Rollgliss 300

Sicherheit zuerst: Befahrungstechniken, Seiltechnik, Ausrüstung. Foto, Messung, Befahrung, Rettung und co. - alles was man so mit in den Berg nehmen könnte und sollte.
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Friedolin
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Re: Rollgliss 300

Beitrag von Friedolin »

Hier geht es auch nicht um den du-du-fingerzeig.
Hier geht es um elementare Grundlagen der Befahrungssicherheit, die jeder beherzigen sollte.

1. Man fährt niemals alleine ein !
2. SRT muss man beherrschen, wenn man es in der Grube anwenden muss.
3. Das Vier-Augen-Prinzip bei der SRT hat seinen Grund.
4. Man muss in der Lage sein, Wetter zu prüfen und Standsicherheit zu beurteilen.

Weiterhin geht es auch nicht darum, dass wir alle mal angefangen haben. Jeder hat seine Erfahrungen gemacht, jedoch sollte man die im "trockenen/hellen" machen und nicht wenn man auf -115 steht.

Außerdem geht es darum, dass es genug Möglichkeiten gibt, SRT vernünftig zu erlernen, und auch weitere Befahrungstechniken durch Erfahrungsaustauch oder auch abgucken, oder nachmachen sich anzueignen.
(Hier wurden schon mehrfach Seiltechnik-Seminare angeboten, Befahrungssicherheit war das Thema eines ganzen Kolloquiums, Mehrfach gab es bei den Bergbauworkshops Angebote zur Befahrungssicherheit)

Und um auf die Bergsteiger zurück zu kommen- genau weil sie reihenweise in den Tot stürzten, führte es vor etwas mehr als 100 Jahren zur Gründung der ersten Bergwacht in D, nämlich in Sachsen.

Hier geht es auch nicht um die postmortale Klugscheißerei, sondern darum, jemandem der hier berichtet, die Gefahr in der er schwebte deutlich zu machen. Man befährt niemals allein, wer soll Hilfe holen? Schon bei eine Sprunggelenksfraktur oder der Ruptur der Achilles (was zu jeder Zeit ohne besonder Umständer passieren kann) ist man nicht mehr in der Lage längere Strecken zurück zu legen.

Grundlage der Seiltechnik, egeal welcher - SRT, SRHT der FW, Sicherungstechniken nach BG R/V ist überall das Vier-Augen-Prinzip.

Befahrungen des Altbergbaus sind gefährlich, Fallschirmspringen, Fliegen, Motoradrennen auch.
Jedoch wird mit einer dem Stand der Technik entsprechenden Ausrüstung und einer fundierten Ausbildung aus der Gefahr ein kalkulierbares Risiko. Genau das muss das Ziel sein.

Wenn wir uns so blauäugig anstellen und es vermehrt zu Zwischenfällen kommt, wird die Betonfraktion schnell hier schreien. Deshalb müssen wir alles dafür tun, dass niemand zu Schaden kommt.
Glück Auf !
Friedhelm
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Hoch der Harz und tief das Erz
Jedweder Anbruch erhebt das Herz
(alter Oberharzer Bergmannsspruch)
windfreund55
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Re: Rollgliss 300

Beitrag von windfreund55 »

there we are again,
) [quote]Bruststeigklemme aus dem Zentralglied statt aus dem Seil ausgeklinkt:
Die Steigklemmen haben sich ja wohl nach oben verabschiedet, weil sie aus dem Zentralglied des
Gurtes ausgehängt worden sind, anstatt aus dem Seil. Mal ehrlich, wie kommt man auf so eine
Idee? Ich würde sagen, dieser Fehler kommt definitiv aus der fehlenden Erfahrung mit der SRT]

Richtig! Den Schuh zieh ich mir an und werde den Fehler nicht mehr begehen.

