Seite 1 von 1

Heinzenkunst

Verfasst: Fr. 18. Apr 14 8:16
von Falafel
Liebe Kollegen,

seit wann gibt es Heinzenkünste? Das bei "Tante Wiki" angegebene Jahr 1535 erscheint mir falsch und bezieht sich wohl auf den ersten Einsatz einer Roßkunst im Zusammenhang mit einer Heinzenkunst.

Glück Auf!
Stephan

Re: Heinzenkunst

Verfasst: Fr. 18. Apr 14 8:56
von markscheider
Hallo Stephan, es gab dazu eine längere Diskussion, in der wir das Problem nicht endgültig klären konnten. Soweit ich mich noch daran erinnere, gab es widersprüchliche Angaben und Vorstellungen dazu in der Literatur. Letztlich war das belegbare Jahr dem Liessmann, S. 92 entnommen.

Ein ähnliches Problem hatten wir auch bei der Bulgenkunst, hier kam noch Begriffsverwirrung hinzu, weil teilweise sowohl die Kunst mit dem Kehrrad als auch die umlaufende Kust mit Ledereimern so bezeichnet wurde.

Wer immer hier Aufklärung bieten kann, würde der Sache einen großen Dienst erweisen.

Re: Heinzenkunst

Verfasst: Fr. 18. Apr 14 10:19
von Uran
1535 ist definitiv viel zu spät. Meltzer schreibt, das vor der Einführung der Bulgenkünste im "Obererzgebirge", belegt für das Jahr 1473 auf dem Hohen Forst, Heinzenkünste in Betrieb waren, und nennt hier die Silberwaage an der Mulde. Diese Grube ist seit ca. 1440 bekannt.

Zum Thema Bulgenkunst. Die Bulge ist ein Ledersack unterschiedlicher Größe. Sowohl der Betrieb mit 2 Säcken über eine Wasserkunst (1476), wie auch eine Wasserkunst mit mehreren kleineren Ledersäcken, die zwangsläufig umlaufend sein muß (1482) wird als Bulgenkunst bezeichnet (Originalakten). Eine Bulgenkunst kann aber auch durch einen Göpel, bei dem geforderten Kraftaufwand natürlich Pferdegöpel, angetrieben werden.

Re: Heinzenkunst

Verfasst: Fr. 18. Apr 14 11:13
von markscheider
Kannst Du das bitte mit Quelle in den Artikeln einbauen?

Re: Heinzenkunst

Verfasst: Fr. 18. Apr 14 11:45
von Falafel
Achtung! Uran schreibt von Bulgenkünsten - ich meinte Heinzenkünste!

Re: Heinzenkunst

Verfasst: Fr. 18. Apr 14 11:47
von Uran
Hallo Falafel. Bitte richtig lesen. Im ersten Absatz geht es um Heinzenkünste und im zweiten Absatz, als Erklärung für Markscheider, um Bulgenkünste.

Re: Heinzenkunst

Verfasst: Fr. 18. Apr 14 11:53
von Uran
markscheider hat geschrieben:Kannst Du das bitte mit Quelle in den Artikeln einbauen?
Nein. Hab das vor Monaten mal versucht und bin an der Intolleranz einiger Wikipedianer gescheitert. Der Hintergrund ist, das aus Faulheit, ich muß es mal so nennen, nur neue Literatur verwendet wird. Hier "schreibt" einer vom anderen ab, ohne den Wahrheitsgehalt oder die Sinnhaftigkeit zu überprüfen. Hat mir fast eine Klage wegen Verleumdung eingebracht. Seitdem lasse ich die Finger davon. Du hast doch selber mal gesagt, ist doch nur Wikipedia.

Re: Heinzenkunst

Verfasst: Fr. 18. Apr 14 13:08
von Falafel
Hatte das schon richtig gelesen. Ich wollte nur darauf hinweisen, damit hier nichts durcheinander "gerührt" wird. Interessant wäre die Primärquelle, die MELZER verwendet. Auf die Schnelle habe ich zumindest bei ERMISCH nichts gefunden.

Glück Auf!
Stephan

Re: Heinzenkunst

Verfasst: Fr. 18. Apr 14 13:39
von Uran
Entschuldigung. Meltzer war Chronist, da wird es mit Quellen schwierig. Er beruft sich oft auf Albinus, aber auch der war Chronist, allerdings näher drann. Meltzer hat aber offensichtlich auch Originalquellen studiert. Zumindest ist das an eine Stelle zu beweisen. Bei der Schätzung der Gruben auf dem Schneeberg 1477 verwendet er die selben Quellen, wie auch Hoppe. Hoppe führt sie dann allerdings auch an, was Meltzer so nicht macht.

