Gegenortbetrieb

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Falafel
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Gegenortbetrieb

Beitrag von Falafel »

Hallo,
wer kann helfen? Ich benötige Nachweise, ab wann in Mitteleuropa Auffahrungen im Gegenortbetrieb durchgeführt wurden.

Ich benötige keine allgemeinen Vermutungen (...ich denke...das war schon immer so.... wahrscheinlich...), sondern konkrete Belege. Nicht dazu rechne ich mehr oder weniger zufällige Durchhiebe in andere Grubenbaue.
Natürlich gab es Gegenortbetrieb schon in der Antike - aber das möchte ich mal bewußt ausklammern.

Eine Zahl gebe ich schon mal vor: 1470-85 "Elsberger Stolln(-flügel)" in Freiberg.

Glück Auf!
Stephan
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Fahrsteiger
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Re: Gegenortbetrieb

Beitrag von Fahrsteiger »

Hallo Stefan,
Ein Meilenstein in der Gegenortauffahrung aus dem Saarland.
1836 wurde zur Messung während der Gegenortauffahrung des Ensdorfstollens erstmalig ein Grubentheodolit verwendet.
Glück Auf
Horst
Dem Bergbau verschworen. Im Bergbau geschafft. Zum Bergmann erkoren mit stählerner Kraft.
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StefanD
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Re: Gegenortbetrieb

Beitrag von StefanD »

Der Rathstiefste Stollen am Rammelsberg in Goslar wurde von 1150 bis 1180 aufgefahren ausgehend von 10 Lichtlöchern im Gegenortbetrieb.

Glückauf
Stefan
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Ludewig
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Re: Gegenortbetrieb

Beitrag von Ludewig »

Hallo Stephan!

Rede doch mal mit Markus Link. Der hat in Zschorlau für St. Anna am Freudenstein umfangreich recherchiert, vielleicht hat er einige Hinweise zum Thema.
Ich kann mich an ein Gespräch mit Heinz Schubert erinnern, wonach die Fürstenstöllner Gewerkschaft von Schneeberg Teile des Troster Stolln aufgefahren hat. Auf Grund dieser speziellen Gewerkschaft und der vielen Maaßschächte ist ein Gegenortbetrieb auf St. Anna naheliegend. Über den Bergbau am Freudenstein gab es auch mal ein Buch von Markus Link.

Glück auf! Lutz Mitka
Was war zuerst da, der Durst oder das Bier?

http://www.unbekannter-bergbau.de
Gegenkaiser
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Re: Gegenortbetrieb

Beitrag von Gegenkaiser »

Falafel hat geschrieben:Hallo,
wer kann helfen? Ich benötige Nachweise, ab wann in Mitteleuropa Auffahrungen im Gegenortbetrieb durchgeführt wurden.
Ich kann dir ganz genau die Frühgeschichte des Gegenortvortriebs nennen. Der erste Tunnel, der im Gegenortvortrieb aufgefahren wurde, war der Hiskija-Tunnel in Jerusalem um 700 v. Chr. Die zahlreichen Blindstollen deuten allerdings daraufhin, daß man dabei nach dem Versuch & Irrtum-Prinzip vorgegangen ist.

Der erste Tunnel, bei dem der Gegenortvortrieb systematisch geplant und durchgeführt wurde, war der Tunnel des Eupalinos auf Samos (6. Jh. v. Chr.). Literatur findest du unter http://de.wikipedia.org/wiki/Tunnel_des_Eupalinos. Der Kienast 1995 ist das Standardwerk.