Solche Sachen alleine zu machen ist genauso kritisch zu sehen. Zur Erklärung: Die besagte Grube liegt nicht gerade um die Ecke sondern auf der Iberischen Halbinsel. Da fahr ich nicht mal so am Wochenende hin. Mit 55 bin ich wie gesagt nicht mehr der jüngste; was zur Folge hat, daß die allermeisten meiner ehemaligen Kumpels nicht mehr aktiv sind. Ich hatte schlicht und einfach niemanden mehr gefunden, der da mitgeht. Damals habe ich 4 Tage und Nächte untertage zugebracht. Ein Handicap war besonders der Materialtransport ( 4 Rucksäcke und 4 Schleifsäcke, also 8 Teile). U.a. ist das Wasser in der Grube wegen des hohen Arsengehalts vermutlich nicht genießbar, also Wasser mitnehmen. Und wie sich der Transport alleine bewerkstelligt in Strecken, die zu ca 80% nicht im aufrechten Gang bewältigt werden, brauche ich hier wohl keinem zu schildern; will heissen, hat ne ganze Menge Kraft im Vorfeld gekostet, was wiederum die fast 5 Stunden Aufstieg erklärt. Übrigens hatte ich mit Freunden ausgemacht, daß ich mich spätestens alle zwei Tage per Handy melde, was einen ca halbstündigen Marsch vom Schlafplatz bis übertage erforderte. Ich liebäugel durchaus damit, den Schacht nochmals zu befahren im September oder Oktober (mit besserem Know-How u.a. dank dieser Diskussion hier). Liebend gern zu zweit oder dritt, also falls jemand Lust verspürt.... :wink: kann er mir ja eine PM senden. Im übrigen bin ich weder lebensmüde noch ein Maniac und versuche (nach meinen Maßstäben) rational an die Sache ranzugehen.
Konkret noch die Sache mit dem Schmerzmittel. Irgendwo hatte ich mal den bildhaften Satz gelesen, "der Schmerz ist der bellende Wachhund der Gesundheit". Also weist uns der Schmerz auf eine Ausnahmesituation hin, die wir wieder verlassen sollten, bzw. die Ursache beseitigen. Nicht automatisch ist aber der Schmerz so dosiert, daß wir immer zweckmäßig darauf reagieren. Im konkreten Fall (glaube ich zumindest) habe ich mir Hautfalten vom Hodensack eingeklemmt; vielleicht war der Sitzgurt nicht optimal angepasst). Egal wie, es tat höllisch weh. Mit einer gewissen Dämpfung, und mehr war nicht gefordert, hätte ich wahrscheinlich anders reagiert. Der Schmerz war ja nicht derart, daß ich unbedingt darauf mit Verhinderung, d.h. Ausschalten der Ursache hätte reagieren müssen, um irgendwelche Verletzungen zu vermeiden. Die Schmerztabletten waren übrigens normales Aspirin. Ich denke nicht, daß sie im Extremfall eine Ohnmacht begünstigt oder hervorgerufen hätten. Nach dem ersten missglückten Versuch hatte ich dann zwei Stück genommen und ca 45 min. gewartet. Übrigens ganz ruhig, ohne ein Anzeichen von Panik.
Bei all diesen Überlegungen sieht man, wie komplex die Zusammenhänge ineinandergreifen. Was m.E. ganz wichtig in solchen Situationen ist, ist die Konzentration oder auch Achtsamkeit und die Fähigkeit Ausnahmesituationen rechtzeitig zu antizipieren. Aber wie ich schon sagte "zuviel Sicherheit" erhöht das Risiko in meinen Augen, weil mehr Faktoren ins Spiel kommen. Und wenn Du alleine so ne Tour de Force durchziehst, überlegst Du Dir jeden Schritt mehrmals (und machst trotzdem Fehler).
Wenn nun jemand diesen Erfahrungsbericht (und dazu ist schließlich die ursprüngliche Frage mutiert) zum Anlass nehmen will, wie man es auf keinen Fall machen sollte, o.k. Aber letztendlich gibt es hier m.E. kein absolutes richtig oder falsch. Jedenfalls bin ich erfreut über die lebhafte Diskussion und werde sicher die ein oder andere Kritik annehmen und umsetzen.

Besten Dank und Glück Auf, Thomas
MatthiasM
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Re: Rollgliss 300

Beitrag von MatthiasM »

OK, immer noch riskant alles, aber organisatorisch, wenn sonst niemand mitkommt, einleuchtend (hab beim Familienurlaub unsere "Haushöhle", bevor ich da mit den Kindern guten Gewissens eingefahren bin, auch erst mal solo erkundet...).