Re: Heinzenkunst

Verfasst: Fr. 18. Apr 14 13:57
von Falafel
Hier mal den Beitrag aus Freiberg. Ab 1426 ist eine Grube "Heinzenberg" bekannt, was natürlich lediglich ein Indiz und kein Beleg ist. Im 16. Jh. gibt dann es mehrere urkundliche Belege. Seit gestern haben wir nun einen - oder genau genommen zwei - Befunde, die sehr deutlich für manuell angetriebene Heinzenkünste sprechen. Von historischen Kontext wäre mir das 16. Jh. etwas zu spät. Deshalb meine Frage.

Re: Heinzenkunst

Verfasst: Fr. 18. Apr 14 14:02
von Uran
Wenn Meltzer schreibt, das die Heinzenkünste schon vor den aus Ungarn kommenden Bulgenkünsten eingesetzt wurden, ist das sicher nicht aus der Luft gegriffen. Für die Bulgenkünste gibt es ja aber spätestens ab 1473 Aktennachweise.

Re: Heinzenkunst

Verfasst: Fr. 18. Apr 14 14:08
von Uran
Es gibt einen Nachweis. 2. Oktober 1477 von Paulus Eck. Dieser will eine Kunst bauen, on pulgen und an rorwerk. H.ST.A. Dresd. W.A. Bergwerkss. Kaps. I Bl. 34

Re: Heinzenkunst

Verfasst: Fr. 18. Apr 14 14:57
von Uran
Noch mal zu den Daten. Man darf nicht alles glauben was geschrieben steht. So behauptet ein Marcus Dehler in seinem Beitrag "Wassermanagement im historischen Bergbau", 1535 wurde erstmals die Nutzung der Pferdekraft in Pferdegöpeln als Antriebsquelle für die Bulgenkunst erwähnt. Gefunden hat er es bei einem Markworth Veröffentlichung 2002.
Das ist natürlich völliger Blödsinn.

Re: Heinzenkunst

Verfasst: Fr. 18. Apr 14 15:00
von Falafel
Da müsste man mal schauen, wo MARKWORTH seine Weisheit her hat. Liegt mir aber leider nicht vor.

Re: Heinzenkunst

Verfasst: Fr. 18. Apr 14 15:07
von MichaP
Markworth 2002 ... Deutet auf das hier hin:
http://www.alice-dsl.net/lmarkworth/Ver ... chung.html

Und WENN das so ist, dann kann man ihn direkt fragen:

http://forum.untertage.com/memberlist.p ... file&u=143

Re: Heinzenkunst

Verfasst: Fr. 18. Apr 14 15:15
von Uran
Da hab ich mich aber weit aus dem Fenster gelehnt. :D
Hier haben wir aber eines der Grundprobleme. Lutz schreibt das. Marcus Dehler übernimmt es, ohne zu prüfen. Bei Wikipedia wird Dehler dann sowohl bei der Heinzenkunst, wie auch bei der Bulgenkunst zitiert. Und schon ist die Legende fertig, gegen die man dann schwer ankommt. Ich hatte es an der Stelle aufgegeben.

Re: Heinzenkunst

Verfasst: Fr. 18. Apr 14 15:28
von Falafel
Wäre es dann nicht an der Zeit was Handfestes zu machen? Muss ja nicht bei Wiki sein.

Re: Heinzenkunst

Verfasst: Fr. 18. Apr 14 18:33
von Uran
Wie du weißt, arbeite ich gerade an einem anderen Projekt. Da werden die Künste und ihr Einsatz aber auch erwähnt. :)

Re: Heinzenkunst

Verfasst: So. 20. Apr 14 11:00
von Schlacke
Es gibt da noch zusätzlich einige Daten, die 'von Stromer' aufgeführt werden:

Heinzenkunst nach Taccola (1432), Venezianischer Ingenieur der Renaissance, Haspelbetrieb, scheit eine Wasserhebeeinrichtung für einen Brunnen zu sein.

1439 Schmöllnitz eine Bulgenkunst

1473 Zwickau eine Bulgenkunsr

1474/77 fahrbare Bulgenkunst in Olkusz b. Krakau und Naila bzw. Schneeberg

Quelle: Wolfgang von Stromer, Wassersnot und Wasserkünste im Bergbau des Mittelalters und der frühen Neuzeit, in: Anschnitt, Beiheft 2, Bochum: 1984, S. 50-72

Neue Veröffentlichungen (Uwe Schirmer, Andreas Haasis-Berner) greifen überwiegend auf von Stromer zurück. Literaturhinweise zu den gen. Autoren lassen sich bei Interesse beschaffen!

