ruhrpott
Das geschundene Land
Ein Fluss, der in die falsche Richtung fließt. Ein Bach, der in der Mitte geteilt ist. Und 173 Pumpen, die dafür sorgen, dass das Ruhrgebiet nicht unter Wasser steht. Auch wenn es dort einmal keinen Bergbau mehr geben sollte – die Schäden bleiben
Von Christoph Hickmann
In einem grauen Betonkasten in Bottrop, Ruhrgebiet, steht ein Mann im blauen Arbeitsanzug und sagt etwas über den deutschen Steinkohlenbergbau, ohne über den deutschen Steinkohlenbergbau zu sprechen. Er hat schon viel geredet an diesem Morgen, er hat dabei auf Rohre aus Stahl gezeigt, die Kessel aus Stahl miteinander verbinden und dann unter der Decke des 15 Meter hohen Kastens verschwinden, nach draußen, wo es riecht, wie hier nur die Emscher riecht, ein bisschen faulig, schwer und süß. Er hat Zahlen genannt, sehr schnell, er hat sich verloren im Innenleben des grauen Kastens, der hinter einer hohen Baumreihe kaum auffällt und nur von der Bundesstraße 224 aus gut zu sehen ist. Zweimal schon hat man nachfragen müssen, ehe der Maschinist Joachim Marga von einem Diagramm an der Wand aufschaut und erklärt, warum der Kasten steht, wo er steht. Weil hier nämlich früher das Flüsschen Boye in die Emscher gemündet sei, bis es irgendwann absank, zu tief, um die Emscher noch zu erreichen. So tief, dass man den grauen Kasten bauen musste, der nun mit all seinem Stahl die Boye in die Emscher pumpt.
Joachim Marga sagt: »Ja, wenn hier unser Pumpwerk nicht wäre, dann hätten Sie doch gar nicht herkommen können mit dem Auto. Dann wäre hier natürlich ein großer See.«
Er sieht jetzt ein wenig erstaunt aus. Er klingt, als habe man ihm eine überflüssige Frage gestellt. Und er sagt nicht, dass die Boye nur deshalb abgesunken ist, weil man unter ihr Steinkohle abgebaut hat. Vielleicht weil man das als Besucher eines Pumpwerks eigentlich wissen sollte. Vielleicht aber auch, weil es um Bottroper Selbstverständlichkeiten geht.
In einem hellen Büro in Herne, 20 Autominuten vom Pumpwerk Boye in Bottrop entfernt, sagt ein hagerer Mann mit Krawatte: »Bergbau verursacht ja nun leider Schäden.« Emanuel Grün, leichte Bräune im kantigen Gesicht, verschränkt die Arme vor der Brust. Es sind gute Tage für ihn, in den vergangenen Wochen hat man über seinen Arbeitgeber, die Deutsche Steinkohle AG, kurz DSK, ein bisschen anders gesprochen als sonst. Es ist dabei häufiger das Wort Versorgungssicherheit gefallen und weniger häufig das Wort Subventionen, auf das Menschen aus dem deutschen Steinkohlenbergbau sonst immer mit gewundenen Sätzen reagieren. Weil auch sie wissen, dass deutsche Steinkohle nur noch verkauft werden kann, wenn der Staat mehr als 100 Euro pro Tonne dazuzahlt, zwei Milliarden Euro im Jahr. Das Wort Subventionen ist so etwas wie ein Graben, der in diesem Land die Kohlefreunde von den Kohlegegnern trennt, und über den Graben hinweg streiten sie darüber, ob man weiterzahlen soll.
Emanuel Grün, 48, als Chefmarkscheider zuständig für alle Abbauvorhaben der DSK, sagt: »Neuerdings dürfen wir ja auch wieder sagen, wir sind wieder wer.« Der Graben ist ein bisschen schmaler geworden.