Ich gehe davon aus, daß die Technik durch die Römer in Deutschland eingeführt wurde, allerdings kaum in nennenswertem Umfang, denn der größte Römertunnel hierzulande, der durch den Drover Berg bei Düren (1700 m) wurde im Qanat-Verfahren aufgefahren. Im Frühmittelalter war die Technik gewiß nicht verbreitet, da es überhaupt nur einen einzigen nennenswerten Tunnel in unseren Breiten gab, den am Laacher See in der Eifel.
Langohr
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Re: Gegenortbetrieb

Beitrag von Langohr »

Ich gehe davon aus, daß die Technik durch die Römer in Deutschland eingeführt wurde, allerdings kaum in nennenswertem Umfang, denn der größte Römertunnel hierzulande, der durch den Drover Berg bei Düren (1700 m) wurde im Qanat-Verfahren aufgefahren. Im Frühmittelalter war die Technik gewiß nicht verbreitet, da es überhaupt nur einen einzigen nennenswerten Tunnel in unseren Breiten gab, den am Laacher See in der Eifel.
Auch bei dem von dir angesprochenen "Tunnel", dem sgn. "Fulbert-Stollen" gibt es einige Argumente, die darauf hindeuten, das er älter ist, als es die bisherige Lehrmeinung vertritt. Allgemein ist man der Meinung, das der Fulbertstollen dazu diente einen Teil des Sees zu entwässern um damit Land zu gewinnen. Der Stollen wurde im 17 Jh. durch den Deliusstollen ersetzt, der wiederum tiefer liegt, was einen weiteren Landgewinn erbrachte. Die Zuordnung zu dem Abt Fulbert (1152-1157) erfolgte aufgrund dendrochronologischer Datierungen von Eichenbalken an der Abtei, die Spuren zeigten, das es, nennen wir es einmal, Wasserhaltungsprobleme an der Abtei gegeben hat. Deshlab wurde geschlussfolgert, das hier ein Wasserabflussstollen gebaut werden musste, sonst wäre die Abtei untergegangen. (So zumindest beschreibt es Otto)
Dieser Heimatforscher, Gerd Otto, vertritt in seinem Buch "Auf den Spuren der Römer in der Osteifel (Sutton Verlag) folgende Argumentationskette, warum der "Fulbert-Stollen römischen Ursprung haben muss:
1) Es gibt (seiner Meinung nach) eine Villa rustica am Rand des heutigen Laacher Sees, auf er gleichen Höhe wie die heutige Abtei. Also auch für diese hätte schon zur römischer Zeit ein Wasserproblem bestanden. Sprich sie wäre unter Wasser gestanden.
2) Die Römer waren in der Lage ein solch aufwendiges Bauwerk technisch und finanziell zu meistern, siehe einen Tunnel bei Brey (der auf Gegenortbetrieb zu prüfen wäre, der ist teilweise zugänglich und ebenfalls in Qanat-Verfahren aufgefahren) und eine Wasserleitung bei Soller (NRW).
3) Berechnungen des Wasserzuflusses in den Laacher See zeigen, das schon zur Gründung der Abtei im Jahr 1093 ein Wasserabfluss bestanden haben muss. Ansonsten wäre die Baustelle unter wasser gewesen.
4) Knappe 100 Jahre nach dem vermeintlichen Bau des Fulberstollens mussten Fremdarbeiter her, um den eingestürzten Stollen wiederherzustellen, da die Mönche diese Technologie verlernt haben.

Ich hatte im letzten Winter die Gelegenheit den Deliusstollen und den darüberliegenden, mit dem Deliusstollen verbundenen Fulberstollen zu befahren. Bilder werde ich im nächsten Winter nachholen.
Die Qanatbauweise und der damit verbundene Gegenortbetrieb ist gut erkennbar. Was mich wundert sind die viereckigen, nicht runden Schächte. Leider gibt es kaum oder eher keine Abbauspuren, da das Gestein unglaublich weich ist und das Wasser die Wände geglättet hat. Evtl. müssten man die Schächte einmal hochklettern und an den dortigen Wänden nach Inschriften suchen. Ob man das Alter dieses Stollens jemals klären kann?
Habt ihr Ideen?

Glückauf!
Schlacke
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Re: Gegenortbetrieb

Beitrag von Schlacke »

@Langohr

Zum Fulbert-Stollen sollte man noch unbedingt die Arbeit von K. Grewe heranziehen:

Der Fulbert-Stollen am Laacher See. Eine Ingenieurleistung des Hohen Mittelalters.
in: Zeitschrift für Archäologie die Mittelalters, Jg. 7, Köln: 1979, S. 107-142

Glückauf!