Glück auf!

Elmar Nieding

Re: Heinzenkunst

Verfasst: So. 27. Apr 14 19:07
von Lutz
Beschrieben wird lediglich in meinem Buch "Bergbaurelikte der königlich Preußischen Berginspektion Clausthal (2002, 2011 in Zweitauflage) der Bergbau im Oberharz der entsprechenden Bergstädte).
Bezogen wird sich auf die Zeitschrift Glückauf von 1895 eines hochkarätigen Autorenteams (Scan anbei), die bis 1910 in meinem Keller lagert. Ein weiterer interessanter Artikel wurde 1991 vom Darmstädter Professor Döhring (Scan ebenfalls anbei) herausgegeben. Kennt jemand für den Oberharz ältere Belegquellen?
Schöner wäre es gewesen, mich direkt anzuschreiben, da ich auch nicht jeden Beitrag im Forum lese (danke, Micha für den Tipp).

Glückauf aus Moskau auf dem Weg nach Novokuznetzk,

Lutz

Re: Heinzenkunst

Verfasst: So. 27. Apr 14 19:59
von Uran
Hallo Lutz

Das Bild mit den einzelnen Künsten ist nicht schlecht, leider kann man die Daten zu den einzelnen Künsten nicht lesen. Gibt es das Bild auch in groß?

Re: Heinzenkunst

Verfasst: Mo. 28. Apr 14 1:40
von Lutz
Bitte sehr! Hoffe, es ist jetzt etwas besser.

Re: Heinzenkunst

Verfasst: Mo. 28. Apr 14 9:57
von Uran
Hallo Lutz
Danke. Es ging mir um die technischen Daten. Da habe ich zumindest für die Bulgenkünste inzwischen ganz andere Werte.

Re: Heinzenkunst

Verfasst: Mo. 28. Apr 14 11:04
von Lutz
O.K. Wenn du deine Daten irgendwann einmal nach neuesten Recherchen zusammen getragen hast, bin ich daran sehr interessiert.

Glückauf aus Sibirien,

Lutz

Re: Heinzenkunst

Verfasst: Mo. 03. Okt 16 16:43
von Uran
War falsch hier. :oops:

Re: Heinzenkunst

Verfasst: Mo. 03. Okt 16 23:42
von Mops
Obwohl sich die Begriffe Bulgenkunst und Hein(t)zenkunst nach "unserem" Verständnis klar von einander abgrenzen lassen, wird in der älteren Literatur damit teils recht großzügig umgegangen. Im Zusammenhang mit spätmittelaterlichen (sic!) Künsten der Saline Frankenhausen spricht WIRTH (1972) von Eimerketten und Paternosterwerken. Er bezieht sich dabei teils auf Handschriften, teils auf Literatur; beides aber erst Jahrhunderte später aufgeschrieben bzw. gedruckt...

Dessen ungeachtet ist es durchaus wahrscheinlich, dass Künste zur Wasserhebung in Deutschland schon wesentlich früher eingesetzt worden sind, als das die bislang genannten Jahreszahlen vermitteln wollen. Dazu drei Kommentare:

(1) Wir sollten immer auch die Salinen im Blick behalten, weil sie teils schon im späten Mittelalter technologisch sehr ausgreift waren, wie auch die Bergwerke.

(2) Je weiter wir uns auf dem Zeitstahl zurück bewegen, desto dünner wird die Quellenlage ganz einfach aus Gründen der Erhaltung von Schriftgut (Stadtbrände, Brandschatzungen im Bauernkrieg 1525). Da hilf es manchmal weiter, die Chroniken zu Rate zu ziehen, aber man begibt sich damit auf dünnes Eis.

(3) Desiderate der historischen Forschung (ganz besonders bei spärlicher Quellenlage) müssen immer als solche gekennzeichnet werden. Die zeitlichen Angaben auf der oben abgebildeten schmatischen Darstellung (Haspel, Bulgenkunste und Heizenkünste betreffend) sind auch nur als Orientierung zu verstehen und kein Dogma.

Re: Heinzenkunst

Verfasst: Mo. 10. Okt 16 21:27
von Quertaucher
Ist ja eine ganz interessante Diskussion hier. Ich hätte mal eines der seltenen noch erhaltenen Heinzenkunstrohre aus dem Altbergbau des Harzes (heute unter Wasser liegend - ca. 20m tief und deshalb so gut erhalten) als Foto. Dieses Bergwerk wurde allerdings 1742 auflässig und war grob gesagt 40 Jahre auf Kupfer bauend in Betrieb.