Kleine Einbuchtungen - Sinn und Zweck

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venedigermandal
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Kleine Einbuchtungen - Sinn und Zweck

Beitrag von venedigermandal »

Hallo und Glück auf !

Als Neuling ist vlt. vor meiner Frage eine kurze Vorstellung nicht schlecht :D

Ich bin aus dem Raum Tirol und interessiere mich sehr für den heimischen Bergbau,
da dieser leider Großteils in Vergessenheit geraten ist. Nach Möglichkeit habe ich immer
mindestens eine Kamera dabei, also wenn jemand Fotomaterial vom heimischen Bergbau sucht, kannn er ja gerne fragen :)


Nun zu meiner Frage:

Bei einer Befahrung sind mir in einer Grube im Raum Schwaz die unten angefügten "Kästen" aufgefallen, dies an mehreren Stellen...

Es befindet sich in der Nähe kein Schacht o.ä. was das einsetzen eines Bretts nötig machen würde (zumindest meiner Meinung)

Ein Gedanke war dass diese Nischen für Geleucht gedacht waren, jedoch finden sich (wie auch angehängt) auch genügen "Lehmbatzen" zum halten von Kienspänen

Zum Alter der Grube kann ich leider nicht viel sagen, es wurde bereits Schusstechnik angewandt, die Abbaue sind aber meist nur kleine Zechen, eine hölzerne Beschinung ist zum großen Teil noch vorhanden

vielleicht kann mir ja jemand einen Ratschlag geben oder kennt die Grube sogar ?
Dateianhänge
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Joachimsthaler
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Re: Kleine Einbuchtungen - Sinn und Zweck

Beitrag von Joachimsthaler »

Glück auf venedigermandal,

erstmal Herzlich Willkommen im Forum :meister:

es handelt sich bei den "Kästen" mit großer Wahrscheinlichkeit um Bühnenlöcher. Die wurden im Bergbau für den Einbau von Hölzern verwendet. Ob Sinn oder nicht Sinn an der Stelle auf dem Foto kann man sich streiten.....
Ich kenne den Bergbau von Schwaz und Umgebung, diese Form von "Kästen" sieht man oft dort.

GA Joachimsthaler
Mannl
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Re: Kleine Einbuchtungen - Sinn und Zweck

Beitrag von Mannl »

Hallo Venedigermandal,
Die erste dokumentierte gewerbliche Sprengung führte der Tiroler Bergmann Caspar Weindl im Jahr 1627 im Revier von Schemnitz durch. Dem nach sollten die Grubenbaue mit "Schießspuren" nach diesem Zeitpunkt entstanden sein. Es könnte natürlich auch sein, dass die Grubenbaue älter sind und nur mit "Schießarbeit" nachgerissen wurden .....
Die "Kästen" setzen meiner Meinung nach einen wichtigen Zweck voraus, als Bühnenloch für ein Sitzbrett o.ä. hätte ich mir die Arbeit gespart ... ?! Warten wir mal die Meinung der Experten ab !
Ehre dem Bergmann, dem braven Mann !
Falafel
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Re: Kleine Einbuchtungen - Sinn und Zweck

Beitrag von Falafel »

@Mannl: Das Datum der ersten untertägigen Schießarbeit muss inzwischen korrigiert werden. Nach neueren Arbeiten gibt es gesicherte Belege für 1618 im Raum Schwarzwald / Vogesen. Das nur am Rande ...

Glück Auf!
Stephan
hesystem
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Re: Kleine Einbuchtungen - Sinn und Zweck

Beitrag von hesystem »

Mannl hat geschrieben:Hallo Venedigermandal,
Die erste dokumentierte gewerbliche Sprengung führte der Tiroler Bergmann Caspar Weindl im Jahr 1627 im Revier von Schemnitz durch. Dem nach sollten die Grubenbaue mit "Schießspuren" nach diesem Zeitpunkt entstanden sein. Es könnte natürlich auch sein, dass die Grubenbaue älter sind und nur mit "Schießarbeit" nachgerissen wurden .....
Die "Kästen" setzen meiner Meinung nach einen wichtigen Zweck voraus, als Bühnenloch für ein Sitzbrett o.ä. hätte ich mir die Arbeit gespart ... ?! Warten wir mal die Meinung der Experten ab !
Ich bin keine Experten, aber die Grubenbaue mit "Schießspuren" klingt aber komisch. :shock:
Jeder Mensch ist geheimnisvoll. Du hast gar keine Ahnung, wie gut oder schlecht er ist, bis du ihn wirklich kennst und die Wahrheit siehst.
Uran
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Re: Kleine Einbuchtungen - Sinn und Zweck