Weit von Herne entfernt wächst Chinas Volkswirtschaft immer schneller und produziert dabei mehr Stahl als je zuvor. Um Stahl zu produzieren, braucht man Koks, den China nun nicht mehr in so großen Mengen exportiert wie bisher. Koks ist knapp geworden auf dem Weltmarkt, man zahlt dort bis zu 500 Dollar für die Tonne, die man vor zwei Jahren noch für 70 Dollar bekam. Besonders hart trifft das die Stahlindustrie in Deutschland, dem Land, das im vergangenen Jahr mehr Koks importiert hat als jedes andere. Gleichzeitig steigt der Ölpreis immer weiter. Das Wort Versorgungssicherheit hat jetzt wieder Konjunktur. In einer Anzeigenkampagne der DSK-Muttergesellschaft RAG etwa: »Deutschland geht die Kohle aus«. In den Worten Werner Müllers, früher Bundeswirtschaftsminister, heute Vorstandschef der RAG, der die Koksknappheit zu einem volkswirtschaftlichen Schaden von mehr als zehn Milliarden Euro hochrechnete. In einem eilig dementierten Zeitungsbericht, wonach Kohlegegner aus Hessen und Bayern gefordert hätten, weiter Subventionen zu zahlen. Und in den Worten von Niedersachsens Umweltminister Hans-Heinrich Sander, der seine Partei aufforderte, »neu über eine nachhaltige Energieversorgung in Deutschland nachzudenken«. Was heißen kann, neue Kokereien aufzumachen, in denen man aus Kokskohle Koks macht. Oder mehr Kokskohle selbst zu fördern. Sanders Partei ist die FDP, eine Partei, in der es eigentlich keine Kohlefreunde gibt. Die auf der anderen Seite des Grabens steht. Eigentlich.
Emanuel Grün sagt: »Man muss das ja auch mal historisch betrachten. Wir haben unter dem Ruhrgebiet in 150 Jahren 10 Milliarden Kubikmeter Material rausgeholt, ohne das Gemeinwohl zu schädigen. Das ist doch ’ne unglaubliche Leistung.«
Die andere Seite dieser Leistung steht an der Bundesstraße 224, grau und groß, ein bisschen zu groß vielleicht für ein Wort wie Gemeinwohl. Dass man das in Herne nicht so sieht, hat etwas mit der Geschichte zu tun, die Franz Schröder, 51, zu erzählen hat. Schröder, Ingenieur bei der Emschergenossenschaft, Hauptabteilung Planung und Bau, sieht ein bisschen aus wie Walter Riester, der frühere Arbeitsminister. Er sitzt in einem Büro in Essen, 20 Autominuten von Herne entfernt, und beginnt das Gespräch mit einem schwarzweißen Foto, das er auf den Tisch legt. Man sieht darauf sehr viel Wasser, zwischendrin kleine Inseln aus Gras. Über dem Bild steht »Vorflutprobleme um die Jahrhundertwende«. Franz Schröder sagt: »So hat das hier mal ausgesehen.« Dann erzählt er.
Davon, dass durch den Kohlenbergbau im Ruhrgebiet schon Ende des vergangenen Jahrhunderts ganze Landschaften um mehrere Meter abgesunken waren. Dass Flüsse nicht mehr weiterflossen, weil sie in den Senkungsmulden Seen bildeten. Dass sich wegen ständiger Überflutungen Seuchen verbreiteten und deshalb 1899 die Emschergenossenschaft gegründet wurde, ein so genannter Wasserwirtschaftsverband. Sein Auftrag: einer Landschaft ihr Gleichgewicht zurückzugeben.
Man könnte das eine kleine Geschichte des Bergbaus nennen. Franz Schröder erzählt sie in einer Stadt, in der einmal 14 Bergwerke gleichzeitig 50000 Menschen Arbeit gaben. Doch Worte wie Stolz oder Tradition kommen in der Geschichte des Franz Schröder nicht vor. Man könnte ihr, ein bisschen knallig, die Überschrift geben: Bergbau: Die andere Seite. Oder, etwas dezenter: Was die Kohle mit sich bringt.
Schröder legt das nächste Blatt auf den Tisch. Es zeigt das Gebiet von Emschergenossenschaft und Lippeverband, beide Verbände arbeiten heute unter einem Dach. Man sieht das Ruhrgebiet, unten im Südwesten, im Norden und Osten geht es tief rein nach Westfalen. Auf der Karte sind gelbe Flecken zu sehen, besonders viele sind es im Südwesten. Franz Schröder erklärt, dass die gelben Flecken für so genannte Polderflächen stehen. Für abgesenkte Gebiete, die heute unter Wasser stünden, würden nicht Emschergenossenschaft und Lippeverband ständig Grundwasser abpumpen. Die gelben Flecken nehmen etwas mehr als ein Drittel der Karte ein. 38 Prozent, genau genommen.