Du machst Dir Gedanken, bist offensichtlich kein absolutes Greenhorn und bist lern- und zuhörwillig. :top:

Zum Schmerzmittel... Wenn man sich den S*** oder sonstwas richtig einklemmt, und die Befreiung der eingeklemmten Stelle nicht mehr hilft, dann hilft prophylaktisches Aspirin auch nimmer. Konkret Dein Mißgeschick kommt mir u.a. aus meinen allerersten SRT-Anfängen (frühe 1980er, mit Höhlen noch nichts am Hut gehabt, mit Prusikschnürchen am Baum hoch, um Vogelnistkästen zu säubern), bekannt vor bzw. auch aus Anprobier- und Einstellphasen bei neuem Gurtzeug. Das vermeidet sich am besten, indem man mit passend geschnittenen Unterhosen und eben optimal eingestelltem Gurtzeug alles Quetschbare geeignet zurechtsortiert, dann klemmt man sich auch bei längeren Abseil- und Aufstiegsaktionen nichts ein. Ich hab mir inzwischen auch einen SRT-Gurt gekauft, der superbreite Beinschlaufen und ein Extraband unterm Hintern durch hat, in dem ich bequem wie in einer Schaukel sitze und ggf. auch mal eine Stunde im Seil hängen und irgendwas schlossern kann, ohne daß es ernstlich unbequem oder (solang ich mich selbst minimal bewegen kann) riskant in Richtung Hängetrauma wird. Ausprobieren, anpassen, optimieren, ausführlicher Hängetest unerläßlich.

Obwohl es hier ins OT abdriftet - für den Fall, daß man (egal ob allein oder zu mehreren) die Abwägung trifft, in einem richtig großen UT-Objekt (Bergbau, Riesenhöhle, egal) einen ordentlich verstauchten Fuß, ein blau und grün geprelltes, dickes, pulsierendes Knie, drei angebrochene Rippen oder ein sonstiges normalerweise massiv bewegungshinderliches Handicap zu ignorieren und der Höhlenrettung so gut es geht, entgegenzukriechen, um zwei Tage Zeit zu gewinnen, wirst Du ein Hammerschmerzmittel brauchen, das schon hart am Rande vom BTM ist, aber noch möglichst wenig riskante Nebenwirkungen hat (und das laß Dir nach eingehender Beratung von deinem verständigen Hausarzt verschreiben). Sowas in der Stärke von Voltaren oder Novalgin beginnt da, halbwegs sinnvoll zu sein. Ich schleppe noch das (inzwischen als Tropfen leider BTM gewordene :( ) Valoron N mit, bei dem ich aus eigener Erfahrung mit einer tobenden Bandscheibe als Testobjekt übertage weiß, daß es zumindest bei mir erstklassig wirkt und daß ich persönlich das Zeug auch perfekt vertrage und voll handlungsfähig bleibe und keinen Unsinn im Halbdusel mache...

lG Matthias, der allerdings weitestgehend aus der Höhlenforschungs- und -Rettungsecke kommt...
windfreund55
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Re: Rollgliss 300

Beitrag von windfreund55 »

ja, besten Dank Matthias. Das sind hilfreiche Infos. Habe mir vor kurzem einen Petzl Corax (Made in Malaysia!) angeschafft, der einen ganz komfortablen Eindruck hinterlässt, aber noch nicht eingefahren. Vom Radfahren kenne ich so verstärkte Unterhosen. Auch wenn die Frage jetzt vielleicht etwas lächerlich rüberkommt, hat schon mal jemand Windeln für Erwachsene benutzt (im Schacht :) ?
Ohne eine solche Situation herbei beschwören zu wollen. Falls man sich eine Läsion zuzieht, welche die Beweglichkeit stark einschränkt, ist der Mensch doch oft zu extremen Leistungen fähig, wenn`s ums Überleben geht (man denke an den Bergsteiger, der seinen Arm oder Hand absägte, den er nicht mehr aus einer Spalte befreien konnte).
Um auf andere Antworten einzugehen. Die Bewetterung im besagten Schacht ist ausgezeichnet und kommt nicht von irgendwelchen Teilsohlen, die eh nach kurzer Strecke enden. Also die Gefahr z.B. durch CO2 aus vermodertem Holz o.ä. ist nicht vorhanden.
Hat hier schon mal jemand Erfahrung mit einem "Hängetrauma" gemacht? Wie machte sich das bemerkbar, bzw. was hat ihn/sie gerettet; bzw. was konnte derjenige zu seiner Rettung tun (bzw. hätte tun können)?
Nochmals konkret zum 115m-Schacht. Da der Schacht im Durchmesser ( vielleicht 1,5 m oder weniger) eng dimensioniert ist (vermutlich reiner Wetterschacht), bekam ich durch dieses Merkmal die Möglichkeit, mich am gegenüberliegenden Stoß mit der Schulter abzustützen. Ein nicht unwesentlicher Aspekt, gerade mit Hinsicht auf ein Hängetrauma.