Beitrag von Uran »

Falafel hat geschrieben:gesicherte Belege für 1618 im Raum Schwarzwald / Vogesen.
Würde mich interessieren.
Mannl hat geschrieben:Die erste dokumentierte gewerbliche Sprengung führte der Tiroler Bergmann Caspar Weindl im Jahr 1627 im Revier von Schemnitz durch
Das ist richtig. Und zwar am 8. Februar. Allerdings war er vorher auf den in Tirol liegenden Bergwerken des Grafen Montecuccoli tätig. Damit kann man davon ausgehen, das er hier das Sprengen schon erprobt hat. Monecuccoli war auch Gewerke in Schemnitz. Weindl war vorher im kaiserlichen Heer tätig und nahm an einem Italienfeldzug teil, den der Bruder des Gewerken Monecuccoli als General anführte. Bezeichnend ist, das der Kaiser selbst ihn zur Ausübung seiner "Sprengtätigkeit" von der Armee frei stellte.
ich bi noch aaner ven altn Schlog, on bleib aa, wi ich bi.
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Re: Kleine Einbuchtungen - Sinn und Zweck

Beitrag von Norbert Kaiser »

Es wird schon geraume Weile davon ausgegangen, dass die Schießarbeit erstmals 1617 in Le Thillot in den Vogesen zur Anwendung kam - mit der Einschränkung, dass dies dem derzeitigen Kenntnisstand entspricht.

Die Literatur (z.B. Christoph Barthels: Die Entwicklung des Bergbaus im nordwestlichen Harz bis zum Beginn der Industrialisierung: Bergbau – eine »Großveranstaltung«? in: Siedlungsforschung. Archäologie – Geschichte – Geographie 21, 2003, S. 97–111, online unter http://www.kulturlandschaft.org/publika ... 1-2003.pdf) bezieht sich dabei auf folgenden Aufsatz:

Francis Peirre: Les mines de cuivre et d'argent de la Haute Moselle. In: Lotharingia 5, 1993, S.91–159.

Vom gleichen Autor stammt auch folgender Aufsatz, in dem ebenfalls auf 1617 abgestellt wird:

Francis Pierre: Les recherches en archeologie miniere dans le sud des Vosges lorraines (online unter http://www.hautesmynes.com/wp-content/u ... Vosges.pdf) >>> S. 240 oben rechts

Dabei wird in Anmerkung 22 auf "ADMM B 8361" als Quelle verwiesen - ggf. ist das eine Abkürzung für einen Urkundenband (so wie in Sachsen CDS = Codex diplomaticus Saxoniae) ??? - hier müsste mal jemand ran, der des französischen mächtig ist...

GA, Norbert
Uran
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Re: Kleine Einbuchtungen - Sinn und Zweck

Beitrag von Uran »

Das hat Nobi schon getan. Es gibt eine Abrechnung für das 4. Quartal 1617.
ich bi noch aaner ven altn Schlog, on bleib aa, wi ich bi.
hungerlieb
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Re: Kleine Einbuchtungen - Sinn und Zweck

Beitrag von hungerlieb »

Hallo,

Deine Nischen sehen etwas anders aus, tatsächlich würde ich auch auf Bühnenlöcher (z.B. auch für Sitzhölzer) tippen, aber uns sind vor einiger Zeit ähnliche Taschen unter die Augen gekommen:
in einem geschlägelten Stolln wurde nachgeschossen (die Diskussion Schießen/Sprengen geht mir völlig ab), siehe Bild im Anhang. Zumindest um einen Ansatzpunkt zu bekommen wurden da auch ähnliche Nischen ausgehauen, evtl. waren es sogar aus technischen Gründen während des bohrens der bis zu 2" dicken Bohrlöcher notwendig.

Das "nachtreiben" von Blöcken kann es nicht sein? Ich habe ähnliche Taschen als Ansatz für Keile zwischen Blechen im Tagebau "Wilde Kirche" gesehen.