Schlacke
...die unterirdischen Grubengebäude in ihre Schreibstube bringen...
Héron de Villefosse (1774-1852), Bergingenieur im Dienste Napoleons.
(H. Dettmer, 2014)
Langohr
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Re: Gegenortbetrieb

Beitrag von Langohr »

Schlacke hat geschrieben:@Langohr

Zum Fulbert-Stollen sollte man noch unbedingt die Arbeit von K. Grewe heranziehen:

Der Fulbert-Stollen am Laacher See. Eine Ingenieurleistung des Hohen Mittelalters.
in: Zeitschrift für Archäologie die Mittelalters, Jg. 7, Köln: 1979, S. 107-142

Glückauf!

Schlacke
Danke, kenne ich und Grewe muss sicher in dem Zusammenhang erwähnt werden. Ein Heftchen mit gleichem Titel ist aktuell im Rheinischen Verein für Denkmalpflege veröffentlicht worden.
Erwähneswert ist in dem Zusammenhang auch Grewes Buch "Licht am Ende des Tunnels" im Verlag Philipp von Zabern.

Mir fällt bei den Publikationen von Grewe bezgl. des Fulbert-Stollens auf, das er sich immer wiederholt, seine (und die der Kollegen von denen er abschreibt) Argumente für das Alter des Tunnels aber nach wie vor reichlich wacklig sind. Nur weil es im Jahr 1164 eine extreme Niederschlagsdepression gab und das damit ein Jahr mit günstigen Bedingungen für einen derartigen Bau gab (man musste keine Abdeichungen oder Dämme bauen), heisst es doch nicht, das der Tunnel zu dieser Zeit gebaut wurde. Es gibt keine Funde und keine schriftlichen Belege (gerade letzteres erstaunt bei der Schreibsucht der Mönche),das der Tunnel zu dieser Zeit gebaut wurde. Aber es gibt auch keinen Beleg für ein römisches Bauwerk.
Römische Tunnel sind oftmals, aber eben nicht immer, durch runde Bauschächte auffalend.
Grewe selbst zeigt in seinem Buch u.a. einen Tunnel bei Nimes (Galerie de la Pierotte) und in der Nähe die Glerie des Cantarelles, die mit rechteckigen Bauschächten, in sehr ähnlichen Dimensionen zum Laacher See Tunnel gebaut wurden. Und auch eine Abb. des Drower-Berg-Tunnels bei Soller lässt eher rechteckige Bauschächte erkennen.
Und um zum ursprünglichen Thema zurückzukommen. Der Fulbert-Stollen wurde zwischen dem Schacht C und D mit großer Sicherheit im Gegenortbetrieb aufgefahren, da ein deutlicher Fehler im Zusammentreffen der beiden Linien zu erkennen ist. Also mindestens um das Jahr 1164 oder halt römisch, das ist hier die Frage.
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Naheländer
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Re: Gegenortbetrieb

Beitrag von Naheländer »

Langohr hat geschrieben:
Was mich wundert sind die viereckigen, nicht runden Schächte. Leider gibt es kaum oder eher keine Abbauspuren, da das Gestein unglaublich weich ist und das Wasser die Wände geglättet hat.
Rechteckige Schächte sind nicht unbedingt ein Indiz dafür, das es sich nicht um römischen Bergbau oder Stollenbau handelt. Zwar hat man in der Antike und teilweise auch im mittelalterlichen Bergbau im standfesten Gestein runde Schächte aus ergonomischen Gründen bevorzugt. Bei weniger standfesten Gestein (Fulbert Stollen?) und den dadurch nötige Holzausbau hat man auch bei den Römern und in der Antike auch auf das rechteckige Schachtprofil zurück gegriffen (siehe auch: Weißgerber, Gerd: Montanarchäologie (Forts. 2). In: Bergknappe Nr. 58 4/1991, 15. Jahrgang, Verein der Freunde des Bergbaues
in Graubünden S. 7).