Glück Auf, Thomas
Mannl
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Re: Rollgliss 300

Beitrag von Mannl »

Hängetrauma: => Wikipedia schauen

Ein länger in der Sicherung hängender muss grundsätzlich in Hockstellung gelagert werden !!!
Auch wenn das ev. Ärzte anders sehen (schon passiert). Der Blutstau in den Beinen kann zum Tod führen.
Zur Rettung ist spezielle Technik nötig und ausgebildetes Personal !
Man sollte einen entsprechenden Kurs mal besuchen.

www.siz-arbeitssicherheit.de/data/aufbk1.htm‎
Arbeiten in großen Höhen => Tiefen :-)
Ehre dem Bergmann, dem braven Mann !
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Marcel Normann
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Re: Rollgliss 300

Beitrag von Marcel Normann »

Mannl hat geschrieben:Zur Rettung ist spezielle Technik nötig und ausgebildetes Personal !
Ähm, nö. Kameradenrettung aus dem Seil gehört für mich UT mittlerweile zum Basiswissen SRT. Wer das nicht mal geübt hat, sollte sich sehr gut überlegen, überhaupt UT zu gehen. Und die tollste Spezialistentruppe hilft nichts, wenn ich bis zu deren Eintreffen drei Stunden bewusstlos im Seil hänge. Deren Aufgabe dürfte dann tendenziell eher Tragehilfe Sensemann sein.
Mein Haushaltstipp: Fettflecken halten sich wesentlich länger, wenn man sie hin und wieder mit etwas Butter einreibt.
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Strebpanzer
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Re: Rollgliss 300

Beitrag von Strebpanzer »

Mannl hat geschrieben:Hängetrauma: => Wikipedia schauen
<Warnung: Sarkasmus = On>
Oder einfach mal das Seil über einen Baum werfen, einbinden und noch einen Abseilacher ins Zentralglied hängen. Das andere Ende vom Seil durch den Abseilachter fädeln, hochspringen, dabei das Seil straff ziehen und dann sitzen bleiben bis man bewusstlos wird, fertig ist das Hängetrauma und man ist wieder um eine Erfahrung reicher, auf die man im Prinzip auch recht gut verzichten kann ;) :D

Wenn das nicht klappt kann man das wenigstens noch nutzen um den Gurt richtig einzustellen. Von der Vorstellung, dass jener - sofern richtig eingestellt - ggf. sogar bequem sein könnte sollte man sich aber von vornherein verabschieden ;)
MatthiasM
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Re: Rollgliss 300

Beitrag von MatthiasM »

Wegen Gurt.....

Gurte, die schwerpunktmäßig eher schon Arbeitsgurte sind oder optimiert auf bequemes Sitzen (breite Beinschlaufen, Extraschlaufe wie Sitzbrett), erlauben u.U. schon stundenlangen Aufenthalt im Seil, solang derjeneige sich aktiv noch irgendwie bewegt >> Höhenarbeit, die haben nicht unbedingt immer ein Sitzbrett, sondern hängen durchaus "nur" im Gurt. Das ist aber definitiv nicht so ein String Tanga wie der Petzl Superavanti.

Mein bevorzugter Speleogurt, in dem ich schon mal mutwillig eine Stunde gesessen bin, um es auszuprobieren, ist der MTDE Picos, wenn man bei den fetten Arbeitsgurten schaut, die für UT (zumindest in Höhlen mit heftigen Engstellen) eher nicht mehr so ideal sind, wird das alles noch bequemer.

Andereseits: Wer bewußtlos ist (KO gegangen durch Steinschlag oder sonst was) hat selbst im komfortabelsten Gurt mit Sitzbank und Brotzeittischchen früher oder später ein Problem.
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