Viel Erfolg beim rätseln.
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Bild1.jpg
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Sven
Uran
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Re: Kleine Einbuchtungen - Sinn und Zweck

Beitrag von Uran »

Naja. :gruebel: Nachdem das Bohrloch mit Pulver gefüllt war, wurde ein Pflock in das Bohrloch getrieben und ein Schießblech aufgelegt. Zur Sicherung und Erhöhung der Wirkung wurde das Schießblech mit einer Schießspreitze am gegenüberligenden Stoß verkeilt.
ich bi noch aaner ven altn Schlog, on bleib aa, wi ich bi.
Falafel
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Re: Kleine Einbuchtungen - Sinn und Zweck

Beitrag von Falafel »

Ich kann mir auch vorstellen, dass es ziemlich angenehm ist, wenn man besonders beim Anfang des Bohrens den Bohrer auflegen kann (so ein 2'' Bohrer hat ja auch ein gewisses Eigengewicht). Da wäre eine Hilfsspreize sicher sinnvoll.
Falafel
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Re: Kleine Einbuchtungen - Sinn und Zweck

Beitrag von Falafel »

Noch mal zu den Nischen im Einzelnen: Bei der Nische auf Bild 1 handelt es sich vielleicht um eine Geleuchtnische. Ein Kuckuck scheint hinein zu passen. Sind vielleicht sogar noch Rußspuren am "Dach" der Nische? Die Nischen der folgenden Bilder würde ich, wie Sven schon angesprochen hat, als Keiltaschen interpretieren. Da gibt es in einem IES-Jahrbuch eine Arbeit drüber.

Glück Auf!
Stephan
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Nobi
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Re: Kleine Einbuchtungen - Sinn und Zweck

Beitrag von Nobi »

Für mich sieht es eher aus wie Bühnlöcher für irgendwelche Spreizen. Man müsste nun aber wissen, ob an dieser Stelle die Verwendung von Ausbauholz sinnvoll ist bzw. notwendig war.
Bühnloch für ein Sitzholz würde ich ausschließen, da man sich nur vorstellen braucht, wie der Bergmann auf dem Holz gesessen hat, wenn es in dieser Lage eingebracht wurde - autsch ...

Keiltaschen können es auch sein, die habe ich aber in echt noch nicht gesehen (oder nicht erkannt als solche). Dann sollten sich aber gerade an Abbruchkanten in der Grube Reste anderer Keiltaschen finden lassen.

Bei den Schießspreizen wurden nur kleinere gerade Flächen bzw. flache Bühnlöcher gehauen. Bei der Befahrung zum IMW 2014 in der Grube "Komm Sieg mit Freuden" konnte man das sehr gut sehen. Zweimännisch gebohrte Löcher und in der Verlängerung die Fläche für die Schießspreize.
GLÜCK AUF | NOBI

Der Berg ist frei.
Wo eyn man eynfahrn will
mag her es thun mit rechte.


w w w . b e r g b a u s h i r t . d e
venedigermandal
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Re: Kleine Einbuchtungen - Sinn und Zweck

Beitrag von venedigermandal »

Falafel hat geschrieben:Noch mal zu den Nischen im Einzelnen: Bei der Nische auf Bild 1 handelt es sich vielleicht um eine Geleuchtnische. Ein Kuckuck scheint hinein zu passen. Sind vielleicht sogar noch Rußspuren am "Dach" der Nische? Die Nischen der folgenden Bilder würde ich, wie Sven schon angesprochen hat, als Keiltaschen interpretieren. Da gibt es in einem IES-Jahrbuch eine Arbeit drüber.

Glück Auf!
Stephan
Hallo,

Danke schon mal an alle für die zahlreichen Antworten :top: !

Das mit der Nische für ein Geleucht (Bild 1) kann ich mir auch gut vorstellen, werde auch nochmals genauere Bilder machen wenn ich wieder vor Ort bin.

Bild 2 und 3 zeigen eine leicht verdrehte Nische, wobei es mir scheint als wäre zuerst die Linke (was vermutlich nicht passte) und dann die Rechte, welche vermutlich Ihren Zweck erfüllte gemacht.

Eine Verwendung als Bühnholz/Sitzholz scheint mir persöhnlich aufgrund der geringen Höhe und da Sie verdreht sind nicht sehr wahrscheinlich, werde aber auch von hier Fotos aus mehreren Perspektiven machen.

vielleicht findet sich ja noch eine Lösung der wir alle zustimmen können :)



Schon mal einen Guten Rutsch und ein Glück auf,
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