Gerade bei den "Qanats" kann es schwierig sein, diese ohne entsprechende Befunde zwischen mittelalterlich und antik zu unterscheiden, da diese vom üblichen typischen römischen bergbaulichen Stollenprofil (breite Stollen) abweichen und die Profile teilweise mittelalterlichen Stollen aus dem Erzbergbau ähneln. Die Vortriebstechnik und die verwendeten Gezähe sind in der Regel ja die selben.

Ich habe leider noch nicht persönlich einen Qanat befahren, aber als ich die Fotos und Stollenprofile der römischen Qanats von Raschpetzer bei Walferdange (Luxemburg) und Mehring (Mosel) gesehen hatte, habe ich vor diesem Beitrag schon bei mir gedacht, daß manche Stollenprofile genau so gut aus dem mittelalterlichen Bergbau in Freiberg, Dippoldiswalde oder aus dem Schwarzwald stammen könnten (siehe Abb. 19, S.14 in der unten genannten Literatur zu Raschpetzer).

Zu den oben erwähnten Qanats gibt es folgende Literatur:

- zum Qanat Raschpetzer: Kayser, Pierre u. Waringo, Guy: Die unterirdische Wasserleitung der Raschpetzer, ein Monument antiker Ingenieurbaukust aus Luxemburg. Hrg.Administration Communale Walferdange 2002. Online-Publikation hier erhältlich: http://www.raschpetzer.lu/brochure_raschpetzer.pdf

- zum Qanat Mehring: Kremer, Bruno: Wasserversorgung aus dem Tunnel. Der römische Qanat von Mehring. In: Funde und Ausgrabungen im Bezirk Trier Nr. 31, 1999, S.37-50.
Glück Auf!

Daniel
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Langohr
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Re: Gegenortbetrieb

Beitrag von Langohr »

Runde Schächte wären halt ein guter Hinweis. Rechteckige sind es eben nicht.
Ist der ehemalige Holzausbau in den Schächten die Lösung?
Wenn ja noch C4 fähiges Material in situ da wäre.... hmh.
In den Stollen komme ich jederzeit offiziel rein. Nur ist die Frage wie man dann in den Schächten hoch zu den möglicherweise vorhandenen Bühnlöchern hochkommt.
Auf jeden Fall einen Versuch wert.
Daniel, bist du dabei?
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Naheländer
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Re: Gegenortbetrieb

Beitrag von Naheländer »

@Langohr
Ich bin gerne dabei,
ich bin bloß leider kein Free-Climber. :( Aber wir werden schon eine Lösung finden, um in die Lichtschächte zu gelangen.

Ob wir Inschriften finden dürfte aber ungewiss sein. Wenn wir Glück haben, hat sich noch Holz oder eine vergessene Öllampe (oder andere datierbare Keramik) in einer Nische erhalten.

Eventuell kann man den Stollen über andere Merkmale datieren. Vielleicht unterscheiden sich z.B. die Lampennischen? Zur römischen Zeit waren Öllampen das gängige Geleucht. Wegen fehlender Ölimporte waren diese im Mittelalter nicht mehr gebräuchlich, sondern Unschlittlampen oder andere Geleuchte. Vom Gefühl her müssten Öllampennischen schmaler und eher hoch sein, als solche für Unschlittgeleuchte. Die Nischen für Unschlittgeleuchte müssten eher breiter sein. Ich werde mal in nächster Zeit die entsprechende Literatur wälzen, um heraus zu finden, ob es bestimmte Merkmale für römische Lampennischen gibt.

Die These von Herrn Herr Gerd Otto ist hier http://www.heimatforschung-eifel.de/ver ... ulbert.htm übrigens auch online zu finden.
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Monni
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Re: Gegenortbetrieb

Beitrag von Monni »

Bei den montanarchäologischen Untersuchungen im Arthurstollen am Mitterberg in Salzburg wurde ein Durchschlag zwischen zwei bronzezeitlichen Abbauen aufgefunden. Dieser war im Gegenortbetrieb aufgefahren.

Näheres dazu in: Thomas Stöllner: Das Alpenkupfer der Bronze- und Eisenzeit: Neue Aspekte der Forschung. Vorträge des 29. Niederbayrischen Archäologentages,
Arthurstollen ab S. 37
zum download:http://www.bergbaumuseum.de/web/dl858
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