Um die Flecken trocken zu halten, arbeiten 173 Pumpwerke. Sie fördern 608 Millionen Kubikmeter Wasser im Jahr, knapp dreimal so viel, wie in die größte Talsperre Deutschlands passt. Ohne sie stünde die ganze Stadt Essen unter Wasser. Oder Dortmunds Stadtteil Deusen, abgesunken um 24 Meter.
Die Bergwerke der Region zahlen dafür im Jahr mehr als 35 Millionen Euro in die Emschergenossenschaft und an den Lippeverband. Werke, die noch arbeiten, zahlen ebenso wie bereits stillgelegte. Eine staatlich subventionierte Branche gibt hier Millionen dafür aus, Landschaften trocken zu halten, die sie zum Teil auf Staatskosten abgesenkt hat. Franz Schröder sagt: »Bei uns zahlt jeder das, was er verursacht.« Das klingt sehr nüchtern, aber es hat nichts damit zu tun, dass Franz Schröder etwas zu verbergen hätte. Es gibt in seiner Geschichte kein Geheimnis, keine Enthüllung. Es gibt nur Dinge, die Bergbau schon immer mit sich gebracht hat und an die man sich im Ruhrgebiet gewöhnt hat. So sehr, dass man in Herne schnell mit einem Wort wie Gemeinwohl bei der Hand ist und sich dabei vielleicht noch nicht einmal groß etwas denkt. So sehr, dass man in Bottrop verlernt hat, sich über ein abgesunkenes Flüsschen zu wundern.
Vielleicht muss man dafür von weit her kommen, so wie der Geologe Lothar Steinberg, der vor zwei Jahrzehnten aus München an den Niederrhein kam und noch immer ein bisschen breiter spricht, als die Menschen es hier tun. Lothar Steinberg sagt: »Ich hab damals schon staunenden Auges dagestanden. Als ich gesehen hab, was hier an der Landschaft verändert worden ist.«
Er hat damals begonnen, für die Linksniederrheinische Entwässerungsgenossenschaft zu arbeiten, kurz LINEG, ein Pendant der Emschergenossenschaft. Und mit den Jahren muss auch er aufgehört haben, sich zu wundern. Denn Lothar Steinberg, 55, steht auf einer kleinen Brücke bei Kamp-Lintfort, schaut auf einen Bach und sagt sehr ruhig: »So sieht eine Bergsenkung dann an der Oberfläche aus.« Während er das sagt, bemerkt man, dass dieser Bach nicht so fließt, wie ein Bach fließen sollte. Ein paar Meter vor der Brücke ragt ein stählerner Pilz aus dem Wasser, einen halben Meter hoch, und der Bach fließt in zwei Richtungen von diesem Pilz weg. Der Pilz macht aus dem Bach zwei Bäche. Einer fließt auf die Brücke zu, der andere von der Brücke weg. Lothar Steinberg sagt, dass der Stahlpilz Teil einer Pumpanlage sei, die den Bach aus einer Senkungsmulde hebe. Ohne den Pilz fließe der Bach nicht weiter. Einen Teil des Wassers leite man zurück, um den Bach nicht zu unterbrechen. Steinberg sagt: »Man sieht, unsere Rolle ist unbedingt notwendig, um hier die Landschaft am Funktionieren zu halten.«
Vielleicht muss man einen geteilten Bach gesehen haben, um sich etwas unter einer Landschaft vorstellen zu können, die man »am Funktionieren« halten muss. Mit einem braunen Kasten, der ein paar Kilometer von der Brücke entfernt steht und den Bach bis zu einem stählernen Pilz pumpt. Mit sieben Pumpanlagen, die notwendig sind, um einen anderen Bach von Krefeld bis nach Rheinberg zu bringen. Mit insgesamt 178 Pumpanlagen im Gebiet der LINEG, mit 35 Millionen Kilowattstunden Strom im Jahr. Mit 65 Millionen Euro Genossenschaftsbeiträgen, 27 Millionen davon zahlt der Bergbau.
