Der Künstler Rolf Arno Specht aus Marl/Ruhrgebiet

... für den Rest, der sonst nicht passt.
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Wadenberg
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Der Künstler Rolf Arno Specht aus Marl/Ruhrgebiet

Beitrag von Wadenberg »

Rolf Arno Specht: Photograph, Sänger - und Poet

Der in Marl (Ruhrgebiet) lebende Rolf Arno Specht ist eigentlich Photograph, und er erzählt lachend, man sage ihm nach, "ein erotisches Verhältnis zu Fördergerüsten" zu besitzen. Einer breiteren Öffentlichkeit ist Specht vor allem durch seine Lichtinstallationen bekannt, mit denen er und sein Kollege Wolfgang Schubert alte Fördertürme und Bergwerksanlagen beleuchten und dadurch Menschen erst bewußt machen, an welchen Schönheiten sie sonst vielleicht achtlos vorbeilaufen: mal sind es spektakuläre Bilder, mal eher ruhig-besinnliche - aber immer sind es poetische Bilder. Vor allem aber: Specht und Schubert "pflegen" hier keine Denkmale - sie machen sie wieder lebendig.

Hier nur mal ein kleiner Eindruck:
http://www.lichtwechsel.ruhr/ewald7.aspx

Und wer würde sonst diese Schönheit eines Kraftwerks erkennen:
http://www.lichtwechsel.ruhr/datteln.aspx

Und da Specht eben diese poetische Ader zueigen ist, wundert es nicht , daß er auch textlich und musikalisch etwas zu bieten hat. Und so weiß er, daß weder die Liebe zu einem Menschen noch die Liebe zur Heimat etwas mit äußerer Schönheit zu tun haben muß, denn "wo die große Liebe hinfällt, ist doch eigentlich egal ... vielleicht sogar nach Marl".

Vor zwei Jahren trat er erstmals mit seinem literarisch-musikalischen Soloprogramm "Heimat-Liebe" auf. Einige seiner Lieder aus diesem Programm beschäftigen sich auch mit dem Thema "Bergbau und Heimat im Ruhrgebiet". Eines möchte ich hier vorstellen: das über die Zeche Auguste Victoria in Marl, für die nun auch "der Vorhang fällt".
Specht kann mit der der deutschen Sprache umgehen, hat aber auch keine Scheu, eher skurrile Metaphern zu verwenden, wie die von der "letzten deutschen Kaiserin, die nun ihren Hut nehmen muß". Seine Lieder können nachdenklich, ja auch melancholisch sein - wie sollte es beim Wandel und nun beim Ende des Bergbaus auch anders sein. Sie sind aber eben nicht sentimental und schon gar nicht kitschig. Typisch ist für Specht eben doch eine humorvolle, ja mitunter augenzwinkernde Leichtigkeit.

"Der vorletzte Vorhang"
Kurz vor dem "letzten Vorhang", also dem Ende des deutschen Steinkohlebergbaus, fällt eben auch der "vorletzte Vorhang": die Schließung des Bergwerks "Auguste Viktoria" in Marl, das nach der letzten deutschen Kaiserin, der Ehefrau von Kaiser Wilhelm II., benannt ist und auf der nun "andere Fahnen weh'n": nämlich die furchtbaren schwarzen Fahnen, bei deren Anblick es einem kalt den Rücken runterrieselt. Es ist ein Lied, von dem man im Englischen sagen würde "it grows on you", d.h. je öfter man es hört, umso mehr wird es einem gefallen. Besonders die Strophen 5 und 6 sind Specht sprachlich und inhaltlich gut gelungen: Strophe 5 weil sie eindringlich und Strophe 6 weil sie anrührend ist (aber eben nicht rührselig!).

Die versöhnliche und durchaus zukunftsweisende Botschaft in der zweiten Strophe - "Es ist an uns, die Flamme zu bewahren" - könnte geradezu ein Wahlspruch für all jene sein, die sich der Abrißbirne und damit dieser modernen "damnatio memoriae" entgegenstellen.

Hier ist das Video mit eingeblendetem Text und der langsam über dem Bergwerk Auguste-Viktoria untergehenden Abendsonne.

VIDEOLINK: https://www.youtube.com/watch?v=uNxzy9V ... e=youtu.be




Ich finde , es lohnt sich aber auch, den Text einfach "nur mal so" zu lesen.

Erste Strophe:
Wie schwer es fällt, den Nachruf auf die Lebenden zu schreiben,
solang noch jemand denkt an Dich, wirst Du für immer bleiben.
Daß wir einander hatten, wie sehr hast Du mich geprägt.
Der eine oder andere mich auch im Herzen trägt.

Zweite Strophe
Als ich noch klein war, bin ich hin zu Dir,
zu sehen, was Du so machst.
Ich war so klein und Du so groß. Aber ich hätte nie gedacht:
ein Feuer - und das brennt nun schon seit über hundert Jahren -
ist Asche bald, es ist an uns, die Flamme zu bewahren.

Refrain:
Kurz vor'm Vorhang ist Schluß,
wenn die letzte deutsche Kaiserin ihren Hut nehmen muß. (2x)
Wir mußten soviel lernen im Laufe unserer Zeit,
heißt Zukunft denn ab jetzt nur noch Vergangenheit?

Dritte Strophe:
Eine Ehre ist es, lange Zeit erfolgreich zu besteh'n,
die Zeiten sich halt ändern und nun andere Fahnen weh'n.
Noch geht's Dir gut, Dein Äußeres ist durchaus elegant,
doch manche Pläne ändern sich, das ist ja stadtbekannt.

Vierte Strophe
Überhaupt gabst Du der Stadt ein völlig anderes Gesicht,
genaugenommen: ohne Dich gäb's diese Stadt wohl nicht.
Es ist an der Zeit, einander Lebewohl zu sagen, tut's auch weh.
Es war 'ne lange Zeit, 'ne gute Zeit, Lebwohl AV, adé.

Refrain

Fünfte Strophe
Von harter Arbeit, Schweiß und Stahl will ich nun gar nicht singen,
von Technik und Historie - das werden wohl andere bringen.
Auch völlig unerheblich ist die Länge Deiner Strecken.
Um Heimat geht's, um Tradition, Erinnerung zu wecken.

Sechste Strophe
Ihr denkt Euch auch: was macht er da - singt über Industrie
als sei's die große Liebe, denn die vergißt man nie.
Wo die Liebe hinfällt, das ist doch ganz egal:
ob nach Berlin, ob Nordseestrand, vielleicht sogar nach... Marl.

Refrain

Siebte Strophe
Die erste warst Du nicht und leider bist Du nicht das Ziel,
die Ehre war Dir nicht zuteil, es ist das alte Spiel.
Wir danken Dir, erinnern uns, die Zukunft nimmt ihr'n Lauf.
Ich dreh mich noch mal um zu Dir,
ein letztes Mal - "Glückauf".
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