die entsprechenden Standards für Dokumentationen genutzt werden.

Bei diesem Projekt gibt es sicher auch gute Chancen für praktisch tätige Bergbauvereine in Sachen Mitwirkung. Den hier sind in den letzten beiden Jahrzehnten in sächsischen Vereinen schon einige Sachen - das sogar zwangsläufig - ausprobiert worden und es existieren schon Erfahrungswerte die nicht unbeachtet bleiben sollten.

Glück auf! Lutz
Was war zuerst da, der Durst oder das Bier?

http://www.unbekannter-bergbau.de
partikel
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Re: Experimentelle Montanarchäologie?

Beitrag von partikel »

Manfred: v.19.12.
"Sind wir aus heutiger Sicht so "leidensfähig" wie die Bergleute vor 400-800 Jahren ?"
Es geht ja nicht darum, Wochen oder Monate dort unten unter den gleichen Bedingungen zu "leiden" wie vor 400-800 Jahren, sondern um einen Testzeitraum, der auch von uns erwähnten "Hobbyforschern" machbar ist; d.h. in wesentlich kürzeren Zeiten Ergebnisse zu liefern, die dann ausgewertet werden können.

Aktuell schließe ich mich der Meinung von Lutz v. 31.12. an: Aufruf an die Vereine ...eine Liste mit den zu überprüfenden Fragen zu erstellen!Was müsste mal praktisch probiert werden??

..weiteres später.


Glück Auf!
Rainer
MatthiasM
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Re: Experimentelle Montanarchäologie?

Beitrag von MatthiasM »

partikel hat geschrieben:Manfred: v.19.12.
"Sind wir aus heutiger Sicht so "leidensfähig" wie die Bergleute vor 400-800 Jahren ?"
Es geht ja nicht darum, Wochen oder Monate dort unten unter den gleichen Bedingungen zu "leiden" wie vor 400-800 Jahren, sondern um einen Testzeitraum, der auch von uns erwähnten "Hobbyforschern" machbar ist; d.h. in wesentlich kürzeren Zeiten Ergebnisse zu liefern, die dann ausgewertet werden können.
Wobei Du auch hier bei den HöFos in Sachen "unbeschränkte" Leidensfähigkeit fündig werden kannst, die teilweise jahrelang in jeder freien Stunde irgendeiner Bewetterung aus einem unscheinbaren Spalt im Hang nachgraben. Vetterhöhle, Hessenhaudoline, Mühlbachquellhöhle, Aachhöhle nur als Stichworte aus DE...

GA Matthias
partikel
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Re: Experimentelle Montanarchäologie?

Beitrag von partikel »

Selbstverständlich sind auch die HöFos- o.g. Beitrag (die über erstaunliche Leidensfähigkeiten verfügen, was hier nicht bestritten wird)- genauso wie auch alle anderen Leser und Aktiven in dieses Thema mit einbezogen.

Deshalb:

Hallo Untertagefreunde!

Da nun schon fast 1/4 Jahr wieder vergangen ist und das Thema nicht ganz verloren gehen sollte, folgende persönliche Meinung:

Gewiss muß so ein Thema reifen/wachsen.

Völlig unabhängig davon ist die Frage: "Was müsste mal praktisch überprüft werden?" Bzw. "was ist schon mal gemacht worden- aber ist noch nicht anerkannt dokumentiert und deshalb nicht für die Öffentlichkeit zu gebrauchen?"--> deswegen mit auf die Liste.

Glück Auf!
Rainer
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