Ewigkeitskosten nennt man das, und Dinge wie der geteilte Bach sind Ewigkeitsschäden. Denn eine Landschaft, die man am Funktionieren halten muss, funktioniert nicht wieder von allein, wenn man unter ihr keine Kohle mehr abbaut. Sondern ist so lange von Pumpen abhängig, wie Menschen dort leben.
Ein Wort wie Gemeinwohl verbietet sich irgendwann von selbst.
Emanuel Grün denkt nicht in Ewigkeiten. Er denke jetzt erst einmal bis 2012, sagt er in seinem Büro in Herne. Bis 2012, das hat die Regierung im vergangenen November beschlossen, zahlt der Staat Kohlesubventionen. »Was dann kommt, sehen wir dann«, sagt Grün. Bis dann wird der RAG-Konzern 250 Millionen Euro im Jahr für das zahlen, was die DSK verursacht. 300 Mitarbeiter werden damit beschäftigt sein, sieben Euro pro geförderte Tonne Kohle auszugeben, um Flüsse in die richtige Richtung fließen zu lassen, um neue Deiche zu bauen und alte zu erhöhen, um 1100 Quadratkilometer Landschaft nicht versumpfen zu lassen. Und um 55000-mal Gebäude, Kanäle oder Stromleitungen zu reparieren, die so genannten kleineren Schäden, die es nicht mehr geben wird, wenn es in diesem Land vorbei ist mit dem Bergbau. Weil der Grundwasserspiegel aber bleiben wird, wie er ist, und man ihn auch nach der Zeit des Bergbaus künstlich niedrig halten muss, stellt die RAG in ihren Bilanzen das Zwanzigfache der jährlichen DSK-Betriebs- und Instandhaltungskosten zurück.
Sie wird davon auch Schäden bezahlen müssen, die es heute noch nicht gibt. Die erst noch entstehen oder angerichtet werden. Das sei aber nicht mehr viel, sagt Emanuel Grün, nur etwas mehr als ein Prozent der Fläche, die ohne Pumpen schon heute unter Wasser stünde, werde noch abgesenkt. Zehn Zechen arbeiten noch in Deutschland, von 2006 an sollen weitere geschlossen werden, der Kern des Ruhrgebiets ist heute nahezu bergbaufrei. Die Flöze wandern nach Norden, und mit jedem Kilometer dieser Wanderung wird das Vermittlungsproblem der DSK größer. Weil jetzt Menschen, die sich unter einer Senkungsmulde nichts vorstellen konnten, von Dingen erfahren, wie sie Franz Schröder in Essen erzählt oder Lothar Steinberg in Kamp-Lintfort. Für diese Menschen passen die Worte Gemeinwohl und Bergbau nicht in einen Satz. »Früher«, sagt Emanuel Grün, »war das unsere eigene Klientel, die betroffen war. Leute, die selbst im Bergbau gearbeitet haben. Da hat man sich einfach schneller geeinigt.«
Man kann so etwas einen Konsens nennen. Man könnte auch das Bild von der Hand gebrauchen, die einen füttert und die man deshalb nicht beißt. Auch dann nicht, wenn kaum noch Futter zu vergeben ist.
Der Rechtsanwalt Klaus Friedrichs aus Voerde am Niederrhein ist einer, der gern zubeißt, rein verbal natürlich, wie sich das für seinen Beruf gehört. Vor kurzem hat ihn jemand von der Bezirksregierung angezeigt, »Schreibtischtäter« hatte Friedrichs ihn genannt. Es ging um Bergbau, wieder mal, und es geht auch an diesem trüben Morgen um Bergbau, an dem Klaus Friedrichs auf den Rhein schaut, der sich grau an einem grünen Deich vorbeiwälzt und ein paar Schiffe mit sich trägt. Er sagt: »Vatter Rhein«, es klingt jovial, nach altem Bekannten irgendwie. Er sagt dann ein bisschen lauter: »Das gibt es nirgendwo sonst auf der Welt«, und das klingt dann nicht mehr jovial, weil Klaus Friedrichs nicht mehr über den grauen Fluss spricht, sondern davon, dass unter diesem Fluss Steinkohle abgebaut wird.
Und damit auch unter dem Deich, auf dem der schwere Mann jetzt über seinen Kampf gegen etwas redet, das sich ein paar Kilometer weiter hinten im Nebel nur erahnen lässt. Die Umrisse von ein paar Türmen stehen dort gegen einen grauen Himmel. Das Bergwerk Walsum scheint weit weg an diesem trüben Tag, so weit, wie es für die Menschen in Voerde immer war, bis man von dort aus begann, Steinkohle unter ihnen abzubauen. Bis unter ihnen der Bergbau umging, so sagt man das hier. Sie haben dann eine Bürgerinitiative gegründet, vor viereinhalb Jahren, sie haben Klaus Friedrichs zu ihrem Vorsitzenden gemacht, und sie haben schon viel erreicht. Ende des Jahres 2008 wird in Walsum die letzte Schicht gefahren, nicht erst 2019, wie ursprünglich geplant. Sie könnten damit zufrieden sein. Sie könnten die DSK ihr Werk vollenden lassen, dann noch ein paar Jahre warten, die letzten Fassadenrisse ausbessern lassen und sich freuen über elf Jahre, die ihnen erspart bleiben. Im Ruhrgebiet wäre das vielleicht so gekommen, aus reiner Gewohnheit.
Vielleicht wären aber auch im Ruhrgebiet solche Gewohnheiten nie entstanden, wenn sie dort einen Fluss wie den Rhein hätten, mitten in einer Landschaft, die man sich nach 80 Jahren Bergbau wie eine riesige Badewanne vorstellen muss. Eine, die von Duisburg bis Moers reicht, aus der sich, würde der Rhein sie eines Tages füllen, kein Stöpsel ziehen ließe. Das Wasser liefe dann nicht wie beim Elbhochwasser wieder ab. Bräche hier bei Hochwasser ein Rheindeich, stünde das Wasser bis zu 14 Meter hoch. Vierstöckige Gebäude wären nicht mehr zu sehen. Solche Zahlen entstammen nicht dem Kopf von Klaus Friedrichs – sondern einer Computersimulation von Ruiz Rodriguez, in Wiesbaden Professor für Wasserbau und Wasserwirtschaft. Er sagt dazu: »Solange am Niederrhein unter den Deichen abgebaut wird, erhöht sich das Risiko eines Deichbruchs. Und wenn dann mal etwas passiert, müssen hier ganze Ortschaften geräumt werden.«
Es gibt deshalb am Niederrhein schon jetzt Deiche, die Bärbel Höhn, grüne Umweltministerin von Nordrhein-Westfalen, einmal die sichersten in ganz Europa genannt hat. Hartmut Schulz, Professor für Bodenmechanik und Grundbau an der Bundeswehr-Universität München, sagt über sie: »Verglichen mit normalen Deichen, sind sie wirklich sehr sicher. Aber was tatsächlich einmal passieren kann, wenn direkt unter den Deichen weiter abgebaut wird, das kann niemand wissen. Das Risiko erhöht sich in jedem Fall.« Das wissen sie auch in der DSK-Zentrale, deshalb schicken sie regelmäßig Kontrolleure an den Niederrhein. Und sie zahlen, wenn Deiche erhöht oder ausgebessert werden. Damit endet dann ihre Verantwortung und geht auf so genannte Deichverbände über, in denen automatisch Mitglied wird, wer Land im potenziellen Überflutungsgebiet besitzt. Viktor Paeßens, Vorsitzender eines solchen Deichverbandes, sagt: »Die Deiche sind so sicher, wie sie nie waren. Aber wenn hier weiter abgesenkt wird, ist für uns die Grenze des Machbaren erreicht.«
»Die Deiche sind sicher«, sagt Emanuel Grün in der DSK-Zentrale. Die Bezirksregierung Arnsberg habe den Abbau schließlich genehmigt. Es gebe Gutachten und Gerichtsentscheidungen. Genehmigungsverfahren. Planfeststellungsverfahren. »Wir sind da ganz leidenschaftslos. Wenn die Behörden zu dem Schluss kommen, dass Abbau unter dem Rhein die Sicherheit gefährdet, dann würden wir da keinen Abbau betreiben.«
Dann, bevor er die Arme vor der Brust verschränkt und sich zurücklehnt, sagt Emanuel Grün: »Außerdem bauen wir seit 70 Jahren unter dem Rhein Steinkohle ab. Und 70 Jahre lang ist nichts passiert.«
Im Ruhrgebiet würde man vielleicht noch anfügen: Siehste. Überall sonst eher: Bis jetzt.